DADA Köln


„Was Dada ist wissen nur die Dadaisten. Und die sagen es niemand.“ Wenn ich diese Zeile höre, springt mir sofort ein Grinsen ins Gesicht. Ich mag das besonders, weil mich diese Ismen mein ganzes Berufsleben lang immer wieder quälen! Mittlerweile gehört der subversive Nonsens von Dada zur klassischen Moderne. Man feiert heute gar 100 Jahre Dada. Das Datum hängt an der Eröffnung des Cabaret Voltaire in Zürich. Dort wurde Dada sozusagen geboren. Aber auch in Köln gab es eine besondere Ausprägung des Dada.

Hurra, der Arp ist da

Hans Arp war einer der Protagonisten des legendären Cabaret Voltaire. 1914 begegneten sich Max Ernst und er zufälltig in der Galerie von Otto Feldmann, die dieser 1912 am Hansaring 20 als Rheinischen Kunstsalon eröffnet hatte. Arps Vater wohnte damals in Köln und so kam Arp öfter zu Besuch. 1919 zog er dann mit seiner Freundin Sophie Taeuber sogar ganz nach Köln. Arp hatte sich in Zürich durch die Übersetzung von Tristan Tzara eingebracht und war dort auch für die Kulissengestaltung des Cabaret Voltaire zuständig.

Jetzt in Köln schloss er besonders enge Freundschaft zu Max Ernst. Diese sollte dann ein Leben lang Bestand haben. Spätere Verbindungen über seine zweite Frau brachten dann seinen Nachlass in Verbindung mit dem Bahnhof Rolandseck. Das fantastische Museum, das heute dort residiert, zeigt ab nächste Woche die Ausstellung „Genese Dada„. Die muss ich natürlich unbedingt besuchen.

Die ersten Treffen in Köln wurden jäh durch den Ausbruch des Krieges unterbrochen. In seinen „Rheinischen Erinnerungen“ hat Max Ernst später geschrieben:

„Eines Tages schien Arp ernster als gewöhnlich; er sagte, er müsse fort. Der Krieg drohte. Die Atmosphäre in Deutschland wurde unerträglich, und bald sollten wir die Gewissheit haben, dass die nahende Katastrophe unsere Jugend, unsere Freuden, alles was wir liebten, in den Abgrund reißen würde. So habe ich später von meinen Jugendfreunden auch nur wenige wieder gesehen. Arp, der aus dem Elsaß stammte, besaß die Geistesgegenwart, den letzten Zug nach Paris zu nehmen und dadurch der Mobilisierung zu entgehen. Ich habe lange bereut, seinem Beispiel nicht gefolgt zu sein, wie er es mir noch nahe gelegt hatte. Später hieß es, sein Zug habe die Grenze gerade noch passieren können, bevor man sie schloss, angeblich genau in dem Moment, als der Waggon darüber fuhr, in dem Arp sich befand. Daher dieser Dualismus in einer einzigen Person.“

Hans Arp – Sohn eines Deutschen und einer Französin – brachte die Entstehung von Dada als Folge der Ereignisse auf den Punkt:

„Angeekelt von den Schlächtereien des Weltkrieges 1914 gaben wir uns in Zürich den schönen Künsten hin. Während in der Ferne der Donner der Geschütze grollte, sangen, klebten und dichteten wir aus Leibeskräften. Wir suchten eine elementare Kunst, die den Menschen vom Wahnsinn der Zeit heilen, und eine neue Ordnung, die das Gleichgewicht zwischen Himmel und Hölle herstellen sollte. Wir spürten, dass Banditen aufstehen würden, denen in ihrer Machtbesessenheit selbst die Kunst dazu diente, Menschen zu verdummen.“

Mit Hilfe von Baargeld

Alfred Ferdinand Grünwald spielte eine nicht unwesentliche Rolle für die Entstehung des Dada in Köln. Sein Vater war ein vermögender Banker und dadurch hatte der junge Grünwald die Möglichkeit, die Gruppe ein bisschen finanziell zu unterstützen. Was ihn dann auch zu seinem Pseudonym Johannes Theodor Baargeld verhalf. (Übrigens hat der Musiker Blixa Bargeld seinen Künstlernamen tatsächlich als Referenz an den Kölner Dadaisten verwendet.) Dieser Baargeld war schon eine besondere Figur. Er brachte das Politische in die Kölner Gruppe – man sagt ihm sogar ein versuchtes Sprengstoffattentat auf die Kölner Südbrücke nach, das in den Wirren um den Kapp-Putsch den Nachschub per Eisenbahn unterbrechen sollte.

Max Ernst schrieb über ihn „Außer mir gibt es hier in Köln nur einen wahren Präsidenten, das ist Baargeld“. Er selber nannte sich Zentrodada. Ich habe immer noch das Bild vor Augen, das Max Ernst von diesem irrlichternden Typen auf dem „Rendezvous der Freunde“ als Nummer 14 malte. Mit ihm und Hans Arp formierte sich um Dada-max die „Dada-Zentrale W/3“ – W für West und drei für die Anzahl der Protagonisten. Baargeld gab auch die satirisch geprägte Zeitschrift „Der Ventilator“ heraus. Seine bissigen Zeilen über die Kunst vor Dada sind legendär und tauchten auch im Katalog zur ersten Ausstellung des Trios im Kölnischen Kunstverein 1919 auf.

„Cezanne ist chewing-gum. Der Grunewald verdaut van Goghs gelbes Gebiss. Van Gogh roch aus dem Mund und ist tot. Eljen dada!“

Johannes Theodor Baargeld – ich wusste, dass er, wie ich auch, an der Kreuzgasse Abitur gemacht hatte. Deswegen interessierte er mich immer besonders. Walter Vitt hat ein wunderbares Buch über den Künstler geschrieben, dessen Bedeutung als Inspirator der klassischen Moderne noch nicht genug betont wurde. Er starb 1927 am Mont Blanc, nachdem er eine durchaus beachtliche Karriere als Bergsteiger hingelegt hatte. (Vitt hat spannende Einträge in den Gästebüchern der Alpenhütten recherchiert, wo er als Jesaias literarisch wertvolle Einträge hinterlassen hatte.)

Durch die Herrentoilette

Abkehr von der bislang geltenden Kunst war der eine Impuls des Dada. Tabubruch ein weiterer. Und da haben es die Kölner Dadisten ordentlich krachen lassen! Ihre Ausstellung im Hinterhof des Brauhaus Winter in der Schildergasse 37 war nur durch die Herrentoilette zu betreten. Im April 1920 hatten sie hier unter anderem ein kleines Mädchen im Kommunionskleidchen obszöne Gedichte vortragen lassen oder dazu aufgefordert, Kunstwerke von Max Ernst mit der Axt zu zertrümmern. „Die axt im haus ersetzt den Bräutigam“ war ihr Motto. „Dada-Vorfrühling“ nannten sie die Gruppenausstellung, an der unter anderem auch Francis Picabia beteiligt war. Die Schließung durch die Polizei war ein willkommener PR-Schub. Zumal sie wegen Mangel an Beweisen für pornographische Delikte bald wieder öffnete. Beim „nackten Paar“, das dort zu sehen war, handelte es sich übrigens um eine Stich von Dürer („Adam und Eva“). Auch der Betrugsvorwurf ließ sich nicht aufrecht erhalten (Es werde Geld für die Betrachtung von Kunstwerken genommen, aber keine Kunst gezeigt!). Ein nervenkranker Besucher erlitt jedoch einen Tobsuchtsanfall. Alles in allem also ein sehr erfolgreicher Auftritt der Kölner Dadaisten.

Dada Angelika

Über den engen Kreis des W/3 Dada hinaus waren unter anderem Heinrich und Angelika Hoerle sowie ihr Bruder Wilhelm Fick (selbsternannter Vulgärdilletant) am Kölner Dada-Geschehen beteiligt. Angelika Hoerle spielt in der Entwicklung der Szene eine tragende Rolle. (Wie überhaupt Frauen im Dadaismus.) Sie wurde sogar als die deutsche Meisterin des Dada bezeichnet – ihr Spitzname lautete Dada Angelika. Die Lindenthaler Wohnung (Bachemer Straße 243) der Hoerles diente oft als zentraler Treffpunkt der Gruppe und war Sitz des Schloemilch Verlags, der auch die Zeitschrift „Schammade“ herausgab.

Nach der Ausstellung 1920 zerstreute sich die Kölner Dada-Gruppe. Max Ernst intensivierte seine Kontakte nach Paris. Und die Hoerles wurden Teil von Räderscheidts Gruppe „stupid“, die am Hildeboldplatz 9 gemeinsam ausstellten. Man versammelte sich zu den Kölner Progressiven und engagierte sich auch gesellschaftspolitisch.

Gerade jetzt zu Karneval muss ich immer an die damaligen Ereignisse denken. Die Zwanziger Jahre sind eine spannende Zeit – auch hier in Köln. Besonders berührt hat mich die Biografie von Luise Straus-Ernst. In ihrer und Maxens Wohnung am Kaiser-Wilhelm-Ring 24 hatte sich die Dada-Truppe oft getroffen. Nach der Trennung der Eheleute arbeitete die Kunsthistorikerin als Journalistin und war zeitweise sogar stellvertretende Direktorin des Wallraf-Richartz-Museums. Ihre Schilderung eines trubeligen Karnevalsfestes am Rosenmontag 1933 habe ich dieser Tage immer im Kopf. Es war der 27. Februar und alle feierten ausgelassen im „Dekke Tommes“ (hier ein Foto von August Sander von einem Künstlerball dort), als ein junger Mann auf Luise zukam und ihr ins Ohr flüsterte „Der Reichstag brennt.“

Der zweite Weltkrieg stellte die nächste Zäsur dar. Dada ging schon vorher auf im Surrealismus, aber nie ganz unter. Bis heute lebt der Geist von Dada fort. Dada ist wie eine Einnordung der Kunst, die notwendig wird, wenn sich Entwicklungen totlaufen. Der Zufall als künstlerisches Prinzip, das Spielerische, dieser wunderbare Unsinn (Nonsens) – ich bin froh, dass er lebt! Und ich feiere den Hundertjährigen!!

 

 

 

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11 Antworten zu “DADA Köln”

  1. Ich bin doch immer wieder erstaunt, was für eine Wundertüte Köln ist. Danke! Immer wieder unterhaltsam und erhellend, wenn Du uns etwas über Kunst und über Köln erzählst.

    Mir erscheint die aktuelle Kunst momentan im Vergleich so öde und irrelavant, wenn ich mir Dada und Fluxus ansehe. Aber wer weiß, was die Menschen in fünfzig oder hundert Jahren sagen …

    “ Gil versteht, dass die Vergangenheit eine Utopie ist, und will von nun an in der Gegenwart leben.“ Ein Satz für die Ewigkeit, den ich bei Arte las und woraufhin ich den Film gucken musste. Und der mir irgendwie gut zu passen scheint. http://www.arte.tv/guide/de/062840-000-A/midnight-in-paris

    • Wundertüte Köln! Das muss ich mir merken!!!
      Ich entdecke übrigens auch immer wieder etwas Neues hier.

      Ja, ich ertappe mich auch oft dabei, dass ich in die Vergangenheit reise. Ist irgendwie ne Berufskrankheit. Ich liebe den Film übrigens sehr und hab ihn mindestens schon drei Mal gesehen. Ich erfreue mich an den ganzen Look-a-Likes, die Woody da gecastet hat. Insgesamt wirkt er zwar ein bisschen übereifrig im Nacherzählen der damaligen Zeit. Aber ich liebe ihn trotzdem!

    • Ich schließe mich dem Dankeschön an – hallo Anke und alle Mitlesenden, hallo Wibke Ladwig!

      Ja, der Film ist schön, nicht wahr? 🙂

      Seine Aussage ist wunderbar: guck, was JETZT um Dich ist! Es gibt auch heute Dada, Fluxus, alles, was es früher schon gab, und Neues, das vielleicht noch keinen Namen hat – oder wie ich so oft sage: kein „Etikett“.

      Ich denke, es wird existierenden und arbeitenden Künstler nicht gerecht, wenn man sie vergleicht, egal ob untereinander oder mit Arbeiten anderer Epochen. Das, was man sucht – oder was die Seele sucht – findet man immer — oder es findet einen. Auch über Kunst. (Und das meine ich jetzt nicht esoterisch, obwohl es durchaus etwas Spirituelles hat…)

      Die Wirksamkeit oder Wichtigkeit künstlerischer Epochen wird ja rückwirkend festgestellt, und immer schon schaffen es nur wenige Vertreter ins Scheinwerferlicht, geschweige in die Kunstgeschichtsbücher. Aber es sind Individuen, die beeinflussen und beeinflusst werden, die einem Zeitgeist, Moden unterliegen, die in Gruppen wahrgenommen oder diesen zugeordnet werden – und irgendwann vielleicht einer „Epoche“. Vielleicht fühlte sich die eine oder der andere in der entsprechenden „Schublade“ ja sogar unverstanden, fehlinterpretiert… was ich sagen will: vielleicht zeichnet sich gerade keine neue Epoche ab, weil nicht genug Menschen künstlerisch/politisch in eine bestimmte Richtung drängen, weil es immer mehr „alles gibt“ und sich daher alles mehr verteilt. Aber es arbeiten überall so viele Individuen mittels ihrer Persönlichkeit an „ihrer“ Kunst, dass wir eher sehr viel verpassen als Sorge haben müssen, dass Ödnis und Irrelevanz herrschen…

      Viele Grüße,
      Sabine

      • Hallo Sabine,
        ja, genau, dieses Schubladendenken sagt meist nicht viel aus. Schwierig zu sagen, wie man unsere Zeit mal später sehen wird. Hinsichtlich der künstlerischen Entwicklungen. Es zeichnet sich ja schon seit dem 20. Jahrhundert ab, dass es immer schwieriger ist, einzelne Epochen zu definieren. Alles geht ineinander über oder es existiert viel nebeneinander.
        Ich finde es immer spannend, den Fokus auf verschiedene inhaltliche Phänomene einzustellen. Bringt natürlich auch mein Beruf mit sich. Ständig neue Themen. Und das ist auch gut so. Finde ich jedenfalls.
        Herzlichst
        Anke

        • Ja. Inhalte! Genau.
          Deswegen finde ich es immer müßig, so ein „Epochendenken“ während man noch mittendrin ist. Alles ergibt sich. So denke ich z. B., dass rückblickend auch immer die relevanten gesellschaftlichen Missstände thematisiert wurden und werden, und so auch in unserer Zeit. Ob das dann später „Die Epoche der/des…“ genannt wird, ist doch piepegal! 🙂

          • Ja, das mit den -ismen ist natürlich für manche Menschen schon ein kleiner Kompass, mit dem sie durch die Welt der Kunst navigieren können. Ich bemerke doch immer wieder eine große Unsicherheit beim Publikum. Da helfen dann Ordnungssysteme auf den ersten Blick schon. Ob es einen dann im Verständnis weiterbringt, ist eine andere Frage. Das bringt mich zu der Überlegung, dass es einfach mehr Berührungspunkte mit Kunst und Kultur geben sollte. Schon in der Schule. Aber ach … das ist ein weites Feld!!!

  2. Klasse. Wusste ich ganz vieles nicht. Super, dass Du die Adressen mit ausgegraben hast, da wird das ganze nochmal viel greifbarer, näher. ich freue mich schon auf die Ausstellung im Arp Museum.

    • Lieber Walter Vitt,

      ich freue mich sehr über Ihren Kommentar! Ach ja, das Grab habe ich letztens vergeblich gesucht auf Melaten. Ich glaube, es ist etwas versteckt, oder habe ich nicht richtig geschaut.
      Ich muss mir auch noch mal Ihr Buch auf die Leseliste legen.

      Herzliche Grüße
      Anke von Heyl

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