Besuch bei den Schwaben

Linsen mit Spätzle

Schaffe, schaffe! Das Sprichwort könnt ihr alle vollenden, nicht wahr? Ja, so sind sie, die Schwaben. Fleißig. Sparsam. Gewöhnungsbedürftiger Dialekt (sorry) und sie wohnen mittlerweile gerne in Berlin. Auch ich habe eine Menge Klischees im Kopf. Aber erstmal hat es mich überrascht, wie schnell man von Köln aus in Stuttgart ist. Die Stadt ist echt toll und angeblich Deutschlands heimliche Kulturhauptstadt. Dass man dort in dieser Hinsicht aus dem Vollen schöpfen kann, davon konnte ich mich persönlich überzeugen. Und beim nächsten Besuch muss ich mir unbedingt so einen Spätzle-Shaker mitbringen. Jetzt aber zur Ausstellung „Die Schwaben. Zwischen Mythos und Marke„.

Die Schwaben. Zwischen Mythos und Marke

Die große Landesausstellung (gibt es so nur in Baden Württemberg, oder?) im Landesmuseum Württemberg hat sich aufgemacht, zu erforschen, was den Schwaben ausmacht. In der gelungenen Inszenierung begegnen die Besucher dann auch schnell den eingangs erwähnten Klischees. Mir gefällt das Konzept, diese einerseits zu konterkarieren und andererseits als Vorlage für eine interessante Ausstellungs-Szenographie zu nutzen. Was mich überrascht hat: den Schwaben gibt es so gar nicht. Also nicht in einer kontinuierlich vorhandenen Volksabstammung. Äußerst sympathisch fand ich die Aussage, die uns beim Ausstellungsbesuch mehrfach begegnete: Schwabe kann jeder werden.

Dass vor allem der Dialekt einen zentralen Beitrag zur Identitätsstiftung der Schwaben beiträgt, merkt man der Präsentation an. Der hat sogar einen eigenen interaktiven Raum bekommen, in welchem man Rätsel lösen kann oder sich an einer Tafel an einer Wortsammlung beteiligen kann. So etwas finde ich großartig. Schade, dass diese Interaktion nicht auch im virtuellen Raum weitergedacht wurde. Hätte sich aus meiner Sicht eigentlich angeboten, da etwas von den Usern generieren zu lassen und es entsprechend zu präsentieren. Nun denn.

Geschichte wird lebendig

Drei Geschichten sind mir nach dem Rundgang gut in Erinnerung geblieben. Direkt zu Anfang der Ausstellung  steht man dem berühmten Ulmer Hocker von Max Bill gegenüber. Auch wenn die reduzierte Einfachheit der Gestaltung hier auf einen Schweizer zurückgeht – immerhin stand die Ära der Ulmer Hochschule für Gestaltung für die Fortführung der „Form-folgt-der-Funktion“-Idee. Und eben auch für die kompromisslose Einfachheit der Mittel. Mit den Holzhockern hat man damals die Hochschule ausgestattet. Nicht unbedingt bequem, aber zweckmäßig. Da kommt doch der Thronsessel aus dem Neuen Schloss gleich sehr viel komfortabler daher, den die Ausstellungsmacher daneben platziert haben. Auch wenn er für die verschwenderische Obrigkeit steht. So ein Gegensatzpaar funktioniert augenfällig und ohne viele Worte. Das gefällt mir.

Arbeitshocker Sgabillo. Der sogenannte Ulmer Hocker und als Gegenüber der Thronsessel aus dem Thronsaal des Neuen Schlosses in Stuttgart. Ausstellungsansicht aus der Schau Die Schwaben
Arbeitshocker Sgabillo („Ulmer Hocker“); Entwurf: Max Bill (1908– 1994), Paul Gugelot (1920– 1965) Herstellung: Paul Hildinger, Ulm, 1954/ 1962, Fichten- und Buchenholz, unbeschichtet, H. 45 cm, B. 40 cm, T. 29,5 cm Thronsessel aus dem Thronsaal des Neuen Schlosses in Stuttgart | Württemberg (?), um 1835 | Bruchsal, Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg – Schloss Ludwigsburg

Für Tüftler und Querdenker scheint das Schwabenland ein guter Inkubator gewesen zu sein. Einer davon war Gustav Mesmer – der Ikarus vom Lautertal. Sein unglaubliches Flugfahrrad vermittelte mir in der Ausstellung ein bekanntes Gefühl.  Sevilla 1992 – mein erster Job nach dem Studium war im Büro, das die Weltausstellung damals vorbereitete und das Fluggerät kam als eines der zentralen Exponate in den deutschen Pavillon. Das hatte der 1994 verstorbene Mesmer noch mitbekommen. Eine späte Genugtuung, denn er verbrachte den Großteil seines Lebens in der Psychiatrie. Heute werden seine Arbeiten der Outsider-Art zugerechnet.

Flugfahrrad mit Flügel" von Gustav Messmer. Ausstellung Die Schwaben in Stuttgart
Hubschrauberflugfahrrad Gustav Mesmer (1903– 1994) Buttenhausen (Landkreis Reutlingen), um 1980 Metall, Holz, Kunststofffolie, H. 300 cm, B. 400 cm, T. 300 cm © Gustav Mesmer Stiftung, Kirchentellinsfurt; Foto: Leonie Hugendubel

Kann man eine Ausstellung über die Schwaben machen, ohne dass die Spätzle ein Thema sind? Natürlich nicht! Zahlreiche Brettchen und Pressen in der Ausstellung zeugen von der Bedeutung der schwäbischen Nationalspeise. Erstmals erwähnt wurde sie übrigens 1725 von Rosinus Lentilius, einem fürstlichen Rat und Leibarzt. Ob sich der Begriff vom Spatzen oder doch eher vom Batzen (Teig) ableitet, ist meines Wissens nicht geklärt. Interessant, dass die Spätzle früher gerne mit Dinkelmehl hergestellt wurden. Dinkel hat besondere Klebeigenschaften und so brauchte man in Notzeiten keine Eier hinzufügen. Heute ist das Ei ein wichtiger Bestandteil dieser Mehlspeise. Bei der Herstellung schwören Traditionalisten auf das Schaben mit dem Holzbrettchen. Da kann dann allerdings auch schnell mal etwas danebengehen. Missratene Spätzle kennt man als Raben, Störche, Rappen, Nachtigall, Großvater oder Adler. Lustig! Ich konnte mich später im Selbstversuch von der Schmackhaftigkeit des berühmten Linsengerichts überzeugen.

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Linsen und Spätzle mit Saitenwürstchen © Landesmuseum Württemberg, Stuttgart; Foto: Hendrik Zwietasch

Die als Landesschau konzipierte Ausstellung wartet mit einem üppigen Begleitprogramm auf. Seit 2010 gibt es ein Kindermuseum im Neuen Schloss und dort konzipierte man eine Mitmach-Ausstellung – die „7 SuperSchwaben“.  Astronom Johannes Kepler, Dichter Friedrich Schiller, Ingenieur Gottlieb Daimler, Unternehmerin Margarete Steiff, Gründer des ersten Hollywood-Studios Carl Laemmle, Widerstandskämpferin Sophie Scholl und Fußballstar Sami Khedira – eine interessante Mischung „genialer und mutiger“ Schwaben. Die kann man in Spielen oder Fotoshootings näher kennenlernen. Mir kam das inhaltlich stellenweise ein bisschen beliebig vor. Aber ich kann mir vorstellen, dass die Kinder großen Spaß haben.

Der Besuch in der Landesausstellung war klasse, vor allem, weil wir nach Schließung des Museums hinein durften. Es hätte für mich gerne etwas weniger Führung und mehr Austausch über die Erfahrungen mit den Besuchern sein dürfen. Aber ich gebe gerne zu, dass ich, was Führungen angeht, ein schwieriger Fall bin. Zum Plaudern nutzten wir dann aber das anschließende gemeinsame Essen mit den Mitarbeiterinnen aus dem Marketing. Vielen Dank dafür!

Auch noch erwähnenswert: Das Waldhotel

Die Schwaben sind die geborenen Gastgeber. Nicht umsonst ist die Region ja auch kulinarisch über die Grenzen des Landes hinaus bekannt! Das Hotel, in dem wir während der Blogger-Reise wohnten, war ein Schmuckstück. Es liegt erstaunlich nah von der Innenstadt Stuttgarts in Degerloch völlig im Grünen. Das Waldhotel Stuttgart – in den Ursprüngen aus den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts – hat als Erholungsort eine lange Geschichte. Das spürte man an allen Ecken. Besonderes Highlight aber ist dort die Kunst. Es war ein glücklicher Umstand, dass die jetzigen Besitzer das Hotel nach dem Erwerb komplett umgestalten wollten und auf Christa Winter trafen. Eine Einladung in ihr Atelier, in welchem gerade erste Arbeiten aus der Werkreihe „Waldrausch“ an den Wänden stand, war der Anfang. In einem sehr netten Treffen mit der Künstlerin erfuhren wir, wie umfassend sie dann in der Renovierungsphase eingebunden war.

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Christa Winter, Has‘ sitz, Has flitz. 2011

 Kunst für die Seele

Christa Winter hat zum Beispiel in jedem Zimmer Probe gelegen. Denn sie schwört auf die optimale Hängung ihrer Bilder in den Räumen. So entstand mit den Materialien der Ausstattung ein Gesamtkonzept, das seine Wirkung auf die Gäste nicht verfehlt. In meinem Zimmer hatte ich ein Wurzelnest und einen Hirsch (erst später wurde mir klar, dass er das Wappentier der Württemberger ist). Als ich beiläufig aus dem Fenster in den Herbstwald blickte, kam plötzlich das Gefühl hoch, dass da vielleicht ein kapitaler Vertreter im Unterholz stehen könnte. Meine Fantasie war angeregt. Und im Kopf entstanden viele Geschichten, die beim Gang zur Rezeption oder in den Frühstücksraum ständig neue Facetten erhielten. Ich schätze es sehr, wenn in Hotels nicht die lieblosen Drucke hängen, die einen Kunstsinn nur vortäuschen. Im Waldhotel wurde der tatsächlich eingelöst!

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Christa Winter vor ihrem Wandbild im Foyer des Waldhotels.

Christa Winter hat mehr als 100 Werke für diesen besonderen Ort erstellt. Das Waldthema zieht sich durch das gesamte Haus. Die Technik der Collage ist hier das Mittel der Wahl, denn im Mix unterschiedlicher Materialien entstehen unzählige Naturperspektiven. Ich bin beeindruckt von der Virtuosität, mit der die Künstlerin verschiedene Techniken miteinander verbindet. Mein Lieblingsdetail: Kleine Federchen!

Christa Winter, Waldrausch
Christa Winter, Waldrausch, Detail

Die erhöhen zum Beispiel den haptischen Reiz der Bilder und beflügeln die Assoziationen sehr. Christa Winter legt in ihren Bildern fantasievolle Fährten, denen man auf leisen Sohlen folgen kann. Die Offenheit ihrer Gestaltung ist eine perfekte Einladung, sich in die Bilder hineinzuträumen. Das hat bei mir wunderbar funktioniert!!

bettchen

 

 

Der Beitrag entstand im Rahmen der Bloggerreise #kulturherbststuttgart, die von der Stuttgart-Marketing GmbH und ausgewählten Partnern initiiert und finanziert wurde.

 

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