Krimi mit Kunst


Kunst-Krimi – dieser Begriff wird ja gerne im übertragenen Sinne verwendet. Wenn es um bahnbrechende Entdeckungen der Kunstgeschichte geht. Ich meine ihn aber heute mal im ursprünglichen Sinn. Denn ich habe einen unterhaltsamen Krimi gelesen, der von Kunst, vor allem aber von den Menschen hinter den Kulissen eines Museums handelt. Ich war erst ein bisschen skeptisch, denn leicht kann so etwas, von einem Kunsthistoriker geschrieben, zu ambitioniert geraten. Und ganz ehrlich – ich hatte es auch ein bisschen schnarchig erwartet. Mich hat es umso mehr gefreut, in diesem Punkt enttäuscht worden zu sein! Hier lest ihr meine Rezension von „Tintorettos Geheimnis. Ein Kunstkrimi aus Worms“.

Weil im Zentrum dieses Krimis von Helmut Orpel ein Gemälde aus dem Heylshof steht, hatte ich eine besondere Motivation, den Krimi zu lesen. Ich kenne zwar die Wormser Verhältnisse zu wenig, um die ganzen Geschichten der Stadtverwaltung zu entwirren, die darin vorkommen. Ich nehme an, der Autor hat einige Inspirationen aufgenommen und dann weiter gesponnen.

Worum geht es hier? Es wird die Geschichte der zweifelhaften Herkunft eines Gemäldes des berühmten Malers der Spätrenaissance thematisiert. Die dramatischen Ereignisse, unter denen viele Juden im Dritten Reich ihre Kunstsammlungen veräußerten, sind der Ausgangspunkt für eine Geschichte um den Wormser Museumsleiter Oliver Treschko. Diesem gelingt es nach langem Hin und Her zu beweisen, dass der Tintoretto im Wormser Kunstmuseum aus dem Besitz einer jüdischen Familie stammt, die ihn nun nach vielen Jahren zurückfordert. Die Vertreterin der Familie – eine junge Geschichtsstudentin aus den USA – wird mit einigen Passagen eingeführt, die erwarten lassen, dass man später noch etwas mehr über sie erfährt. Ja, ich hatte tatsächlich auch mit einem Happy-End gerechnet, bei dem Treschko mit ihr glücklich wird. Leider wird sie am Ende der Geschichte gar nicht mehr erwähnt. Schade eigentlich. Allerdings zeigt sich hier, wie gut es Orpel versteht, die Figuren psychologisch zu zeichnen. Ganz so, dass man sich in sie hineindenkt und großen Anteil nimmt.

Dieser Oliver Treschko ist vom Typ „einsamer Wolf“ und mir haben auch die Beschreibungen seiner beruflichen Laufbahn gut gefallen. Denn da scheint viel Einblick in die tatsächlichen Bedingungen kunsthistorischer Karrieren eingeflossen zu sein. Das hat mich als Vertreterin dieser Berufsgruppe natürlich besonders angesprochen. Aber es trägt auch viel zum atmosphärischen Hintergrund dieses gut geschriebenen Krimis bei. Besonders schön sind diese Szenen, in denen Treschko seinen Kollegen vom Louvre besucht. Ein bisschen neidisch ist er auf die üppigen Arbeitsbedingungen dort. Aber der Kollege hat private Probleme. Ehekrise, weil er ein Verhältnis mit der schönen Volontärin hat. So geht’s 🙂

Tintorettos Porträt eines Mannes

Kommen wir nun noch einmal zum titelgebenden Tintoretto-Gemälde. Ich habe es gerade bei meinem jüngsten Besuch im Heylshof eingehender betrachtet. Ein Studienfreund hatte mich kurz vorher zu dem Portät etwas gefragt und so stand ich nun davor und schaute mir den dargestellten Herrn genauer an. Vielleicht hat mein Kollege eine Spur, die er weiterverfolgen kann und am Ende findet er heraus, wer dargestellt ist. So verschränken sich plötzlich Realität und Krimigeschichte miteinander. Im Buch kommt Tintorettos Tochter ins Spiel, die ebenfalls eine gefeierte Porträtkünstlerin war.

„Listig und klug blicken ihn die dunklen Augen des Porträtierten an, so als wollten sie sagen: „Na, weißt du nun, wer ich bin? Oder hast du das Geheimnis um meine Existenz immer noch nicht gelüftet? Wirst du vielleicht nie erfahren, wen du da vor dir hast?“
Etwas von oben herab, so schien es Treschko, musterte ihn dieser Herr, der nicht mehr ganz jung war, aber auch noch nicht so alt, dass man ihn hätte als Greis bezeichnen können. Sein Mund, ein verhaltenes Lächeln, der graumelierte Bart, der dem Noblen trotz seiner rottönigen Wangen die Würdes des Alters verlieh, alles, sehr feinfühlig komponiert.“

Orpel erzählt die Geschichte eines venezianischen Glasherstellers, den es nach Tschechien verschlagen hat und der möglicherweise auf diesem Bild zu sehen ist. Von hier aus webt der Autor einen Strang in die Jetztzeit, indem er die attraktive Kunststudentin Jana auftauchen lässt, mit der Treschko ein Verhältnis haben wird. Mit ihr reist er auch zum mysteriösen Schloss in Cesky Krumlov, wo sie auf den zwielichtigen Signor Daniele treffen. Dieser finanziert dem Wormser Museum dann auch noch eine Ausstellung des nicht unumstrittenen Künstlers Jan Kundera. Wie sich Treschko damit immer mehr in eine schwierige Situation bringt; und wie sich Stadtverwaltung und Stiftungsvertreter gegen ihn zusammentun – das spiegelt sicher nicht unbedingt die Wormser Verhältnisse wider. Liest sich aber spannend und man kann sich durchaus vorstellen, dass solche Situationen im Geschäft eines Museumsdirektors vorkommen können. Ich habe mich jedenfalls dadurch außergewöhnlich gut unterhalten gefühlt. Und es zeugt von gutem Handwerk, dass man dem Autor solche konstruierten Machenschaften abnimmt.

Am Ende ist alles natürlich anders, als man dachte. Treschko wird mit seiner treuen Sekretärin Frau Steiner die Wahrheit über das Tintoretto-Bild aufdecken, seine große Liebe verlieren und ein bisschen zerrupft weiter seiner Wege gehen. Vielleicht zu einem gepflegten Abendessen mit einem guten Tropfen Wein im Ambiente. Einem Italiener, von dessen Qualitäten ich mich beim letzten Worms-Besuch überzeugen durfte.

Wer also Lust auf eine gut geschriebene Geschichte mit ein paar kriminalistischen Verwicklungen in die Kunstgeschichte hat, dem sei das Buch als Urlaubslektüre unbedingt ans Herz gelegt.

Share

3 Antworten zu “Krimi mit Kunst”

Schreibe eine Antwort zu Helmut OrpelAntwort abbrechen