Die Kunst des Tim Burton


Hollywood in Brühl! Gestern war ich in der Tim Burton Ausstellung im Max Ernst Museum und erwartungsgemäß war sie sehr voll. „The World of Tim Burton“ setzt natürlich auf den Sog seiner bekannten Filme wie „Edward mit den Scherenhänden“ oder „Alice im Wunderland“. Das wird auch entsprechend bedient. Bei den über 600 Exponaten freut man sich über Bekanntes, staunt aber auch über Entdeckungen.

Einflüsse

„Mein Zeug in dieser Umgebung zu wissen ist etwas Besonders für mich.“ So kommentierte Tim Burton in einem Interview die Parallele zum Surrealisten Max Ernst. Gleich der erste Raum demonstiert das eindrucksvoll. Max Ernsts große Bronze „Capricorn“, ein Bronzeguss der 1948 in Arizona geschaffenen Plastik, zeigt drei Figuren in königlicher Pose. Dazu gesellen sich jetzt „Three Creatures“ aus dem Jahr 2009. So, wie ich es verstanden habe, wurden sie aus Zeichnungen von Tim Burton zum Leben erweckt und anläßlich der Schau im MoMA geschaffen. Gemeinsam mit Ernsts Wandbild des Nymphengartens entstehen hier viele Assoziationen, die man zu einer fantastischen Geschichte spinnen könnte.

Max Ernst („Ein Maler ist verloren, wenn er sich findet.“) und Tim Burton ( „Und ich glaube, dass wir die Dinge immer wieder neu sehen sollten.“) schauen in die Welt „hinter den Spiegeln“. Beide haben sich an Alice im Wunderland herangewagt. Wo ich aber beim Surrealisten Ernst eher ein Abtauchen ins Mythologische und ins Unterbewusstsein sehe, kommt mir Burton immer märchenhaft und spielerisch vor. Wahrscheinlich ist es auch eine Generationenfrage.

Im angrenzenden Raum lernt man den jungen Burton kennen. Hier merkt man die Einflüsse aus der Comicwelt und den Horrorfilmen seiner Zeit. In einer Publikation, die zur Burton-Ausstellung im MoMA entstanden ist, habe ich ein interessantes Statement von Tim Burton gelesen: „Growing up in Burbank, there wasn’t much of a museum culture. I never visited one until I was a teenager (unless you count the Hollywood Wax Museum). I occupied my time going to see monster movies, watching television, drawing and playing in the local cemetery.“

Tim Burton war ein Frühreifer, was seine Kunst angeht. Er drehte mit 13 seinen ersten Film. Und reichte 1976 als 18jähriger die Geschichte vom Riesen Zlig bei Disney ein. Ein erster „Außenseiter“, dem noch viele folgen sollten. „The story is simple enough for a young audience (age 4-6), cute, and shows a grasp of the language much better than I would expect from one of today’s high school students, despite occasional lapses in grammar and spelling. It may, however, be too derivative of the Seuss works to be marketable–I just don’t know. But I definitely enjoyed reading it.“  Burton erhielt eine nett formulierte Absage (der Brief ist in der Ausstellung). Nach seinem Studium holte ihn Disney dann aber sofort als Zeichner und Animateur.

„Saucer and Aliens“ ist mein persönliches Lieblingsbild aus dieser frühen Phase. Es entstand 1972 – 1974 und ist eine Hommage an den großen Hieronymus Bosch. Der 14jährige Tim hat hier den „Garten der Lüste“ zum Vorbild genommen und in ein Science-Fiction-Setting übersetzt. Die fliegenden Untertassen bevölkern später einen meiner Lieblingsfilme von Burton. Es ist nicht „Mars Attacks“ sondern die Geschichte des charmanten Versagers „Ed Wood“.

 

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Die Fotostation vor dem Eingang zur Ausstellung. Ein Zugeständnis an die Besucher. Fotos sind nicht erlaubt.

Die Welt des Tim Burton

Im Untergeschoss findet der Fan dann auch endlich die Figuren aus den Filmen. Die Oompa Loompas aus „Charly und die Schokoladenfabrik“ stehen dort und lächeln gefährlich auf die Besucher herab. Das ist schon sehr Disney! Mich haben aber die beiden Räume davor viel mehr begeistert. Die Zeichnungen aus nicht verwirklichten Projekten zum Beispiel. (Hier begegnete ich Claude – einem „artistic temperamental french designer. Considers everything he does as a work of art (egoistical)“)

Ein Highlight sind aber auch die großen Polaroids, die den Spieltrieb des Meisters befeuerten. Hier tritt das „Blue Girl“ ins Rampenlicht – eine Figur, die auf vielen Bildern auftaucht. Einerseits erinnert ihre Darstellung an klassische Madonnenbilder aus der Kunstgeschichte. Aber die zusammengenähten Gliedmaße sind natürlich auch eine Hommage an die Horror-Ikone Frankenstein. Die collagenartige Komposition der überraschend großformatigen Polaroids spannt den Bogen wieder zu Max Ernst. Es wäre großartig gewesen, wenn man die Idee des Dialogs zwischen den beiden Künstlern noch weiter hätte führen können.

Spannend sind auch die Napkins-Series. Schnell skizzierte Einfälle auf Servietten, die bei seinen Reisen rund um die Welt entstanden sind. Das hat etwas vom automatischen Schreiben der Surrealisten, von Telefonkritzeleien. Ohne viel Nachdenken wird da jede Assoziation, jeder Geistesblitz unverfälscht aufnotiert. Um dann irgendwann natürlich in einem der Filme aufzutauchen.

Die Einteilung der Ausstellung in die Themenbereiche wirkt auf mich etwas uninspiriert. (Kreaturen. Einflüsse. Leseraum (hier werden auf Monitoren die Buchproduktionen vorgestellt, die Burton für die Mitarbeiter an jedem seiner Filme produziert hat). Kinoraum. Polaroids. Nicht verwirklichte Projekte. Filmcharaktere. Figurative Arbeiten. Karnevaleskes. Rund um die Welt. Missverstandene Außenseiter. Feiertage. Schwarzlichtraum.) Da geht dann in der Fülle das ein oder andere auch mal unter (schaut euch unbedingt die kurze Notiz an Johnny Depp an, die Burton während der Dreharbeiten zu „Charly und die Schokoladenfabrik“ geschrieben hat.)

Mein erklärter Liebling ist der kleine Stainboy (seine Geschichte konnte man vor einigen Jahren auf Twitter miterzählen). Das Diorama, das ihn ganz süß in einem weihnachtlich geschmückten Haus zeigt, in dem die Wände voll Blut sind, zeigt die unverwechselbare Mischung von Horror und Unschuld, die für mich den Burton-Stil ausmacht. Schaut mal auf die offizielle Website, da kann man sich durch eine schöne Burton-Galerie klicken – geführt vom Stainboy.

Wie man hörte, hatte Tim Burton auch mächtig Spaß im Phantasialand. Das kann man sich sehr gut vorstellen. Vor allem, wenn man sich in den Schwarzlichtraum begibt, der wie eine Art Gruselkabinett gestaltet ist. Mit einer Taschenlampe kann man dann einzelne Bilder an den Wänden zum Leuchten bringen. Ein von Burton direkt vor Ort geschaffenes Wandbild ist eine zusätzliche Überraschung für die Fans.

Bis zum 3. Januar kann man Tim Burton in Brühl noch besuchen. An den Wochenenden ist sicher immer viel los. Ich will vielleicht auch noch einmal hin – dann aber unter der Woche. Es lohnt sich auf jeden Fall.

Wer noch mehr lesen möchte, dem sei hier der Beitrag vom artblogcologne empfohlen (die haben auch Bilder, ich wollte mich dem Problem „Bildrechte“ nicht aussetzen). Und Michelle hat ihre Begegnungen mit Tim Burton auf der Ausstellungseröffnung verbloggt.

Das war Nr. 3 von 10×10. Diese Woche geht es dann mit Ausstellung Nr. 4 weiter. Langsam muss ich mir auch die nächsten 5 Stationen ausdenken.

 

 

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3 Antworten zu “Die Kunst des Tim Burton”

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