Künstler kochen


Hier und heute startet eine neue Kategorie, die mir schon immer sehr am Herzen gelegen hat. Denn Kunst und Küche sind zwei Bereiche, die sich gegenseitig seit jeher befruchtet haben. Nicht zuletzt spricht man ja vom Kochkünstler und als einen solchen hat man ja auch Ferran Adrià zur diesjährigen documenta eingeladen. Ich freue mich schon besonders auf seine Experimente aus der Molekularküche.
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In loser Abfolge werde ich hier gerne weitere Beispiele der besonderen Synergie zwischen Kunst und Küche einstellen – Anregungen hierzu gibt es zuhauf!! Den Anfang macht ein Angebot von den artgenossen.
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Mein Lieblingszimmer bei den Artgenossen: Hasenball im Alpenglühen von Ulrike Oeter. Sie hat übrigens auch schon einmal ganz hervorragend das Künstlerkochen bestritten. Mit: falschem Hasen (u.A.)


Künstler kochen für Künstler und andere Menschen Barbara Thaden: Dress-art Paris-Köln
Barbara Thaden verbindet diesmal eine Ausstellung ihrer neuen Werke mit Musik, und zwar mit dem Pariser Duo „Cordato. Es spielen Sébastien Cordero, argentinischer Gitarrist und die Violonistin polnischer Abstammung Veronica Kadlubkiewicz. Auf dem Programm stehen Tango und südamerikanische Melodien. Barbara Thaden stellt ihrerseits eine Auswahl von „Dress-art Werken vor. Sie arbeitet mit Kleidern die sie zu Kunstobjekten vernäht. Dabei bedient si sich verschiedener Materialien und Techniken. Als Dress-art versperren sie sich ihrer ursprünglichen Funktion und gewinnen in einem anderen Kontext einen neuen ästhetischen Status.
Freitag, 30.03.2007 19.00 Uhr, € 28,-
Information und Reservierung:
Tel: 02266 90128-33
info@artgenossen-gmbh.de

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4 Antworten zu “Künstler kochen”

  1. Von der Kochkunst
    Wolfgang Dähnhard, Gastrosoph, Wien
    Muss ich als Koch und Gourmet nicht die Kräuter kennen, wie sie, nach Verschiedenheit der Jahreszeit, mehr oder weniger stark und wirksam sind? Werde ich im Sommer einen Fisch verzehren, der nur im Winter gut ist? Sind nicht gewisse Speisen nur zu gewissen Zeiten schmackhaft, gesund, verdaulich, und sind die meisten Krankheiten nicht in der Ignoranz der Köche und der Konsumenten zu suchen? Im Jahr 1600 kam Maria von Medici mit einer Crew italienischer Köche anlässlich ihrer Vermählung mit dem französischen König Henri Quatre nach Frankreich und seitdem freut sich nicht nur der französische Gourmet und Gourmand. Mit der französischen Revolution von 1789, mit den Abriss der Mauern der Adelsschlösser fiel eine weitere Abgrenzungsbarrikade, die in den folgenden Jahrzehnten auf ganz Europa übergriff: der Kult der Gourmandise wurde allgemein, das Savoir-vivre. Die Epoche der ‚grande cuisine‘ begann. Auch sie wurde perfektioniert. Resultat: die Kluft zwischen professioneller und häuslicher Kochkunst wurde grösser. Das neunzehnte Jahrhundert ist die Epoche, in der die französische Küche international die uneingeschränkte Vorherrschaft in Europa errang und, analog der bestimmenden Amtssprache Französisch der Diplomatie und mit der Kochliteratur des 19. Jahrhunderts beherrschte. Noch heute klingen Gourmets aller Welt Namen berühmter Küchenchefs wie Antoine C. Carême, Auguste E. Escoffier, Ferdinand Point, in der schon etwas ferneren Gegenwart Paul Bocuse aus Lyon, die Haeberlins aus dem Elsass, Eckart Witzigmann aus München, Horst Petermann, Zürich, Ferran Adrià, Spanien, die Brüder Obauer aus Werfen bei Salzburg wie Jörg Wörther, derzeit Salzburg oder Harald Riedl in Wien – um nur ein paar zu nennen – in den Ohren und inspirier(t)en Generationen von Köchen und Liebhaber nicht nur der französischen Küche. Die ‚Grande Cuisine‘ wurde geboren aus einer Fusion Italien/Frankreich und lässt sich heute von Einflüssen anderer Kulturen, etwa Nordafrika, Jamaika, Asien gerne beeinflussen, ohne dabei regionale Eigenständigkeiten aufzugeben.
    Das Einfache zur Perfektion erheben, das Schlichte zur wahren Grösse, war und ist die Philosophie der wirklichen Kochkünstler. Der wissende Mensch ist mittels seines Gehirns ein unendlicher Lustsucher. Nicht die Philosophen allein haben die Welt nur interpretiert und nicht verändert, aber indem man deren Aufzeichnungen liest, studiert, ändert sich unter Umständen eine Anschauung der Welt, die Sicht der Dinge. Auch durch das Dinieren.
    Eine Gesellschaft, die nicht mehr kocht, verliert den Verstand, da sie die Botschaften nicht lesen kann. Über den Bauch, nicht mittels des Bauches versucht der Kochkünstler zu denken. Kochen war der Beginn des Denkens. Kochen ist angewandte Philosophie, Metapher, Analyse und Synthese, aus dem Kochen entwickelt und in diesem real. Das Herstellen und Zubereiten von Speisen ist eine Form der Kunst. In diesem Umfeld entstand die historische Tätigkeit – nicht der Beruf – des Gastrosophen, im Dienste der ‚Zehnten Muse‘‚ namens ‚Gastera‘ – griechisch: Bauch, Magen, Esslust -, um mit Witz und Verstand den Feinschmecker vom Verdacht der Gefräßigkeit und Schlemmerei zu befreien. Ihm auf sicheren gastrosophischen Pfaden den Weg zu weisen, denn Gastrosophie ist mehr als die Summe ihrer Teile, sie ist eine Lebensaufgabe, ein Lebenswerk.
    Das Sprichwort Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen, hat viel mehr Menschenverstand, als viele Menschen Verstand haben. Dichter und Kochkünstler sind nahe verwandt. Einmaliges mittels ihrer unbeugsamen Kreativität, Handwerk und Phantasie zu schaffen, ist der Gesamtausdruck ihrer Künste. Und sie gibt es immer noch, in jeder Kultur: die Kochkünstler. Handwerker und Künstler in einer Person. Wer sich mit der Kochkunst auseinandersetzt, erfährt viel über Geschichte, Menschen, Landschaften, Botanik, Aromen und Farbkompositionen. Kochkunst ist die Quintessenz aller Künste und Esprit bisheriger Kultur. Es gibt nicht viele Berufe und Berufungen, die diese Palette menschlicher Intelligenz und Phantasie zur Grundlage haben. Wie die Aromen flüchtiger Natur ist Kochen. Speisen lassen sich in natura nicht in einem Museum ausstellen, wenn man Kochbücher, Rezepthefte nicht dazu zählt. Die Grossmutter des Malers Toulose-Lautrec sagte einmal: ‚Wenn meine Söhne eine Wildente töten, dann haben sie daran ein dreifaches Vergnügen: sie zu schießen, sie zu essen und – sie zu zeichnen.‘
    Schließlich, davon gehen wir aus, findet der Naturwissenschaftler nur, was ohnehin schon da ist, wohingegen der Kochkünstler, der nicht durch Cash-flow, PR sowie Lobbyarbeit mit Politik und Wirtschaft das eigentliche Kochhandwerk längst verdrängt hat, Kreationen schafft, was es vorher noch nicht gab oder zumindest so, wie man es vorher noch nicht kannte. Ein Irrglaube? Ferran Adrià und seine Crew aus dem kleinen Fischerdorf Rosas, schaffen mit dem ‚El Bulli‘ beide Ebenen – ökonomische Stabilität und Kreativität pur. Um das zu schaffen, muss man ein wenig ‚verrückt‘ – ver-rückt – sein. Mit normorientiertem Verhalten wird das nicht funktionieren.
    (aus: unveröffentlichtem Manuskript „Lizenz zum Geniessen“)

  2. Großartiger Text!! Besonders die Stelle „Eine Gesellschaft, die nicht mehr kocht, verliert den Verstand (…)“ hat mich begeistert!
    Alle großen Künstler waren auch große Gourmets und komponierten Gastmahle, die sie fast wie ihre Gemälde inszenierten. Picasso ist berühmt dafür, Dali tauschte die Leinwand bisweilen mit dem Esstisch und zauberte hier surreale Genusslandschaften.
    Es würde mich freuen, wenn wir hier weiter so interessante und kluge „Kommentare“ erhalten. Schon jetzt freue ich mich auf solche zum Auftritt Adriàs in Kassel!!

  3. habe neulich in einer buchwerbung folgendes gefunden:
    „Das Kochen ist für ihn ( Kubelka ) um nichts weniger präzise in seinen Mitteilungen über eine Zeit, eine Kultur, eine Region, einen Einzelmenschen als jede andere Kunstgattung. Kochen ist für Kubelka zudem das letzte künstlerische Handwerk, das in der Familie ausgeübt wird, wie früher das Musizieren, das Tischlern und unzählige andere Tätigkeiten, die immer mehr an Spezialisten abgegeben wurden. Oder wie Peter Kubelka es formuliert: “ Jede Familie, in der regelmäßig gekocht wird, beherbergt mindestens einen Künstler“

  4. Also was denn jetzt? Kommt er oder kommt er nicht, der Adriá??? Es hieß, es sei zu aufwendig, ihm da seine ganzen Kochutensilien nach Kassel zu karren und man wolle sein Restaurant nahe Barcelona kurzerhand als Außenstelle der Documenta erklären. Feiner Schachzug!! Angeblich sei dann jeden Abend dort ein Tisch für zwei Documenta-Besucher reserviert, die von Kassel aus eingeflogen würden. Und man solle den Buergel ja nicht anbaggern, von wegen, dass man unbedingt dahin wolle. Dann hätte man schonmal von vorneherein verloren!!!!
    Woanders las ich, dass Buergel das alles schon wieder dementiert hätte. Aber man kennt das ja im Kunstbetrieb. Da werden bei einem guten Glas Wein tolle Ideen geboren und plötzlich soll man die realisieren. Na denn, Prost Mahlzeit!!!!

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