Museums-Erlebnis im Münsterland

Blick auf die Abtei Liesborn. Rechts die Kirche, links das heute als Museum genutzte Haus.

Ein Ausflug ins Münsterland ist immer eine gute Wahl. Was für eine Vielfalt an unglaublich schönen Burgen und Schlössern es da zu entdecken gibt! Diesmal war mein Ziel das Museum Abtei Liesborn, das mich mit einer Expressionismus-Ausstellung lockte. Diejenigen, die hier häufiger mitlesen, wissen vielleicht um meine Leidenschaft für diese Stilrichtung. Mich erwartete aber nicht nur eine feine Sonderausstellung, sondern mein Museumsbesuch wurde zu einer Sinnesreise der besonderen Art. Und in diesem Blogbeitrag möchte ich euch mitnehmen auf dieses Erlebnis!

Meisterwerke des Expressionismus aus der Sammlung Johenning

Eine persönliche und schöne Geschichte steckt hinter der Ausstellung, die noch bis zum 29. Mai 2022 im Museum Abtei Liesborn zu sehen ist. Mit der Schenkung eines Liebermann-Gemäldes an das Museum begann die Beziehung zum Sammlerehepaar Johenning. . Mit dem Bild stellte Friedrich Johenning eine Verbindung zu seinem Vater her, der ab 1919 Bürgermeister der nahen Stadt Oelde gewesen war. Wie Liebermann musste auch er 1939 die Enthebung aus all seinen Ämtern erfahren. So wird über das damals erlittene Schicksal eine Erinnerung geschaffen, die tatsächlich ja auch immer mitschwingt, wenn wir uns die Expressionisten anschauen. Ich sehe die wunderbare Kunst, aber ich sehe auch in den Biografien der ausgestellten Künstler*innen noch so viel mehr.

Die insgesamt 40 Werke sind in einem Sammlungsraum präsentiert, der wie ein begehbares Schatzkästchen wirkt. Wenn sich die Augen an den abgedunkelten Raum gewöhnt haben, leuchten die ausgestellten Werke umso stärker heraus. Und man taucht ein in die Bilderwelt, die ein wahrer Farbrausch ist.

Angefangen hat also alles mit dem Reiterknecht am Strand, den Liebermann in schnellen Strichen festgehalten hat. Hier und auch an manch anderer Stelle wird mir wieder klar, wie fließend der Übergang vom Im- zum Expressionismus gewesen ist. Liebermann zählt zu den deutschen Impressionisten und auch Lovis Corinth gilt nicht als Expressionist. Aber in der Sammlung Johenning haben sie selbstverständlich ihren Platz als wichtige Vertreter, wenn es um die Erneuerung der Kunst in Deutschland geht.

Mein besonderes Highlight aus der Sammlung ist übrigens das Melonenstillleben von Corinth!! Großartig, diese Sinneslust!!! Danke auch an dieser Stelle an Saskia Timmas, die uns so kenntnisreich durch die Ausstellung geführt hat. Und auf solche Details hingewiesen hat, wie die Leerstelle an der linken Seite dieses Bildes. Ein „Infinito“-Motiv oder infolge des eingeschränkten Sehvermögens von Corinth entstanden? Man weiß es nicht, aber es macht das Bild spannend!

Die erneute Begegnung mit Paula Modersohn-Becker macht mir Freude – erst unlängst sah ich sie im Arpmuseum. Für mich ist sie einfach eine unglaubliche Frau, die vor all ihren männlichen Kollegen den Weg in die Moderne geebnet hat. In der Ausstellung ist sie mit zauberhaften Mädchenbildern zu sehen, die einen anrühren! Und diese Idee mit der Glaskugel im Garten, die kenne ich schon von ihr. Ein spannender Kunstgriff!

Das Schöne an liebevoll zusammengetragenen Privatsammlungen: Man sieht Motive, die mehrfach auftauchen und bei denen man auch individuelle Entwicklungen der jeweiligen Künstler*innen nachvollziehen kann. Die Sammlung Johenning spiegelt sehr schön die Suche nach einer neuen Kunst wider, von der damals alle Maler*innen ergriffen waren.

Zwei Arbeiten von August Macke zeigen das sehr deutlich. Zwischen dem linken (1907) und dem rechten (1910) Bild liegen gerade mal drei Jahre. Künstlerisch gesehen ist es aber eine ganz andere Welt, die sich der aus dem Rheinland stammende August Macke erobert hat. Seine Kontakte zu den Künstler*innen um den Blauen Reiter spielen in dieser Zeit natürlich eine Rolle.

Eine Arbeit von Kandinsky hat es auch in die Sammlung geschafft, eine Baumblüte, die man in der Ausstellung wunderbar neben eine Kiefernlandschaft von Jawlenskys gehängt hat. Kuratorin Jutta Desel hat einen guten Job gemacht – allein wegen dieser schönen Gegenüberstellungen ist die Ausstellung ein besonderer Sehgenuss!!!

Die Hälfte der Ausstellung ist allerdings einem Künstler gewidmet. Zu Emil Nolde fühlten sich die Johennings anscheinend sehr hingezogen. Mit einem Blumenaquarell von Nolde starteten Renate und Friedrich Johenning 1979 ihre Sammlung. Von Anfang an waren sie von der virtuosen Farbigkeit seiner Bilder fasziniert. Mich hat aber auch überrascht, wie viele Porträts von Nolde sich in der Sammlung befinden. Blumenstillleben sind so erwartbar, wenn man an den Künstler denkt. Doch in seinen ebenfalls als Aquarelle geschaffenen Porträts steckt eine unglaubliche Aura, die die von ihm gemalten Personen allesamt ausstrahlen. Steht man vor diesen Bildern, lässt sich das sehr intensiv nachempfinden. Bilder der zentralen Themenwelt des Großstadt-Expressionismus findet man auch bei Nolde – er unternahm auch hier „Forschungsreisen“ ins Nachtleben. Mir gefällt seine kleine Kokotte sehr, der er einen vibrierenden riesigen Hut verpasst hat. In der kleinen Auswahl an Nolde-Arbeiten steckt ein schöner Überblick über sein Werk. Natürlich wird in der Ausstellung und im Katalog auch auf die Problematik seiner Nähe zum Nazi-Regime hingewiesen. Auch wenn ich das nicht ausblenden kann, gelingt es mir dennoch, die Bilder zu genießen.

Genuss im Museum

Apropos genießen. Ich bin ein Fan der Verbindung von Kunstgenuss und Kulinarischem. Immer dann, wenn beide eine gelungene Verbindung eingehen, bin ich glücklich. Und perfekter hätte unser Museumsbesuch in Liesborn nicht sein können, denn wir durften ein Picknick im Museum einnehmen. Die Idee dazu stammt vom Destinationsvermarkter Münsterland e.V. und das Museum Abtei Liesborn hat in Kooperation mit dem Hotel Karger aus Wadersloh eine tolle Kiste daraus gemacht. Mich kriegt man ja immer mit kleinen liebevollen Details und ich war begeistert nicht nur von der Qualität der Produkte sondern auch von der Nachhaltigkeit der Präsentation.

Ich darf mich an dieser Stelle ganz herzlich für die Einladung zu Führung, Picknick und anschließendem Kreativ-Workshop bedanken. Es hat mir einen wunderschönen Nachmittag im Museum Abtei Liesborn beschert. Wer jetzt Lust auf dieses Rundum-Wohlfühl-Paket bekommen hat, der kann das hier buchen.

Eigenes Tun hilft Verstehen

Nach dieser wunderbaren Stärkung ging es weiter zum nächsten Highlight: Aquarellmalerei ausprobieren!! Hin und wieder experimentiere ich mit einem Mini-Aquarell-Kasten, aber bislang habe ich mich noch nie an große Formate herangewagt. Jetzt wartete ein so toll hergerichteter Workshop-Tisch auf uns, der mir allein schon wegen des Arrangements aus kleinen Farbschälchen und Wassergläsern wie ein eigenes Kunstwerk vorkam. Antje Mengelkamp, die Kunstvermittlerin des Museums Abtei Liesborn hatte für uns alles aufgebaut und wir konnten nach ihrer fabelhaften Anleitung eigene Aquarelle ausprobieren. Hands on – für mich immer noch eine der besten Vermittlungsformate und ich liebe es besonders, wenn man das direkt in den Museumsräumen machen kann. Und sogar der Mann, der anfangs betonte „gar nicht malen zu können“, war hinterher richtig angetan von seinem Kunstwerk.

Wir durften mit wunderbaren Materialien experimentieren und ich habe eine große Begeisterung für die Nass-in-Nass-Technik entwickelt, bei der man der Farbe zugucken kann, wie sie sich auf dem Papier langsam ihren Weg bahnt. Auf diese Weise konnte ich die Expressionisten-Ausstellung noch einmal perfekt nachwirken lassen. Und fühlte mich den Aquarellen Noldes über das haptische Erlebnis sehr nah. Ich verstand auf einer anderen Ebene, was den Malern damals die Farbe bedeutet hat. Schon unglaublich, wie man sich meditativ in Konzentration auf die Farbe verlieren kann. Bravo, dass solche Kreativ-Angebote auch mal nicht nur für Kinder angeboten werden.

Museum Abtei Liesborn

Zum Schluss muss ich nochmal den Bogen schlagen und auf das Kleinod eines der ältesten Klöster Westfalens zu sprechen kommen. Eine Klosterkirche aus dem 14./15. Jahrhundert gibt es zu sehen und einen – wie ich finde – sehr gelungenen Neubau für Sonderausstellungen. Besonders spannend ist die Heimkehr des Liesborner Evangeliars, auf die man im Haus zurecht stolz ist. Die aus dem Jahr 1000 n. Chr. stammende Handschrift wurde 2015 auf der TEFAF angeboten. Und welch ein Glück dass im Kreis Warendorf kluge Menschen sich dafür eingesetzt haben, dass dieses Kleinod heimgeholt werden konnte.

Mich hat das Haus nicht nur mit seiner Sammlung von Kreuzigungen aus 6. Jahrhunderten begeistert. Beim Rundgang durch die ständige Sammlung des Museums gibt es immer wieder kleine szenografische Überraschungen und Details zu bestaunen. Da wird dann zum Beispiel in einem Sammlungsraum auf Pflanzentrends zur Zeit des Biedermeier hingewiesen, was mir persönlich (aus Gründen) besonders gut gefallen hat. Und solche Begegnungen gibt es immer wieder im Haus, das auch architektonisch äußerst interessant ist. Allein schon die alten Treppenhäuser sind eine Entdeckung für sich!

Ich lege euch natürlich den Besuch der Expressionisten-Ausstellung sehr ans Herz. Aber solltet ihr es nicht schaffen, gibt es weitere Gelegenheiten für einen Ausflug nach Liesborn. Am 19.6.22 eröffnet die Ausstellung „Wir sind Rincklake. Porträts im Selfiezeitalter“. Die von Saskia Timmas kuratierte Ausstellung beschäftigt sich mit einem der bedeutendsten Porträtmaler Westfalens und hat mit Haus Nottbeck, dem Museum für westfälische Literatur und dem Herrenhaus Schloss Harkotten von Korff zwei weitere Partner für die Ausstellung ins Boot geholt. Man kann sich also auf die Spuren eines Porträtmalers aus dem frühen 19. Jahrhundert begeben und gleichzeitig tolle Locations im Münsterland entdecken. Zur Ausstellung ist ein spannendes Programm geplant. Übrigens schließt sich der Kreis hier wieder. Denn auch im Haus Nottbeck wird das tolle Picknick angeboten.

Und mit einem weiteren Ausblick auf eine vielversprechende Ausstellung im Museum Abtei Liesborn überlasse ich euch jetzt der Ausflugsplanung! Ab dem 28. August wird in Kooperation mit dem Projekt Boardgame Historian (Grüße gehen raus an Lukas Boch) die Ausstellung „Mönch ärgere dich nicht“ eröffnet. Hier werden Spiele gezeigt (und reflektiert), in denen Klöster, Mönche und Nonnen eine Hauptrolle spielen. Offensichtlich ist dies ein beliebtes Genre der Spieleszene und die Ausstellung verspricht sehr spannend zu werden. Danke auch nochmal an die Kuratorin Yvonne Püttmann, die mir schon Lust auf das Kommende gemacht hat.

Jetzt habt ihr also genügend Anlässe, das Museum Abtei Liesborn zu besuchen, euch im Münsterland umzutun und es euch gutgehen zu lassen. Ich blättere schon im Kalender, wann ich zu meinem nächsten Ausflug dorthin aufbrechen könnte.

Museum Abtei Liesborn des Kreises Warendorf
Abteiring 8
59329 Wadersloh-Liesborn
Tel.: 02523 / 98 24 0
Fax: 02523 / 98 24 11
E-Mail: info@museum-abtei-liesborn.de
Eintritt frei!
Aufgrund von Bauarbeiten ist das Museum bis Mitte 2022 nicht barrierefrei.
Öffnungszeiten:

Di. – Fr.: 9 bis 12 Uhr und 14 bis 17 Uhr
Samstag und Sonntag: 14 bis 17 Uhr
Montags und an allen Feiertagen geschlossen.

Transparenz

Wir wurden von Münsterland e.V. zu dieser Reise eingeladen und ich erhielt ein Honorar. Im Münsterland läuft noch bis Dezember 2022 das EFRE-Förderprojekt „Schlösser- und Burgenregion Münsterland“, das sich den Schätzen der Region und ihrer besseren Erlebbarkeit widmet. Diese Reise wurde aus Mitteln des europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.

Share

Kommentar verfassen