Bildergeschichten – Schriftsteller sehen Malerei


Auf Initiative des Kölner Literaturhauses wurde ein ehrgeiziges Projekt in Angriff genommen: insgesamt 19 Schriftsteller haben Texte zu ihren Lieblingsbildern aus dem Wallraf-Richartz-Museum entstehen lassen. Ihre persönlichen Einblicke, Gedanken und Assoziationen sollten zu „erzählter Kunst“ werden, wie der Werbetext das Hörbuch beschreibt, das in diesem Zusammenhang produziert wurde. Der Text von Jürgen Becker zu Max Liebermanns „Rasenbleiche“ und der von Dieter Wellershoff zu James Ensors „Mädchen mit Puppe“ sind dieser Tage im Kölner Stadtanzeiger veröffentlicht worden.
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Wie schon mehrfach gezeigt, kann die Begegnung mit literarischen Texten den Kunstwerken durchaus eine weitere spannende Dimension entlocken. Der Betrachter kann durch die Sprache angeregt werden, eigene Beobachtungen und Gedanken zu verfolgen. Eine absolute Bereicherung!
Bei den beiden Texten, die ich bisher gelesen habe – von Becker und Wellershoff – handelt es sich allerdings lediglich um eine mehr oder weniger nüchterne Beschreibung der Kunstwerke verbunden mit dem ein oder anderen Hinweis auf Entdeckungen, die mit den Erfahrungen und Erlebnissen des Autors verknüpft werden. Beide Autoren scheinen mir zu sehr bemüht, die kunsthistorischen Klischees zu bedienen (Beschreibung und das möglichst detailverliebt ist hier das formelhaft ausgelebte oberste Gebot) und gehen dabei fast völlig an den literarisch-sprachlichen Möglichkeiten vorbei. Wobei mir Dieter Wellershoff nach den langen einleitenden Beschreibungssätzen dann doch die Kurve zu kriegen scheint und gegen Ende das aufblitzen lässt, was es eigentlich hätte sein können: gekonnt geschriebene Literatur.
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Denn was das Mädchen gleich tun wird, ahnt man, wenn man hinter seine Füße blickt, wo eine misshandelte und zerstörte Puppe wie tot an der Wand lehnt. Gleich wird in der Logik eines ewigen Wiederholungszwangs das Strafgericht erneut vollstreckt werden, mit dem das als strenge Dame kostümierte Mädchen immer wieder an ihren Puppen nachvollzieht, was ihm selbst angetan wurde, als man ihm im Namen der gesellschaftlichen Kultur seine Kindheit ausgetrieben hat. Der unbewegliche Ausdruck seines bleichen Gesichtes zeigt, dass es sich nun auf der richtigen Seite wähnt. („Mörderische Zärtlichkeiten“)
Am Sonntag, dem 26.11. wird es um 11.30 Uhr eine Lesung von einigen der Autoren im Wallraf-Richartz-Museum geben. Das liefert dann schon mal einen Vorgeschmack auf das Hörbuch und erleichtert vielleicht die Entscheidung, ob es angeschafft werden soll oder nicht. Für die Lesung werden vor die einzelnen Werke „Regiestühle“ gestellt, die auch nach der Lesung noch für einige Zeit für die Museumsbesucher nutzbar sein werden. Die Tatsache, dass man die von den Autoren eingelesenen Texte nun auch über die Infoterminals abrufen kann, verhilft den bislang völlig ungenutzen und daher überflüssigen Stationen in der ständigen Sammlung möglicherweise zu einer sinnvollen Nutzung. Das wäre dann wenigstens ein absoluter Mehrwert dieser Literaturaktion. Allerdings setze ich durchaus noch Hoffnungen in die weiteren Texte, von denen mir zumindest die Ankündigung von Günther Wallrafs Schilderung einer Begegnung mit Max Ernst sehr spannend zu sein scheint. Wie gesagt: die Grundidee ist eigentlich eine gute! Dialog der Künste eben!!

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Eine Antwort zu “Bildergeschichten – Schriftsteller sehen Malerei”

  1. Meiner Meinung nach sind einige der bislang zu Wort gekommenen Autoren dem Irrtum aufgesessen, sie hätten so etwas wie eine kunsthistorische oder soziologische Einordnung und Bewertung des Bildes zu leisten, und verkennen dabei, dass sie auf einer ganz anderen Baustelle tätig sind. Dass es auch anders geht, zeigt der im heutigen Kölner Stadtanzeiger abgedruckte Text von Hanns-Josef Ortheil „Erdbeeren aus Großvaters Garten“.
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    Stefan Lochner: „Muttergottes in der Rosenlaube“.
    Er verknüpft das Bild „Muttergottes in der Rosenlaube“ von Stefan Lochner auf literarisch gelungene und anrührende Weise mit Kindheitserinnerungen und erzählt, wie es auf verschiedene Menschen aus seiner Verwandtschaft gewirkt hat. Was in einen Schluss mündet, den man auch als Hommage zu Ingmar Bergmans Meisterfilm „Wilde Erdbeeren“ verstehen kann. So und nicht anders habe ich mir die „Bildergeschichten“ vorgestellt!

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