Ich habe es schon länger hier liegen. Ein fabelhaftes Buch aus dem Verlag ebersbach & simon. Und es würde kaum besser passen, meine kleine Rezension dazu genau jetzt auf die Reise zu schicken. Denn die Autorin Unda Hörner hat eine faszinierende Zeitreise durch das Jahr 1929 dem Jahresverlauf angepasst. Es sind Blitzlichter und spannende Einblicke in die Leben berühmter Frauen. Und es schließt ganz hervorragend an meinen letzten Blogbeitrag zu #femaleheritage an. Vor zwei Jahren habe ich übrigens schon einmal über den Vorläufer dieses Buches geschrieben.
Frauen im Jahr Babylon, so der Untertitel des Buches. Natürlich ist es ein marketingtechnischer Coup, an die beliebte Serie nach den Romanen von Volker Kutcher anzuknüpfen. Aber es ist eben auch ein faszinierendes Jahr. Ein Jahr, auf den schon der Schatten der kommenden düsteren Zeiten liegt. Ein Jahr, in welchem man aber auch voller Lebenslust wie auf einem Vulkan tanzt.
Unda Hörner beschreibt den Januar aus der Perspektive Erika und Klaus Manns, die ihre USA-Reise in einem Buch verarbeiten wollen. Sie führt uns zu Marlene Dietrich und die rasende Clärenore Stinnes. Im Februar dürfen wir dabei sein, wenn Louise Brooks („Da kommt meine Lulu!“) auf Einladung des Regisseurs Georg Wilhelm Pabst nach Berlin kommt. Sie, der Inbegriff des modernen Flapper-Typs soll in seiner Verfilmung des Wedekind-Stücks „Die Büchse der Pandora“ spielen. Im März lernen wir Lotte Lenya als legendäre Seeräuber-Jenny kennen und im April werden wir Zeuge, wie Helene Weigel Lotte zur Parteimitgliedschaft in der KPD überreden will. Das Kapitel im Mai berichtet natürlich über die Unruhen und den sogenannten Blutmai. Aber wir lernen auch Marlene Moeschke-Poelzig kennen, eine ausgezeichnete Architektin, die allerdings im Schatten ihres berühmten Mannes Hans Poelzig steht. Im Juni blicken wir Vicki Baum über die Schulter, die in diesem Monat ihren Roman „Menschen im Hotel“ bei Ullstein veröffentlicht. Startauflage 10.000 Stück!! Im Juli geht es weiter mit Geschichten zu Erika Mann (die Reformkleid trägt) oder Marlene Poelzig. Zudem treffen wir auf Asta Nielsen, die auf Hiddensee ein Sommerhaus erworben hat. Im August begleiten wir Lotte Jacobi beim Kauf einer neuen kleinen Leica. Im September besucht Ringelnatz Asta Nielsen und gräbt ihren Garten um. Im Oktober bekommen wir ein Gespräch zwischen Marlene Poelzig und Else Opplere-Legband mit: “ Nun mal nicht so bescheiden“, sagt die Ältere (Else), „(…) Und Sie haben Ihre ganz eigene Handschrift. Ich weiß sehr wohl, dass Sie nicht nur Mitarbeiterin Ihres Mannes sind, auch senn der wegen der Auftraggeber, die nur an den Mann und seinen Geniestreich glauben, immer die letzte Unterschrift unter alles setzt. Ihre Holzhäuser für Hellerau, Frau Poelzig! Und all die vielen Einfamilienhäuser in den letzten zehn Jahren! Die Werkbund-Siedlung in Stuttgart!“ Im November dreht Marlene endlich „Der Blaue Engel“ und Erika gratuliert ihrem Vater zum Literaturnobelpreis. Und im Dezember schickt uns die Autorin mit Empfehlungen einer gewissen Katharina von Kardorff in den Jahreswechsel: „Wer mit dem Vorsatz: denken, wissen, sich bilden und arbeiten zu wollen ins neue Jahr hineingeht, wird unabhängig von den wirtschaftlichen Notlagen der Zeit einen größeren Lebensgenuss haben.“
Das war nur eine Auswahl von den vielen Geschichten, die Unda Hörner erzählt. Sie sind alle eng mit den historischen Ereignissen aus dem Jahre 1929 verwoben. Sie lassen sich schön leicht lesen, weil sie die menschliche Seite betonen und wir viele historische Begebenheiten aus der persönlichen Perspektive erfahren. Einen kleinen Punktabzug in meiner ansonsten großen Begeisterung gibt es aber dennoch aus meiner Sicht: Es ist durchgängig ein bisschen zu viel Text für die Männer vorhanden. Für Brecht, Kästner und all die anderen Protagonisten jener Jahre, über die wir wahrscheinlich mehr und ausführlicher Bescheid wissen als über all die klugen und interessanten Frauen jener Zeit. Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – kann ich allen das Buch „1929. Frauen im Jahr Babylon“ sehr ans Herz legen. Es ist einfach schön, sich dieser starken Frauen zu erinnern und den lebendig geschriebenen Geschichten zu folgen.
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