Vielfältige persönliche Verbindungen haben mich bereits insgesamt sieben Mal nach Mexiko geführt und jedes Mal gehörte ein Besuch in der Casa azul zu einem liebgewonnenen Ritual. Dort in Coyoacan ist der Moloch Mexico City nicht mehr ganz so zu spüren. Vielmehr merkt man diesem Stadtteil die Vergangenheit als Künstlerviertel an und es lohnt auf jeden Fall den Weg dorthin. Auch im Museo der reichen Erbin Dolores Olmedo Patino in Xochimilco kann man auf den Spuren von Frida Kahlo wandern, der außergewöhnlichsten Künstlerin des 20. Jahrhunderts. Und seit dem Wochenende nun sind insgesamt 170 ihrer Werke im Berliner Gropius Bau zu bewundern. Sogar längst verschollene und lange nicht ausgestellte sind darunter.
Die einen sahen sie im Gefolge der Surrealisten („Sie bringen mich zum Kotzen“, schrieb sie über A. Breton und seine Clique), andere wollten sie für den Feminismus vereinnahmen. Doch dem besonderen Stil Frida Kahlos, die sowohl ihre persönliche Biographie wie auch die Kultur ihres Volkes zu einer psychologisch motivierten naiven Malerei verwoben hat, wird dies kaum gerecht. Sie lässt sich nicht in Schubladen einordnen. Sie spielt mit der Inszenierung mexikanischer Folklore ebenso wie mit dem Anschein einer emanzipierten Frau mit mehreren – auch weiblichen – Liebhabern. Voll von innerem und äußerem Schmerz hat sie Bilder von unglaublicher Intensität und Lebensfreude geschaffen und gerade diese Ambiguität ist es, was Frida Kahlo so einzigartig macht.
Besondere Beachtung verdienen die literarischen Zeugnisse ihrer ungeheuren Kreativität, die sie vor allem in sehr persönlichen Briefen äußerte. An ihre Jugendliebe schrieb sie 1926
„My Alex,
ich bin nicht schlecht erzogen, wie you gestern abend dachtest, weil ich mich nicht of you verabschiedet habe, aber nach dem flaschen Alarm bin ich einfach nicht mehr rausgekommen. Ich hoffe, you verzeihst mir, ja?
Wenn you möchtest, sehen wir uns morgen, Freitag, in the night, in the little tree … um uns zu lieben …
Ruf mich an to vier, he! Non „he“, you know.
You mußt mir immer wieder sagen … „don’t b a Tränchen“ – it’s very sweet for me.
Ich liebe to you very much. You glaubst mir?
Well, bitte verzeih mir das von gestern, aber es ging um my mom.
Your for ever
Frieda
Gómez Arias‘ Tränchen
or eine tränenreiche Jungfrau“
Sie war für eine Mexikanerin am Beginn des 20. Jahrhunderts ungewöhnlich selbstbewusst in Liebesdingen – auch wenn sie sich in aufopferungsvoller Liebe an ihren Mann, den Malerfürsten Diego Rivera kettete. In ihrer Kunst verarbeitete sie ihre körperliche Versehrtheit, die unerfüllte Sehnsucht nach einem Kind und ähnliche sehr persönliche Erfahrungen. Aber auch ein politisches Engagement war der Tochter eines Deutschen mit ungarischen Wurzeln nicht fremd. Sie, die nach 1937 eine Affaire mit Trotzki haben sollte, folgte ihrem Ehemann in dessen sozialistischem Engagement. Am augenfälligsten mit ihr verbunden sein wird jedoch die imposante Erscheinung, die sie geschmückt mit den Trachten der Indios, trotz ihrer Krankheit zum Mittelpunkt jeder gesellschaftlichen Einladung machte. Besonders gut kam dies natürlich in Amerika an, wo sie in den vierziger Jahren einige Triumphe feiern konnte. Auch als Lehrerin war sie anerkannt und begründete mit „Los Fridos“ eine virale künstlerische Nachkommenschaft.
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