Gute Gründe, das Käthe Kollwitz Museum zu besuchen


Heute vor 70 Jahren starb mit Käthe Kollwitz eine der wichtigsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Sie hat sich wie kaum eine andere ins kollektive Bewusstsein der Deutschen gemalt. Und das nicht nur mit „schweren“ Themen wie Tod, Krieg und Armut. Sondern auch mit ihrer unverwechselbaren künstlerischen Handschrift. Als die Kreissparkasse Köln 1983 einsprang, weil die Stadt Köln nicht das Geld hatte einen wertvollen Schatz von Kollwitz-Arbeiten zu erwerben, begann die Geschichte des Käthe Kollwitz Museums am Neumarkt. Diese wurden zunächst in den Räumlichkeiten der Kreissparkasse ausgestellt. Schnell war das öffentliche Interesse jedoch so hoch, dass man sich zu einem Museumsbau entschloss, der heute vor 30 Jahren seine Eröffnung feierte. Genug Gründe, euch dieses tolle Museum ans Herz zu legen, gibt es allemal. Hier kommen meine Empfehlungen.

Die Architektur

Schon der Eingang ist ein Erlebnis. Zugegeben, man muss ihn erst einmal suchen. Er liegt in einer Einkaufspassage am Neumarkt. Um hineinzugelangen fährt man mit einem gläsernen Aufzug in die 4. Etage, was für so jemanden wie mich schon eine kleine Aufregung ist. Die Räume, die einen dort dann empfangen sind großzügig geschnitten und folgen einer eleganten Kurve einmal um den Kern des Gebäudes herum. Eine ideale Situation für Rundgänge! Ich bin auch immer wieder angetan vom schönen Atrium, das einen in Empfang nimmt und welches sich bei den vielen Events immer wieder bewährt hat. Wie in einer antiken Arena sitzen die Besucher auf den Stufen und in ihrem Blick ist meist eine erste Einführung in die jeweilige Ausstellung. Die vom Kölner Architekten Johannes Schilling in der Neumarkt-Passage konzipierte Museumsarchitektur ist unaufdringlich, elegant und unterstützt die Präsentation der Arbeiten! Mir gefällt so etwas immer viel besser, als wenn die Architektur selber ein Statement abgeben möchte.

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Malklasse von Ludwig Herterich an der Münchener Künstlerinnenschule. 1889-1890. Käthe Kollwitz in der oberen Reihe mittig. @Erbengemeinschaft Kollwitz

Frauenpower

Wer mich kennt, der weiß, dass ich eher selten feministisch unterwegs bin. Doch hier muss ich einmal darauf hinweisen, dass ich Leben und Werk von Käthe Kollwitz vor allem auch in einer gewissen Vorbildfunktion für kommende Generationen sehe. Wenn man sich vergegenwärtigt, wie die junge Künstlerin in der Kaiserzeit ihren Weg machen konnte, sich durchsetzte, später als erste Frau an der Akademie der Künste aufgenommen wurde, dann ist das ein perfektes Rolemodel für junge Frauen. Auch das Selbstbewusstsein, sich politischer und sozialer Themen anzunehmen, ist ungewöhnlich und zeigt ihr Selbstbewusstsein als Künstlerin. Und nicht zuletzt die vielen Selbstporträts sind Beispiele für eine starke Persönlichkeit! Aus einigen museumspädagogischen Projekten weiß ich, wie hilfreich diese Erfahrungen im Museum auch für die Entwicklung junger Menschen sein kann.

Graphik-Schule

Radierung, Lithographie und Holzschnitt – die Kollwitz beherrschte die druckgraphischen Techniken perfekt und gilt als eine der herausragendsten Vertreterinnen dieses Genres. Wer je vor ihrem Weberzyklus stand und sich dort anschauen konnte, wie sie zwischen unterschiedlichen Drucktechniken oszilliert, der versteht sofort die Charakteristika jeder einzelnen Technik. Auf zahlreichen Blättern zieht einen ihre Experimentierlust in den Bann. Zeichnung ist ebenfalls das Metier der Käthe Kollwitz. Beim Betrachten der Bilder kann man durch das Graphit die Handschrift der Künstlerin erfühlen können.

Abb. N5_Kaethe Kollwitz_Schlachtfeld-um 1907_NT (411a)
Schlachtfeld, um 1907 Schwarze Kohle, weiß gehöht @VG Bildkunst, Bonn 2015

Soziales Engagement

„Ich will wirken in dieser Zeit, in der Menschen so ratlos und bedürftig sind.“ Gerade in diesen Tagen denke ich öfter daran, dass Kunst auch in Zeiten existentieller Not eine wichtige Funktion hat. Was hätte Käthe Kollwitz wohl zum Flüchtlingsdrama im Mittelmeer gesagt. Soll man Kunst machen, auch angesichts so vieler drängender Probleme? Käthe Kollwitz hat gezeigt, dass es wichtig ist, bestimmte Themen nicht zu verdrängen. Und sie hat ja nicht nur das Elend gemalt. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Armenarzt Karl Kollwitz, hat sie sicher auch helfen können. Auch, indem sie das Elend aus den Armenvierteln Berlins an die Öffentlichkeit brachte. „Nie wieder Krieg!“ Mit so einem Plakat hat sich Käthe Kollwitz einen Platz in meinem Herzen erobert. Und ich bin sicher, es geht vielen anderen genauso! Überhaupt sind ihre Plakate auch heute noch aktuell und es bieten sich viele Möglichkeiten, über die Probleme der Gesellschaft im 21. Jahrhundert zu diskutieren.

Trost

Ich will gar nicht vom Tod anfangen. Ja, den gibt es im Käthe Kollwitz Museum auf vielen Bildern zu sehen. Aber es gibt auch einen sehr tiefen, sehr emotionalen Trost, den man aus den Bildern mitnehmen kann. Den finde ich so hilfreich und gut! Etwas, das die allgemeine Sprachlosigkeit angesichts der Unausweichlichkeit des Todes auffangen kann. Da spielt auch die Lebenserfahrung einer Frau hinein, die zwei Kriege erlebte und ihren Sohn im ersten Weltkrieg und später ihren Enkel im zweiten Weltkrieg verlor! Als Künstlerin gelingt es ihr, mit diesem existentiellen Thema so umzugehen, dass daraus ein überzeitliches und allgemeingültiges Auseinandersetzen werden kann.

Neuentdeckungen

Es gibt in der aktuellen Schau einige Werke, die bislang unbekannt waren. Ein beeindruckendes frühes Selbstporträt, das die Autoren Sonya und Yury Winterberg bei den Recherchen zu ihrer aktuellen Kollwitz-Biografie aufgetan haben. Überhaupt ist der Gang durch die Photographien und Selbstzeugnisse ein Erlebnis. Die beiden Journalisten haben einen anderen Blick als die Kunsthistoriker. Und ich muss gestehen, ich mag das. Sehr sogar. Denn ich schätze es, wenn Kunstbetrachtung tiefer geht. Wenn man zu allen stilkritischen Aspekten der Werke den Menschen dahinter kennenlernen kann. Mit aller gegebenen Sensibilität haben die Winterbergs Dinge über Käthe Kollwitz recherchiert, die das Bild, welches ich von ihr hatte, auf eine sehr sympathische und anrührende Weise vervollständigen. Und dazu gehört eben auch, dass ich erfahre, wie die Künstlerin gelebt, geliebt und gelacht hat. Ich werde noch eine ausführliche Rezension der Biografie schreiben. Ihr könnt da auf eine besondere Form des Autoren-Interviews gespannt sein!

Also, wer in Köln ist, der kommt um einen Besuch im Käthe Kollwitz Museum nicht mehr herum! Unbedingte Empfehlung meinerseits!! Und das sage ich nicht nur, weil mir das sympathische Team dieses Hauses seit vielen Jahren sehr am Herzen liegt! Die machen wirklich eine tolle Arbeit dort! Herzlichen Glückwunsch, liebes Käthe Kollwitz Museum zum 30.

 

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