Vor fünf Jahren schrieb ich schon einmal über August Macke und spürte meinen persönlichen Verbindungen zu ihm hinterher. Köln, Bonn, Rheinischer Expressionismus – er hat hier in meinem unmittelbaren Umfeld gewirkt. Aber eigentlich ist es kein besonderer Ort, durch den ich mich an ihn erinnert fühle. Vielmehr sind es Farben, Schwingungen und Momente seiner Bilder, die mich bis heute in seinen Bildern faszinieren. Und es ist dem Museum Wiesbaden in einer digitalen Veranstaltung gelungen, diese auch über den Bildschirm zu transportieren. Was ja immer gerne in Abrede gestellt wird, dass überhaupt ein Funke überspringen kann. Mir kommt es aber auch auf die Gespräche zur Kunst an, auf die Geschichten und Blickwinkel, die man durchaus ins Digitale transportieren kann. Wir hatten eine fabelhafte digitale Führung zur Ausstellung „August Macke. Paradies! Paradies?“ Die anschließende gemeinsamen Runde mit dem Kurator Dr. Roman Zieglgänsberger brachte Kulturblogger*innen aus ganz Deutschland (und Österreich) zusammen und es entstand ein wunderbarer Austausch über August Macke und seine Kunst. Unten verlinke ich euch die Blogbeiträge der anderen. Hier lest ihr aber erst einmal meine Gedanken zur Ausstellung.
Suche nach Inspiration
Die Wiesbadener Ausstellung folgt der Idee des Paradieses in der Kunst August Mackes. Durch zwei Satzzeichen führt einen der Ausstellungstitel in die Zeit vor hundert Jahren. Als die Künstler allerorten auf der Suche waren. Nach dem verlorenen Paradies und nach Erneuerung. Sie suchten den neuen Menschen und nach einer neuen Kunst. Wie brüchig die Paradies-Vorstellungen der Künstler dieser Epoche waren, können wir in den unterschiedlichen Biografien verfolgen. Angefangen vom tragischen Scheitern eines Ateliers des Südens (van Gogh und Gauguin) bis zum Schockzustand, in den der frühe Tod August Mackes der Kunstszene versetzt hat. Wir müssen uns also stets bewusst machen, dass die damaligen Paradiesvorstellungen mit einem Fragezeichen zu sehen sind.
Folgen wir dem Paradies-Gedanken noch etwas tiefer. Es ging bei den Ideen dazu vor allem auch um die Verbindung von Kunst und Leben, der man besonders um die Jahrhundertwende auf der Spur war. Im Katalog hat Peter Foster die Verbindung August Mackes zu der Idee des Gesamtkunstwerks aufgezeigt. Eine Verbindung von Kunst und Leben, die den Jugendstil charakterisiert und die nachhaltig gewirkt hat. In Düsseldorf hatte Macke sich auch den Unterricht von Peter Behrens in der Kunstgewerbeschule angesehen und von dort wichtige Impulse mitgenommen. Darüber hinaus war Macke sehr viel unterwegs, um sich abseits akademischer Bildung von anderen künstlerischen Bewegungen inspirieren zu lassen. In diesem Zusammenhang stechen die Reisen nach Paris hervor. Insgesamt dreimal reist August Macke bis 1909 in die Stadt an der Seine, von der so viel Inspiration für die neue Kunst ausgegangen war.
„Das Leben hier ist wie im Paradies. Hier ist alles. Gärten, schöne Frauen, wunderbare alte Männer, viele Hunde, Kinder, so zierlich wie die Engel im
Himmel und dabei eine Luft. Jetzt ist es schöner als bei uns im
Sommer. Wir wohnen direkt am Luxembourg-Garten, wo alte
Männer herumlaufen und Spatzen zähmen oder Krokett spielen.
Jungen spielen auf den Wegen Tennis, Kinder spielen Diabolo
und lassen Flugapparate steigen. Professoren sitzen in der Sonne
und arbeiten ihr Kolleg aus. Maler sitzen da und pinseln. Ich glaube,
selbst die Unglücklichen können glücklich sein, daß sie es hier
sind.“
August Macke hatte es dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass der Onkel seiner späteren Frau Elisabeth ihm die Paris-Aufenthalte finanzierte. Bernhard Koehler war Kunstsammler und ließ sich von Macke bei seinen Ankäufen beraten. Die Paris-Reise bezahlte Koehler übrigens, ohne dass er und Macke sich persönlich kennengelernt hatten! Später beteiligte sich Koehler auch an der Tunis-Reise, die Macke mit Paul Klee und Louis Moilliet 1914 unternommen hat.
Eine legendäre Reise
Macke schuf während der nur vierzehn Tage währenden Tunis-Reise insgesamt 33 Aquarelle und 79 Zeichnungen in drei Skizzenbüchern. Dass bis heute diese kurze Reise dreier Künstler als Meilenstein der Kunstgeschichte rezipiert wird, ist bemerkenswert, aber gerechtfertigt. Die formalen Anregungen durch das Orientalische und vor allem ein ganz besonderes Licht, das die Künstler dort nachhaltig beeindruckt hatte, motivierte sie zu neuen Ideen. Auch 100 Jahre später kann man dem noch nachspüren.
In Tunis kamen sie bei dem Arztehepaar Jäggi unter, das Moilliet von früheren Aufenthalten her kannte. Klee und Macke sollen als Dank dafür übrigens ein Zimmer in deren Haus ausgemalt haben. Im Netz habe ich ein Bild gesehen, das Macke auf einem Esel reitend zeigt. Im Hintergrund steht Klee. Man sieht ihnen an, dass sie eine gute Zeit haben. Sie probieren Neues aus, sind magisch von der besonderen Atmosphäre angezogen und die Neugier springt ihnen fast aus den Augen. Sie beeinflussen sich gegenseitig. Macke findet zum Höhepunkt seiner Kunst, die sich vor allem in der Aquarellmalerei zeigt. Hier vereint sich der Expressionismus mit Kubismus und Orphismus, neue Wege der Abstraktion mit dem Exotismus. Bis heute leuchtet uns dies aus den Arbeiten entgegen und was gäbe ich drum, das auch noch einmal im Original zu sehen.
„Die Farbe besaß zum ersten Mal eine ungeheure Intensität. Alles wird auf eine vorher nicht gekannte Art und Weise in Form, Farbe und Bewegung umgesetzt“, schreibt Tanja Pirsig-Marshall im Katalog unter anderem über den Einfluss der Tunisreise.
Ein früh Vollendeter
Es mag müßig erscheinen, immer wieder darauf zu verweisen, dass August Macke fünf Monate nach dieser grandiosen Tunisreise im ersten Weltkrieg gefallen ist. Doch es führt einen auch zu der Frage, welche Rolle er in der Avantgarde des 20. Jahrhunderts eingenommen hat. Wie seine künstlerische Entwicklung im Geflecht der ganzen Bewegungen und Gruppierungen zu sehen ist. Ist seine Kunst eine Synthese aus allem, was zu Beginn des 20. Jahrhunderts angestoßen wurde? Wie sehr hat Macke die anderen Künstler beeinflusst? Der Schock über seinen Tod saß tief!! Wir sehen ihn ja immer auch im Licht des Blauen Reiters. Ich musste schon schmunzeln über die im Katalog zitierten Worte, die Macke für diese Künstlervereinigung fand. „Eigenliebe, Pantoffelheldentum und Blindheit“ warf der ihnen vor und das Geistige strafte er mit den Worten ab: „Ihr seht sonst wahrhaftig zu blau.“ Seine Vorstellungen von „fassbaren Formen“ hatte er deutlich gemacht und so ist wohl auch jede Spekulation darüber überflüssig, ob er sich vielleicht doch zum Abstrakten hin entwickelt hätte.
In den relativ wenigen Jahren seines Schaffens entstanden rund 500 Gemälde, ebenso viel Aquarelle und ca. 10.000 Zeichnungen. Mir ist aus den Begegnungen mit Macke und dem wunderbaren Rundgang durch die Wiesbadener Ausstellung vor allem die Materialisierung des Lichtes in seinen Bildern in Erinnerung geblieben. Aber auch seine überaus liebevoll gemalten Aktbilder haben mich beeindruckt. Von seiner Kunst geht eine unglaubliche Wärme aus und wie man hört, passt das auch zum ausgleichenden und äußerst freundlichen Wesen des Künstlers.
Und diese Freundlichkeit schien sich auch auf unser #ComMuWity Event zu übertragen. Das schöne Materialpaket und die gute Stimmung haben ein Leuchten in diese grauen Tage gebracht! Nachdem wir uns ausführlich über die Macke-Ausstellung ausgetauscht haben, gab es beim gemeinsamen kreativ sein schön entspanntes Plaudern. An dieser Stelle einen ganz herzlichen Dank in die Runde, dass ihr alle dabei wart. Mir macht auch das Lesen der bisherigen Blog-Beiträge riesigen Spaß und ich bin schon gespannt auf die, die noch folgen.
Wibke Ladwig: Sehnsucht nach Kunst, Begegnung mit Kunst
Die Kulturflüsterin: Digital durchs Museum
GeschichtenAgentin: August Macke – Paradies? Paradies!
Mikel Bower: Macken im Paradies?
Wera Wecker: Paradies! Paradies?
Anita Thanhofer: So geht Kulturvermittlung im digitalen Raum. ComMuWity Event zu August Macke.
Esther Klippel: Gestatten – Paradies! Paradies?
Kind am Tellerrand. Maria-Bettina Eich: August Macke Ausstellung in Wiesbaden
MusErMeKu: August Macke: Paradies! Paradies?
Theaterwelten: Das Paradies, es leuchtet!
Dieser Beitrag entstand im Rahmen einer bezahlten Kooperation mit dem Museum Wiesbaden.
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