Eines Tages nahm Picasso einen Fahrradsattel und eine Lenkstange und montiere sie zu einem Stierkopf. So einfach, so gut! Die Arbeit mit vorgefundenen Materialien ist ein spannendes Thema der Kunstgeschichte und Picasso gehört sicher zu den Künstlern, die das meisterhaft beherrschen.
Stierschädel, Tête de taureau, 1942
Bronze in zwei Teilen (nach einem Original aus Sattel und Lenkstange eines Fahrrades)
42 x 41 x 15 cm, Privatsammlung
Picasso hat in seinem kindlich-naiven Experimentiergeist stets eine surrealistische Betrachtungsweise der Dinge einkalkuliert. Seine Lust am zweiten Blick, am Doppeldeutigen und dem, was hinter der sichtbaren Welt zu stecken scheint, bleibt ihm bis ins hohe Alter erhalten. Oft haben seine Experimente einen biographischen Hintergrund, wie auch beim Stierkopf. Diesen darf man auch als Memento mori verstehen, denn er spiegelt den Tod des Bildhauers Julio Gonzalez, der seinerzeit den Künstler in den zwanziger Jahren sensibilisierte, mit Metall als Werkstoff für Skulpturen umzugehen.
Die Assemblage „Stierkopf“ wurde erstaunlich schnell in der Surrealistenszene rezipiert und galt als eine Art Symbol für das Hin- und Hergleiten zwischen den Welten. Ein weiterer Aspekt dieser Figur ist die Nähe zum Minotaurus-Motiv, das Picasso vor allem in den späten Jahren immer öfter als Alter ego einsetzte.
Bei allem Symbolgehalt des Stierkopfes scheint er jedoch nie seine Herkunft zu verleugnen. Selbst im Bronzeguss erkennen wir noch die Vorbilder aus der Alltagswelt. Es ist faszinierend, zu sehen, wie Picasso die Wirklichkeit in neuem Gewand erscheinen lassen kann und dennoch nicht verleugnet. Spielerisch geht er mit den unterschiedlichen Ebenen vor. Und so ist auch das Posieren mit chaplinesker Verkleidung bestimmt nicht nur ein Klamauk für das private Fotoalbum.
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