Ob es wohl am trüben Wetter nach dem unglaublich sonnigen Wochenende liegen mag? Jedenfalls kam mir eine Meldung unter über eine neue Untersuchung zu Dürers berühmten Stich unter, die sich damit beschäftigt, dass es sich hier möglicherweise um eine versteckte Darstellung der Justitia handeln könnte. Der Kunstkritiker der FAZ, Friedmar Apel, vermutet hinter der kunsttheoretische These eine gut gemachte Realsatire, die zeigen würde, wie man sozusagen „alles“ kunsthistorisch beweisen könne, wenn man es nur gut genug verpacken könnte. Diese Einschätzung finde ich herzerfrischend, zeigt es doch wirklich deutlich, was manchmal keiner zu benennen mag: der Kunsthistoriker an sich versteigt sich hin und wieder gerne in Deutungen um der Deutung willen und bleibt so manchmal nicht ganz am Gegenstand selbst!
Wie dem auch sei: die Melancolia von Dürer ist eines der bedeutendsten Bilder der Kunstgeschichte. Sie prägte die Bildtradition einer Geste wie kaum ein weiteres Werk. Und lieferte schon immer eine ganze Menge an Folien für die unterschiedlichsten Theorien.
Eine besonders gelungene und ausführliche Interpretation des Bildes finden Sie hier.
Für mich immer sehr schön nachvollziehbar war die Auslegung der geheimnisvollen Figur als Allegorie der vita contemplativa, also des Nachdenkens, der Kunst, der Intellektualität. In der Literatur wird Dürers gleichformatiger und ebenfalls 1514 entstandener Stich von „Ritter, Tod und Teufel“ als Gegenstück gesehen, also als Allegorie der vita activa.
Ob es sich hier nun um eine Auseinandersetzung mit den Geheimnissen der Geometrie handelt, oder ein spezielles Memento mori (man sehe sich nur den jämmerlichen Hund an!!) oder vielleicht doch um versteckte Botschaften à la da Vinci Code. Eindeutig ist, dass dieses Bild die nachkommenden Künstler nachhaltig beeinflusst hat und dass wir immer wieder Reflexe der Geste in der neueren Kunstgeschichte aufblitzen sehen.
Rodins Denker z.B. greift die Dürergeste eindeutig wieder auf, ca. 1880
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