Hommage an Jannis Kounellis


Ohne Titel (Großes Lazarett), 2000; Installationsansicht MKM, 2018
13 Lazarettbetten, 11 Stahl-Körper, 19 Stahlplatten, 35 Militär-Wolldecken; je 200 x 80 cm, variabel; Galerie Karsten Greve, St. Moritz, Paris, Köln; © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 / Foto: Henning Krause

13 Lazarettbetten, 11 Stahl-Körper, 19 Stahlplatten, 35 Militär-Wolldecken. Ich bin mir sicher, bei jedem von euch passiert bei dieser Aufzählung etwas im Kopf. Allein die reine Nennung des Materials stößt schon Assoziations-Ketten an. Wenn man dann dazu das Bild hat, die Ästhetik der Materialien auf einen wirkt, man vielleicht auch einen Geruch zu verspüren meint, dann wird diese Installation von Jannis Kounellis zu einem sinnlichen Erlebnis, das seinesgleichen sucht. Ich bin schon ein großer Fan des Griechen, seit er im Jahre 1997 in der Halle Kalk mit der Ausstellung „Jannis Kounellis. Die Front, das Denken, der Sturm“ gastierte. Damals war die Halle Kalk eine Außenstelle des Museum Ludwig und es war eine fabelhafte Inszenierung seiner Kunst in spannender Umgebung (ich glaube, die Halle musste dann aus statischen Gründen aufgegeben werden. Schade eigentlich.)

Schon vor ein paar Wochen war ich dann im Museum Küppersmühle zu Besuch in der Ausstellung „Hommage an Jannis Kounellis“ und war wieder vollkommen gefangen von seinen Arbeiten. Das Spannende hier waren aber auch die Positionen anderer Künstler, die hier zu seinen Ehren versammelt worden sind. Wenn ihr Lust habt, dann nehme ich euch mit auf einen Rundgang durch diese Hommage, die noch bis zum 28. Oktober in Duisburg zu sehen ist. Ich habe mir hier die Werke herausgepickt, die mich ganz besonders beeindruckt haben.

Jannis Kounellis: Ohne Titel, 2005 Foto: Anke von Heyl

Jannis Kounellis, der als Vertreter der Arte Povera gilt, hat seine Ausstellungen gerne selber sehr sorgfältig arrangiert. Ich erinnere mich noch, wie er damals begeistert die Gegebenheiten der alten Industriehalle in Kalk aufgenommen hat! Seine Inszenierungen setzen auf die Stärke der jeweiligen Materialien, mit denen er arbeitete – meist Werkstoffe, in denen viele Geschichten eingeschrieben sind. Kounellis bezeichnete sich einmal als stummen Dichter – und ja, seine Arbeiten haben allesamt diesen poetischen Klang, dem man noch lange nachspüren kann. Er sprach an anderer Stelle auch davon, dass er Maler sei. Das mag vielleicht auf den ersten Blick verwundern. Aber dann entdeckt man in seinem Werk auch typische Tableaus – auf Stahlplatten arrangierte Dinge, die zu einem Bild komponiert werden. Beim Betrachten solcher Werke merke ich, wie mir ein kleiner Schauer über den Rücken läuft. Sie rühren tiefe Schichten des Unterbewusstseins an.

Jannis Kounellis: Ohne Titel, 2000 Foto: Anke von Heyl

Die Idee zu der Ausstellung in Duisburg bestand schon länger. Und als das Thema Kunst & Kohle aufkam, war klar, dass Jannis Kounellis dabei sein müsste. In seinen Arbeiten spielte seit den 60er Jahren der Werkstoff Kohle eine ganz besondere Rolle. In ihr spürte Kounellis die Energie des Daseins und sah Kohle als gespeicherte Geschichte der Menschheit.

Eisen und Kohle stellen für mich die Materialien dar, die am besten die Welt der industriellen Revolution und damit die Ursprünge der heutigen Kultur wiederspiegeln.

Leider ist Jannis Kounellis am 16. Februar 2017 verstorben und eine Einzelausstellung konnte ohne ihn nicht umgesetzt werden. Welch kongeniale Idee hatten dann aber Walter Smerling und Ferdinand Ullrich, die eine kleine aber feine Auswahl an künstlerischen Positionen zu den Kounellis-Werken gesellten und somit die oben schon erwähnte Hommage an den großartigen Künstler auf den Weg brachten. Neben Ayse Erkmen, Michael Saistorfer, Sun Xun, Timm Ulrichs und Bernar Venet hat mich in dieser illustren Runde vor allem er nach Duisburg gelockt: Anselm Kiefer!

Anselm Kiefer: Klingsors Garten, 2018. Foto: Anke von Heyl

Kiefer und Kounellis kannten sich seit den 80er Jahren, als sie gemeinsam mit Beuys an einer Diskussionsrunde in der Kunsthalle Basel teilnahmen. Drei Künstler, für die das Thema Materialästhetik eine ähnlich große Bedeutung hat. Anselm Kiefer hat zur Hommage an Jannis Kounellis mit einer Arbeit beigetragen, die in Duisburg nahezu perfekt in den Reigen der Kounellis-Arbeiten passt: Klingsors Garten. Im Gegensatz zu Kounellis, der gerne auf Werktitel verzichtet, steuert Kiefer in seinen Werken auf diese Weise die literarischen Bezüge. Klingsor ist ein Zauberer aus dem Parzifal-Stoff – eine Art deutscher Merlin. Sein Zaubergarten wird hier von Kiefer in die Räume des Museums gepflanzt. Zur archaischen Kraft der Kohle gesellen sich die Sonnenblumen, deren Werden und Vergehen Kiefer als Symbol für den Kreislauf des Lebens verwendet. Dazu bemüht er noch die griechische Mythologie (in der die von Apoll verschmähte Kytia zur Sonnenblume wird und fortan sehnsüchtig dem Weg dessen Sonnenwagens folgt) – eine Verneigung vor Kounellis? Von dem man ja weiß, dass er sich lange schwer getan hat mit seinem griechischen Erbe.

Ayse Erkmen: Ein Werk aus Licht und Hitze für eine Wand mit Licht und Hitze, 1991. Foto: Anke von Heyl

Angetreten zur Hommage

Die versammelten Künstler – mit Ayse Erkmen als einziger Frau – lassen sich über das gemeinsame Thema der Kohle in dieser Ausstellung erfahren. Die Nähe zu Kounellis ist dabei eher relativ. Den größten gemeinsamen Nenner haben sicherlich Kiefer und Kounellis. Bei Ayse Erkmen erkenne ich die Inszenierung des Raumes als spannendes Bindeglied. Sie geht das Thema über den Mythos von Prometheus an, der ja bekanntermaßen den Menschen das Feuer brachte. „A Work of Light and Heat for a Wall with Light and Heat“ ist eine Arbeit aus den frühen 90er Jahren und ist erstmal recht minimalistisch. Und beim zweiten Blick dann von großer Wirkung. „Prometheus – er brachte uns – das Feuer – und so – können wir – die Zukunft – nicht mehr sehen – wir sind glücklich“ lese ich. Die türkische Bildhauerin bringt einen kritischen Zungenschlag in das Thema „Energie“ und rückt mit ihrem Fries aus Heizstrahlern, Leuchtstoffröhren und gravierter Elektrodenkohle den Umgang mit den Ressourcen ins Zentrum. (Was ich mich gefragt habe: Konnte man während der Hitzewelle die letzte Woche diesen Raum überhaupt betreten?).

Michael Sailstorfer: Tränenpresse, 2018 Foto: Anke von Heyl

Bei Michael Sailstorfer kommen einem die Tränen. Beziehungsweise wird man Zeuge eines Transformationsprozesses, bei dem Kohle zu kleinen Tränebriketts gepresst wird. Die Presse hat Sailstorfer selber gebaut und er arrangiert sie in seinem Raum als poetisches Ensemble zahlreicher Metaphern. Weil ich selber in einer ehemaligen Brikettfabrik wohne, fühle ich mich hier auf besondere Weise berührt. Ich weiß nicht genau, ob man das Ende der Steinkohle beweinen soll oder ob es Freudentränen sind, weil etwas Neues entsteht? Auch die beiden Äpfel, die über meinem Kopf durch magnetische Anziehung und Abstoßung herumkreisen, bleiben mir ein Rätsel. Und das finde ich an Sailstorfers Arbeiten auch immer so spannend. Sie sind meist klar, oft technoid. Aber in ihnen wohnt ein Geheimnis, das nicht bis ins letzte Detail entschlüsselt werden kann.

Mein Gang durch die Ausstellung endet hier. Nicht ohne noch eine Empfehlung für zwei Programmpunkte abzugeben, die einen Besuch noch lohnender machen. Zum einen gibt es am 26. August eine legendäre Besucherschule des großen Bazon Brock. Um 11 Uhr startet er mit seiner unkonventionellen Kunstbetrachtung. Weitere Infos und Anmeldung gibt es hier. Dort findet ihr auch weitere Informationen zur Aktion „Kohle-Ofen, brennbar“, die anlässlich der Finissage am 28. Oktober stattfinden wird.

 

 

 

 

 

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