Marta Museum Herford Gehry Architekt

Mein Wort für den Ort. Besuch im Marta

Ein einziges Wort kann eine ganze Welt bedeuten. Weil Worte nie alleine stehen. Für mich sind sie immer Anfänge. Für Assoziationen. Gespräche. Oder Gedankenreisen. Manchmal erlege ich mir einen Perspektivwechsel auf und versuche, aus vielen Eindrücken ein Wort zu extrahieren. Ein Konzentrat aus allem, was mir begegnet, was ich über die verschiedenen Sinne aufnehme. Eine sehr nützliche Kreativmethode. Manchmal muss ich dann lange suchen und verwerfe auch schon mal das ein oder andere Wort, finde bessere, passendere. Aber es gibt Situationen, da steht mir ein Wort sofort vor Augen und geht nicht mehr weg. So ging es mir beim Marta, wo ich zu Beginn der Woche mit den Herbergsmüttern auf Besuch war. STATEMENT lautete das Wort. Das Wort für diesen Ort. Jetzt steht natürlich die Frage im Raum, warum es mir in den Sinn kam. Ein feiner Anlass darüber zu bloggen.

STATEMENT. Die Architektur.

Ein Kurzbesuch in Herford hat unterschiedliche Eindrücke von der Stadt geliefert. Hier ein bisschen urbane Tristesse, dort plötzlich großartige Villen, die von einer gewissen Blüte zeugen. Von unserem Hotel aus marschierten wir an der Werre entlang durch einen kleinen Park. Und dann biegt man um eine Ecke und Bämm!!! Der Gehry-Bau! Wahnsinn, wie der schon beim Näherkommen gute Schwingungen aufbaut. Rötlicher Backstein und dann diese metallenen Dachschwingen nach oben. Gerne wird das Marta mit einem Schiff verglichen. Ich sehe aber eher das Meer. Oder etwas Organisches. Es lebt!

Ursprünglich sollte der Bau den Herfordern ein Möbelmuseum sein (es gibt hier eine weitreichende Industriegeschichte). Wie schön, dass der Plan nicht geklappt hat und jetzt dort die Kunst regiert. Einen Star-Architekten in die ostwestfälische Provinz zu holen war sicher ein gelungener Coup von allen Verantwortlichen. Aber so ein Bau muss dann auch funktionieren. Die in eine fast tänzerische Bewegung versetzte Architektur darf nicht nur Fassade sein. Die Idee des Dekonstruktivismus nicht aufgesetzt. Das Aufbrechen der festgefügten Formen soll etwas Neues konstruieren.

STATEMENT. Die Ausstellungen

Mein erstes Mal im Marta war zur Ausstellung „Atelier + Küche = Labor“. Das hatte mich schon von Weitem magisch angezogen (ja, leider ist es doch einen Tacken zu weit von Köln nach Herford, um so oft zu kommen, wie man eigentlich möchte). Atelier und Küche! Mein Thema! Und ich mochte allein schon der Titel der Ausstellung. In dem Begriff steckt für mich Sinnlichkeit und Experiment. Ausprobieren. Vermischen. Ergebnisse vergleichen. Kein an die Wände genagelter Kanon. Eine fabelhafte Ausstellung und ich habe hier nochmal ein Video zum Reinblicken gefunden.

Schon lange verfolge ich die Ausstellungen des Marta. Es sind immer spannende Themen, die sich an einen gesellschaftlichen Diskurs anschließen. Das gefällt mir. Es sind eben keine kunsthistorischen Fingerübungen, die man goutieren kann oder nicht. Sondern es geht einen an, was dort verhandelt wird. Mit gespannter Erwartung sehe ich der Ausstellung „Die innere Haut. Kunst und Scham“ entgegen. Schon die Liste der beteiligten Künstlerinnen und Künstler macht unglaublich Lust darauf. (Unter anderem Louise Bourgeois, Berlinde De Bruyckere,  Albrecht Dürer,  Yoko Ono, Erwin Wurm!!!)

Aktuell laufen noch „Der fremde Raum“ (bis 5.2.) und „Anders Petersen“ (12.3.). Trotz ihrer Unterschiedlichkeit haben beide gemeinsam, dass man als Besucher über alle Maßen berührt wird. Beim „fremden Raum“ geht es über den Körper. Man wird fast wörtlich in die Kunst hineingezogen. Erkundet sie mit allen Sinnen. Kriecht durch die Wände, blickt in offene Wunden. Ein wirklich sehr radikaler Ansatz. Man hat fast das Gefühl, das Museum würde seziert. Das ist so wunderbar weit entfernt vom „White Cube“ und vielleicht gerade deshalb ein Publikumsmagnet.

Anders Petersen ist eine Entdeckung für mich. Die Fotoserie „Café Lehmitz“ zum Beispiel. Das hat mich geflasht. Ich fühle mich an „meine“ expressionistischen Kaffeehausszenen erinnert. Das ist kein gepflegter Kunstgenuss vor den Bildern. Das geht unter die Haut. Das fängt an zu arbeiten im Kopf. Man verliert sich in Gesichtsausdrücken, fühlt und spürt ihnen nach. Unglaublich!

Im Blog des Marta ist die Ausstellung in mehreren Beiträgen wunderbar begleitet, dokumentiert, besprochen. Inklusive Bastelanleitung! Hurra!

Blogbeitrag von Kuratorin Friederike Fast zu der Performance von Anastasia Ax.

Blogbeitrag: Ein Interview mit Esther Stocker. 

Blogbeitrag: Ein Interview mit Monika Grzymala.

Blogbeitrag mit Faltanleitung zu Stefan Eberstadts „Non Linear Story“

Sehr schönes Making Of von Christoph Webers Arbeit. 

Und last but not least: Ein toller Blogbeitrag zur Entstehung der Ausstellung.

STATEMENT. Die Menschen

Und vom Blog fällt es mir leicht, zu den Menschen überzuleiten, die im Marta arbeiten. Denn  wir sind Internetbekanntschaften 😉 Das heißt, dass wir schon seit Längerem im Netz einen Dialog pflegen. Über Blogbeiträge hinweg, auch schon mal als E-Mail-Ping-Pong. Wo auch immer: die Kolleginnen und Kollegen im Marta  sind mir Ansprechpartner in Sachen Kunst. Das ist eine Haltung, die man auch an diesem Abend des Neujahrs-Empfangs spürt. Die Herforder mögen ihr Marta  und auch die Menschen, die darin arbeiten.

Mit einer sehr mutigen und berührenden Performance drückten die Mitarbeiter ihre Beziehung zur Kunst und zum Haus aus. Sich derart zu zeigen, will schon etwas heißen! Und es bringt mein Wort für den Ort auf den Plan. STATEMENT meint nämlich auch Verlautbarung, Stellungnahme, Aussage. Und dafür braucht man eine klare Haltung. Dass diese im Marta top-to-bottom vorhanden ist, merkt man an allen Ecken im Kontakt mit diesem Museum. Auch, was das Agieren im digitalen Raum angeht. Ich bin gespannt auf weitere Anregungen, Gespräche und Diskussionen.

Wir waren wirklich begeistert von der Zugewandtheit, der Diskussionsbereitschaft und der Sympathie, die wir bei allen Beteiligten festgestellt haben. An dieser Stelle vielen Dank Daniela Sistermanns und Nele Rullkoetter für die tolle Rund-um-wohlfühl-Betreuung. Und Danke auch an Friederike Fast, Michael Kröger und Roland Nachtigäller für die Zeit und die netten Gespräche.

 

Hinweis: Die Reise nach Herford und die Übernachtungskosten wurden vom Marta übernommen. 

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Kommentare

2 Antworten zu „Mein Wort für den Ort. Besuch im Marta“

  1. Avatar von Daniela Sistermanns
    Daniela Sistermanns

    Liebe Anke,

    danke für Dein Wort zu unserem Ort. Das gesamte Marta-Team hat sich sehr gefreut! Für mich persönlich war es schön, Eure Begeisterung für die Ausstellungen hier zu spüren und auch noch mal nachzulesen. Denn auch ich werde immer wieder aufs Neue berührt – und das, obwohl die beiden Ausstellungen doch eigentlich zum „Arbeitsalltag“ gehören…
    Wir freuen uns schon auf ein Wiedersehen zu „Die innere Haut – Kunst und Scham“.

    Die Martas senden herzliche Grüße 🙂
    Daniela

    1. Avatar von Kulturtussi
      Kulturtussi

      Liebe Daniela,
      bis zum Wiedersehen kann man sich ja prima lesen …

      Herzlichst
      Anke

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