Der böse Blick


Als ich in die Ausstellung kam, war mein erster Gedanke: Wo ist Anita Berber? Ich freute mich so auf die Begegnung mit ihr. Und mit Otto Dix, dessen Kunst mich schon während meines Studiums besonders fasziniert hat. Die Ausstellung „Otto Dix. Der böse Blick“ ist noch bis zum kommenden Sonntag in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen zu sehen. Ihr müsst da unbedingt noch hin! Denn es ist nicht nur der intensive Blick vieler äußerst spannender Portraits, die man dort studieren kann. Sondern es ist auch der „böse Blick“ des Malers, der so genau hinsah, dass es schon fast weh tut. Ein unglaubliches Seh-Erlebnis erwartet euch dort. 

Bildnis der Tänzerin Anita Berber 1925 Sammlung Landesbank Baden-Württemberg im Kunstmuseum Stuttgart

Smokey Eyes leuchten aus einem bleich geschminkten Gesicht heraus. Heroin-Schick würde man heute sagen. Und tatsächlich gab die Berber offen zu, diese Droge zu konsumieren. Sie war das leuchtende Beispiel für eine Femme fatal.

Hohe Wangenknochen. Eine scharfe schmale Nase und ein blutroter kleiner Mund. Dazu rot gefärbte Haare und ein rotes Kleid, das mehr zeigt, als es verhüllt. Anita Berber hat sich in eine laszive Pose geworfen und präsentiert selbstbewusst und herausfordernd ihren Tänzerinnenkörper. Jahrelang hatte ich als junge Frau ein Poster von diesem Dix-Gemälde in meinem Zimmer. Nicht, weil ich genauso sein wollte wie Anita. Eher weil mich diese Provokation fasziniert hat. Nachdem ich im November schon mal in Stuttgart vor dem Bild stand, hatte ich jetzt in Düsseldorf wieder das Vergnügen mit ihr.

Auch wenn Berlin sicherlich das heißeste Nachtleben der zwanziger Jahre hatte – Anita Berber lernte Otto Dix in Düsseldorf kennen. Im Ballhaus Jungmühle, das sich damals in der Schadowstraße befunden hat. Die Tänzerin – aufgewachsen in gutbürgerlichen Verhältnissen – tingelte durch Varietes und Ballhäuser in ganz Deutschland.

Angeblich hat sie Dix komplett nackt Modell gestanden, als er 1925 dieses Porträt von ihr malte. Ihre Freizügigkeit grenzte allerdings teilweise an Selbstzerstörung. Sie trank eine Flasche Cognac pro Tag und mancher Auftritt musste ausfallen, weil sie nicht in der Lage war, zu tanzen. Dix – und auch seine Frau Marta – waren fasziniert von der Hemmungslosigkeit Anita Berbers, die der komplette Gegenentwurf zur preußischen Tugendhaftigkeit der Deutschen schien. Sie starb drei Jahre nachdem dieses Bild entstanden ist an Tuberkolose.

Die Ausstellung konzentriert sich auf die Zeit, in der Otto Dix in Düsseldorf war. Das Rheinland war damals ein Anziehungspunkt für junge Künstler, dich sich Ausstellungsmöglichkeiten und vielleicht auch Aufträge erhofften. Mir gefällt übrigens die Aktion der Kunstsammlung auf Instagram sehr gut. Dort werden verschiedene Orte in Düsseldorf aufgesucht, die in der Biographie von Dix eine Rolle gespielt haben. Mittels eines historischen Fotos wird eine Verbindung zwischen früher und heute aufgenommen. Sehr schön umgesetzt und eine prima Erweiterung der Ausstellung in den Stadtraum.

Die Schrecken des Krieges

Otto Dix gehört in die Generation der Künstler, die den ersten Weltkrieg erlebten und hat die traumatischen Erlebnisse dort in seinen grafischen Zyklen verarbeitet, die an die Schrecken des Krieges von Goya erinnern. Die Ausstellung zeigt diese Grafiken in einem zweiten Teil und man ist derart emotional berührt, wenn man diesen Schilderungen nahe kommt, dass man sich erst einmal wieder fangen muss. Auch da fixiert Dix das Böse, Schlimme, Grausame. Er deutet es nicht nur an, sondern greift sogar einzelne Horrorbilder bewusst auf. So, wie die jungen Soldaten es aushalten mussten, sollen es auch die Betrachter aushalten.

Gestrandet im Kaffeehaus

Die Kriegsheimkehrer. Die Entwurzelten. Die Einsamen. Sie alle fanden sich im Kaffeehaus wieder. Für mich ist das Kaffeehaus eine Art Mikrokosmos, in welchem sich Rückschlüsse auf die Gesellschaft ziehen lassen. Auch Dix hat sich dieses Phänomens angenommen und ein typisches Motiv herausgegriffen. Das der einsamen Frau, die vor einem Drink an einem dieser typischen kleinen Marmortische sitzt. Damals waren das natürlich ganz besondere Damen, die da alleine in aller Öffentlichkeit Alkohol tranken.

Otto Dix. Mieze, abends im Café. Die Darstellung einer Prosituierten malte Dix 1923. Sie ist grell geschminkt und hat ein durchsichtiges Kleid an. In ihrem Schoss sitzt ein kleines Hündchen.
Mieze, abends im Café 1923 Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See

Den falschen Pelz kokett um die Schultern und im Schoss das kleine Hündchen. Ein schreiend bunter Hut ruft: Sehr her! Ich bin bereit!

Bereits die Impressionisten haben diesen Hang zur Halbwelt gezeigt. Nicht zuletzt auch als Erscheinung der modernen Großstadt. Die Expressionisten stilisierten Huren geradezu als Ikonen des Anti-Bürgerlichen. So auch Dix. Was mich an der Ausstellung wirklich überrascht hat, das sind die Aquarelle und Guachen, in denen der Künstler eine unglaubliche Virtuosität entwickelt. Ich habe die noch nie so wahrgenommen. Aber es ist spannend, wie diese Technik gerade bei den schrägsten Gestalten zur Geltung kommt. Dieses zerlaufende Pink unter den Augen von Mieze. Die bläulichen Adern in den spinnenhaften Armen. Man meint fast, das Bild fängt vor lauter Schwüle an, zu zerlaufen.

Mein Lieblings-Guache aus der Ausstellung ist übrigens die Darstellung von drei Kohlblättern, die gleich zu Anfang in der Ausstellung hängen. Mich hat das zuerst irritiert. Dann aber war ich auf eine ganz besondere Art sensibilisiert für die malerischen Techniken, mit denen Dix brilliert.

Wenn ihr hingeht, achtet mal darauf.

 

 

 

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2 Antworten zu “Der böse Blick”

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