Schattenfänger. Ein poetisches Filmessay


Vor einiger Zeit erhielt ich eine Mail von Nadine Zacharias, die mich zwar in einer sehr arbeitsreichen Phase erwischt hat, die mich aber sofort neugierig gemacht hat. Sie erzählte mir von ihrem Film „Schattenfänger“ und schrieb darüber unter anderem dies:

„SCHATTENFÄNGER ist ein poetisches Filmessay, das einen ungewöhnlichen Ort, den legendenbehafteten Barbara-Stollen im Schauinsland (Schwarzwald), auf poetische Weise erkundet. Wir nähern uns einem einmaligen Ort: dem Zentralen Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland, der das kulturelle Gedächtnis der Deutschen beherbergt, und dem einzigen Bauwerk Deutschlands unter Sonderschutz der Haager Konvention. Mit dem Blick aus der Zukunft wirft der Film Fragen zu unserer Zeit, zu unserer Kultur, zu unserem Umgang mit Kultur, zu unserer Weltanschauung und letztendlich über uns selbst auf.“

Foto: (c) Moving Ideas

Wow, das kulturelle Gedächtnis Deutschlands tief in einem Stollen mitten im Schwarzwald. Davon hatte ich noch nie etwas gehört und ich war sehr gespannt, als ich die Gelegenheit erhielt, mir den Film anzuschauen. Gerade hatte der Film seine Premiere im freien Internet und ich möchte euch gerne motivieren, ihn anzuschauen und vor allem fleißig weiter zu verteilen. Er ist für mich nicht nur ein gelungenes Projekt, weil er filmisch richtig gut umgesetzt ist. Sondern er beweist, wie viel mehr man transportieren kann, wenn man die Kunst des Storytellings beherrscht. Denn man hätte sicher auch eine „normale“ Doku über den Barbara-Stollen machen können. Die hätte mich aber bestimmt nicht so bewegt.

Ich möchte natürlich nicht allzu viel spoilern. Nur soviel: wir erleben die Entdeckung des Stollens durch ein Wesen aus der Zukunft. Hier hat sich die Wahl eines wirklich fantastischen Sprechers als Glücksgriff erwiesen. Die Stimme von Bernd Kolarik funktioniert einfach großartig! Auch die englische Version ist mit der Stimme von Christina Schlögl sehr hörenswert. Überhaupt hat der ganze Film einen sehr schönen Sound, der einen mitnimmt auf die Reise in den tiefen Stollen. Nicht nur die Filmmusik, auch Geräusche aus der Natur oder das Surren des Scanners – alles zusammen erzeugt die besondere Magie des Films.

„Es war dann gar nicht schwierig sich in ein Wesen der Zukunft hineinzuversetzen, das von der Legende des Barbara-Stollens (oral history hat überdauert) gehört hat, was seine Neugierde und Abenteuerlust geweckt hat (trotz wiederkehrender Zweifel), und diesen sucht und Fragen an diesen Ort und die Zivilisation, die hier ihre Kultur eingelagert hat, stellt.“ So beschreibt Nadine ihre Herangehensweise bei der Entwicklung des Skripts. Ihr war es wichtig, zu erklären, was Kultur ist, was Kultur kann, was andere Menschen darunter verstehen. Dazu kommen Gedanken darüber, was wir unseren Nachfahren als kulturelles Erbe wohl hinterlassen. Bevor Nadine Zacharias ein Regiestudium absolvierte, hat sie Ethnologie studiert. Das merkt man dem Filmessay an. Die Idee, das Ganze aus einer anderen Perspektive auch als eine Art Feldforschung zu betrachten, finde ich großartig.

Der Barbara-Stollen fällt in die Zuständigkeit vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und auch das Landesarchiv Baden-Württemberg – Institut für Erhaltung von Archiv- und Bibliotheksgut in Ludwigsburg war involviert. Irgendwie stellte ich mir vor, dass es nicht so einfach gewesen sein muss, da mit einem Konzept zu einer solch poetischen und doch eher ungewöhnlichen Herangehensweise offene Türen einzurennen. Doch als ich Nadine darauf anspreche, schwärmt sie mir von der unkomplizierten Unterstützung der Behörden vor. Nur ein Anruf war nötig, um die Drehgenehmigung an diesem ehemals geheimsten Ort der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten. Und auch die Archiv-Mitarbeiter*innen haben sich über die Maßen engagiert und die Dreharbeiten mit wertvollem Input unterstützt.

Gerade in diesen Tagen, da sich der Einsturz des Historischen Archivs in Köln zum zehnten Mal jährt, berührt mich die Geschichte um den Barbara-Stollen besonders. Nadine Zacharias berichtet mir dann auch, dass zum Beispiel die Baupläne des Kölner Doms fotografiert und im Barbara-Stollen eingelagert wurden. Erstmals wurde wieder ein Fass im Barbara-Stollen geöffnet, um die verlorenen Dokumente zumindest als Abbildung wiederzuholen.

Foto: (C) Moving Ideas

Lasst euch also das Erlebnis nicht entgehen, mit „Schattenfänger“ in eine ganz besondere Geschichte einzutauchen. Ein Film, der verzaubert. Und jetzt, wo ich das Geheimnis des Barbara-Stollens kenne, bin ich voll mit vielen Gedanken, die mich nicht mehr loslassen. Großartig, wenn auf diese Weise etwas angestoßen wird, das Wirkung hat. Große Bewunderung für dieses Projekt, dass Nadine und ihre Mitstreiter von Moving Ideas ohne jegliches Budget nur mit der Leidenschaft für die Sache gestemmt haben. Ich denke, das verdient Applaus. Und im besten Falle wird die Vorstellung davon weiter getragen, wie man Kulturprojekte auf mitreißende Art und Weise zeigen kann.

 

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2 Antworten zu “Schattenfänger. Ein poetisches Filmessay”

  1. ich war im Barbarastollen … kalt, nass… tief drinnen … es war ein Abenteuer dort zu sein und zu sehen als Kulturschaffende & Ethnologin, als jemand, die in Kriegsgebieten gearbeitet hat und dort mitansehen musste wie wertvolle Kulturgüter zerstört wurden…nicht nur der Verlust von Menschen, sondern auch von Kultur… der Film ist eine grandiose, poetische Form der Annäherung an den geheimnisvollen Ort…

    • Hallo Frau Kurzbach, vielen Dank für Ihre Geschichte. Ja, diese Sicht, dass der Gedanke, Kulturgut für die Ewigkeit zu bewahren bringt natürlich auch die Vorstellung von Untergang und Zerstörung mit sich. Ich finde, das hat der Film auch wunderbar eingefangen.

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