Architektur der 50er – Wilhelm Riphahn


Seit vielen Jahren bin ich Fan der 50er-Jahre-Architektur. 2004 habe ich mich intensiver mit Wilhelm Riphahn beschäftigt, als ich für das  Rahmenprogramm zur großen Retrospektive im Museum für Angewandte Kunst Stadtführungen konzipiert habe. Seitdem macht es mir immer wieder großen Spaß, Überzeugungsarbeit zu leisten. Wenn nämlich das Argument kommt: Musste ja alles schnell gehen damals und das ist alles so häßlich, was die nach dem Krieg gebaut haben. Sind aber erst einmal die Augen geöffnet für die wunderbaren Details und die Eleganz der Einfachheit, dann läuft man durch Köln und sieht an jeder Straßenecke schöne Bauten.

Für den Kunsthallensommer der Kunsthalle Karlsruhe habe ich einen Blogbeitrag noch einmal überarbeitet, den ich vor ziemlich genau 10 Jahren hier schon veröffentlicht hatte. Es hat ein bisschen gedauert, weil mir noch Fotos fehlten. Jetzt also auf den letzten Drücker für die wilden Fünfziger mein Beitrag in neuem Gewand.

Wilhelm Riphahn ist einer der wichtigsten Nachkriegsarchitekten Kölns. Schon sein Wirken vor dem Krieg ist bemerkenswert. Vor allem seine Visionen und Planungen zu innovativen Wohnsiedlungen (Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre) sind bemerkenswert. Und erst die expressionistische Bastei! Mein absoluter Lieblingsbau! Aber blicken wir auf sein Wirken in den 50er Jahren! (Er starb 1963.)

Es war eine Zeit, in der die Architektur sich einerseits mit schwingenden runden Formen gegen den Gigantismus der Nazi-Architektur abgesetzt hat. Aber auch in der Einfachheit der Materialien und Deutlichkeit der Formen die Idee des Bauhauses wieder aufgreift. Schauen wir mal genauer hin!

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Ein städtebauliches Projekt – die Hahnenstraße

Bereits unter den Nationalsozialisten hatte die Hahnenstraße als wichtige Nord-West-Achse in der Stadt eine Erweiterung erfahren, die sie schließlich mit dem riesigen Aufmarschierplatz „Maifeld“ auf dem Gebiet des heutigen Aachener Weihers verbinden sollte. Nach dem Krieg nahm man sich die Schneise gen Westen erneut vor. Und bereits im Sommer 1945 erhielt Riphahn den Auftrag, sich Gedanken über die Neuplanung um den Rudolfplatz zu machen.

Zunächst kam ein stark auf Begrünung und Durchlüftung ausgerichteter Entwurf aus seinem Büro, der allerdings schon bald durch die Planung einer urbanen Ladenzeile ersetzt wurde. Riphahn hatte sich einer Idee des Neuen Bauens verschrieben, die vor allem vermeiden wollte, dass einengende Häuserschluchten entstehen. Mit den flachen kubischen Bauten, die sich wie an einer Perlenschnur links und rechts der Hahnenstraße gruppierten, schien ihm die Forderung nach Auflockerung der Stadt am besten ausgeführt.

Zudem galt hier wie im übrigen auch an anderen Stellen der Kölner Innenstadt, die über 80 Prozent kriegszerstört war: neues Bauen auf altem Grund. Riphahn hatte auch zu beachten, dass man die Apostelnkirche wiederaufbauen wollte, was allerdings erst in den 80er Jahren gelang. Vorausschauend war er sensibel mit der Umgebung verfahren.

Interessant auch die Bebauung entlang der Hahnenstraße, die durch einen sogenannten Branchenmix das großstädtische Leben prägen sollte. Ofenhaus Ferdinand Leisten neben der Wäscherei Klug und der Gaststätte Zieren und anderen wie dem Stoffpavillon Möller oder dem Pelzhändler (heute Adrian) gaben hier eine Gemeinschaft von Geschäften, die Riphahn auch hinsichtlich der Werbung und kleiner Details wie Türgriffen und Fensterfassungen ausstattete.

Für den Stoffpavillon Möller, der mit seinen extravagant nach unten geschwungenen Fensterfronten nicht nur praktisch war (man konnte die Auslagen ohne Spiegelungen betrachten), plante Riphahn auch die Vorlage-Tische. Sie müssen noch existieren, hörte ich. Aber was da heute an aggressiver Werbung dieses einstige Schmuckstück verschandelt, lässt nichts Gutes ahnen.

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Erwähnenswert ist auch die ehemalige Galerie Ferdinand Möller, die an der Eckbebauung zum Mauritiussteinweg ein einfaches und dennoch genial gestaltetes Geschäftshaus bezogen hatte. Nach hinten hinaus war die Wohnung des Galeristen. Wohnen und Arbeiten auf ökonomisch gut durchdachtem Raum stehen hier beispielhaft für das Neue Bauen. Heute liegt dieser Bau mitten im Getümmel der Großstadt etwas unbeachtet an einer Ecke, wo auch noch die Straßenbahn quietschend um die Ecke biegt. Jedesmal, wenn ich ihn sehe, fühle ich mich an Bauklötzchen erinnert, die ineinandergeschachtelt sind. Aber alles war sehr zweckmäßig. Besonders die großen Schaufenster zum Betrachten der Kunst.

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Ferdinand Möller, der aus Berlin kam, gehörte zu den fortschrittlichen engagierten Galeristen, die die Kölner mit der Moderne vertraut machten: Zunächst zeigte er die Expressionisten, die in den Jahren zwischen 1933 und 1945 verfemt und aus der Öffentlichkeit verschwunden waren. Josef Haubrich kaufte bei ihm und hatte bereits 1946 seine Sammlung expressionistischer Künstler und anderer Avantgardisten der Stadt Köln vermacht. Später brachte Möller dann die Kölner in Kontakt mit den Abstrakten wie Baumeister und Nay. In einem Stadtführer aus den Fünfzigern liest man, welche Klientel sich in der Galerie einfand.

Ferdinand Möllers moderne Galerie ist ein Ort, wo man der Ruhe pflegen kann. Man setzt sich einfach vor eine Wand und schaut zu, wie sich die Bilder benehmen. 

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Herausragend aus dieser Bebauung ist die Planung für das erste Kulturinstitut der Besatzermächte. Für die Franzosen baute Riphahn am Sachsenring in den Jahren 1951 bis 1953. Das „British Council – Die Brücke“ entstand bereits 1948 bis 1950. Heute lässt sich sagen, dass die Nutzung dieses Hauses durch den Kölnischen Kunstverein eine hervorragende Lösung ist, die unter Leitung von sachverständigen Mietern zu einer perfekten Renovierung und teilweise auch Rückbauung der Brücke führt. Hier galt es für den Architekten eine interessante Vorgabe zu erfüllen: ein kulturell genutztes Haus, in welchem eine Bibliothek, ein Kino- bzw. Vortragssaal und auch Büroräume sinnvoll gruppiert werden sollten.

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Hier fällt der sparsame Einsatz von Materialien (einfacher Muschelkalk) auf, der den einfachen Baukörper ausmacht. Doch entfaltet diese Einfachheit eine sympathisch unaufdringliche Wirkung, wie man sie beispielsweise in der Kette kleiner Lichter im Foyer findet. Bloße Glühbirnen vor einer Messingschale strahlen in der Reihung eine edle Linie an, die perfekt zu dem interessant geschwungenen Treppenhaus passt. Auch die halbrunden Konchen der Fenster für den Theaterraum, die man in Richtung der romanischen Kirche zeigen sieht, glänzen durch schlichte und doch konsequente Eleganz.

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Ein Schmuckstück ohne Pomp und Umstände

Obwohl schon bald nach der Eröffnung 1957 von den Kölnern als „Grabmal des unbekannten Dirigenten“ verhöhnt, war man damals doch gewiss stolz auf diesen modernsten Theaterbau der Nachkriegszeit. Riphahn hatte vom Generalplaner des Wiederaufbaus den Auftrag erhalten, die Oper neu zu planen – zunächst im Doppelpack mit dem Schauspielhaus. Nicht nur die Ablehnung der historistischen Architektur spielte hierbei eine Rolle, sondern auch die Idee, mit einem Opern-Neubau an zentral gelegener Stelle die Innenstadt neu zu beleben. Die alte Oper am Rudolfplatz war stark beschädigt und man entschloss sich zum Abbruch und machte somit den Weg frei für die Planung Riphahns.

Aufnahme vor der Renovierung.

In einer Präsentation vor den Stadtverordneten im September 1953 erläuterte Riphahn seinen Entwurf:

(…) Die vielleicht etwas eigenwillig anmutende Form der Hochhaustürme, man sprach von den babylonischen Türmen, einer der Herren Stadtverordneten hat, ich glaube begeistert, AIDA ausgerufen, ist sehr wohl begründet. Sie ist aus konstruktiven Erwägungen und Zweckmäßigkeitsgründen entstanden. (…) Hier die Hauptfassade zum Theaterplatz.
Sie sehen die abgewogenen Verhältnisse – die breiten Pfeiler – die hohen schlanken Foyerfenster mit den Eingängen unter den Balkonen – den Gegensatz zwischen dem festlichen Vorderhaus und den aufsteigenden Massen des Bühnenhauses – und links den geplanten leichten Verbindungsbau zwischen großem und kleinem Theaterplatz. (…)
(zitiert nach: Britta Funck (Hrsg.): Wilhelm Riphahn. Architekt in Köln. Eine Bestandsaufnahme. Ausstellungskatalog. Köln 2004)

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Foto: Raymond Spekking, Wikipedia

Riphahn hatte mit seiner modernen Oper ebenfalls ein städtebauliches Konzept verfolgt, das neben dem mit Brunnen akzentuierten Vorplatz auch die Häuserzeilen und die Straßenflucht der heutigen Nord-Süd-Fahrt mit einbezogen. Auch die Planung eines Cafés für die Bedürfnisse der Opernbesucher gehörte zum Gesamtbild, ebenso wie ausreichend vorhandener Parkraum. Wenn wir heute vom Tosen der als massiver Einschnitt in die Innenstadt empfundenen Nord-Süd-Fahrt stehen, müssen wir uns vor Augen halten, dass man in den fünfziger Jahren noch nicht mit einer so massiven Verkehrsexplosion gerechnet hatte. Und zum planerischen Umgang mit der modernen Stadt gehörte auch die Konzeption vom Verkehrsfluss dazu. Rudolf Schwarz war ganz fasziniert von den „Blechkäfern“, und auch Riphahn hatte ganz genaue Vorstellungen von der Wahrnehmung des elegant erleuchteten Opernhauses aus dem Straßenkreuzer heraus.

Köln Opernhaus - Ränge
Köln, Opernhaus – Ränge

Derzeit beherrschen die Schlagzeilen zur Renovierung der Oper. Ich bin überzeugt, dass dieser Bau danach in neuem Glanz erscheinen wird. Man wird besser als vorher die unaufdringliche Eleganz erkennen und sich darüber freuen. Die Ausstattung bringt mich zum Schwärmen. Allein die Logen im Innenraum! Übrigens gibt es kaum einen Theaterraum, in dem das Publikum so nah am Geschehen sitzt. Und dieser Schwung! Da klingt die Architektur nach Oper!!

VLUU L100, M100 / Samsung L100, M100

Leider habe ich keine weiteren Fotos vom Innenraum, von der ausladenden Wandelhalle (sehen und gesehen werden – ein wichtiger Faktor des Opernbesuches!) oder von den kostbaren Leuchtern aus Murano-Glas. Aber all das wird man – so es denn irgendwann vollendet ist – nach der Renovierung wieder bewundern können. (Mein heimlicher Favorit ist die Fassade mit dem unscheinbaren Rhythmus an kleinen und großen, horizontalen und vertikalen Klinkersteinen.)

 

 

Literatur zu Wilhelm Riphahn:
Neue Werkkunst: Wilhelm Riphahn Köln
Britta Funck: Wilhelm Riphahn. Architekt in Köln

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12 Antworten zu “Architektur der 50er – Wilhelm Riphahn”

  1. Es ist einer der schönsten Bauten der 50er Jahre, diese Oper! Der Blick über die Beleuchtung in die Treppenhäuser zu den Emporen ist unglaublich. Der Anblickvon außen verlangt die vorgeschlagene Gestaltung des Platzes.
    Und das Mosaik von Otto Freundlich sollte zurück- allerdings an einen Platz, an dem man ihn zur Kenntnis nehmen kann.
    A. Lehndorff- Felsko

    • Liebe Frau Lehndorff-Felsko,

      ja, ich bin auch ein großer Fan von Riphahns Oper und hoffe inständig, dass sie irgendwann wieder in neuem Glanz erstrahlt. Ich glaube, das Mosaik ist momentan nur als Leihgabe im Museum Ludwig. Ich freue mich zumindest sehr, dass man es dort sehen kann.

      Lieben Gruß

      Anke von Heyl

  2. ich kenn die Oper nicht, aber Köln der fünfziger Jahre (siehe mein Buch: Jenny Schon, …halbstark. Roman der Nachkriegszeit, in der Bücherstube am Dom/Neumarkt gearbeitet bei Herrn Meyer, im Jazzkeller getanzt, den Barbarossaplatz. Ich bin von Brühl nach Köln-Mülheim in die Berufsfachschule geradelt! da hab ich das alles aufbauen gesehen…
    jennyschon@arcor.de
    wer weiß was über die moderne kunst in den 50iger Jahren ausser der hier genannten Möller-Galerie. wo wurden damals Haubrichs ausgestellt?
    danke

    • Liebe Jenny Schon, seine Sammlung hat Haubrich ja bereits 1946 der Stadt Köln geschenkt. Ich kann gerade nicht sagen, wann die wo genau präsentiert worden ist.
      Ich kann mir gut vorstellen, wie es in den Fünfzigern hier in Köln war. Dieser Aufbruchwille nach der dunklen Zeit. Mich fasziniert das immer und ein Stück weit reichte das ja bis in die Sechziger hinein, als ich als Kind nach Köln kam. Mir ist das alles jedenfalls sehr nah!

      Herzliche Grüße
      Anke von Heyl

  3. danke Anke…
    auch im frühen Westberlin, wohin ich dann als junge Buchhändlerin geworben wurde, sind noch 50iger Jahre Werke vorhanden.
    z.b. die Gedächtniskirche von Eiermann. Jetzt ist leider der Zeitgeist der, daß gerade die Leichtigkeit der 50er Jahre, dieser italisierende lichte Pavillonstil zugunsten des Neobarocks der Preußen entsorgt werden soll. Eiermann hat übrigens St. Gereon vor Augen gehabt.
    https://de.wikipedia.org/wiki/St._Gereon_(Köln)
    Ja, wie Sie auch sagen, die sog. Adenauerzeit war so finster nicht,
    es gab viel Hoffnung,
    Gruß aus Berlin
    Jenny Schon
    mein Neuer Roman „Der Duft der Bücher“ fängt auch diese 5oiger Jahre im Rheinland ein.

    • Liebe Jenny, das hatte ich so noch nicht vor Augen, das mit Eiermann und St. Gereon. Danke für den Hinweis. Und herzliche Grüße nach Berlin

  4. die Moderne im Augenblick ist fürchterlich schrecklich, die Hochhäuser um die Gedächtniskirche…Berlin war immer äffig, alles nachmachen, ob Chicaco, New York oder London, in der Feudalzeit Paris…
    Berlin ist nur da gut, wo es privat ist, aber das ist ja In Köln ähnlich,
    ich hätte mich als Berufsschulschülerin der späten 50iger nie nach Nippes getraut, genau wie ich nur einmal in Kreuzberg in frühen 60ern war…
    In der Brinkgasse
    https://www.zeit.de/1964/41/schwere-last-mit-leichten-maedchen

    hat man uns Blümenpötte nachgeschmissen, das war ne Gaudi, aber allein hätte ich das nie gemacht, will sagen, es gab damals No-Go-Areas, nur nannte man das nicht so,
    jedenfalls ist von dieser einfachen authentischen kleinen Architektur ja noch was vorhanden, aber das wird gegenwärtig entfernt durch den Zwang der Verdichtung, da wird Modernes reingeknallt,
    gruß
    jenny

  5. Ich bin mal wieder auf deiner Seite, liebe Anke, weil mich ja doch die Sehnsucht nach dem Rheinland überkommt hier in dieser komischen neuen Hauptstadt, die wie gesagt, wunderschöne private Ecken hat, die man aber nicht weitersagen soll…
    Mein Roman „Der Duft der Bücher“ ist da:
    https://www.velbrueck.de/Belletristik/Neuerscheinungen/Der-Duft-der-Buecher.html
    Da gab es auch noch Blatzheims Jazzkeller und Chet Baker war in Köln, aber eher auch privat, doch der Jazz war damals fantastisch,
    kommt im 1. Kapitel vor, das 2. spielt dann in Westberlin der 60iger Jahre, da gab es die Eierschale als Jazzkeller…ach, war jung sein schön!
    Adschö Jenny

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