Sonntag war ich in der Ausstellung „Wir nennen es Ludwig“, die das 40jährige Bestehen des Museum Ludwig Köln feiert. Ich war von einigen Arbeiten dort wirklich sehr angetan. Vor allem, weil mir das Haus seit über 30 Jahren ein vertrauter Ort ist. 25 Künstler wurden vom Direktor Yilmaz Dziewior und seinem Team anlässlich des Jubiläums eingeladen, Arbeiten einzureichen, die sich mit dem Museum Ludwig auseinandersetzten sollten. Dabei sind ganz unterschiedliche Positionen zusammengekommen, die zu verfolgen unheimlich viel Spaß macht. Vor allem, wenn man seine eigenen Gedanken, Erinnerungen und Fragen mit in die Ausstellung nimmt, ein großes Vergnügen.
Spannend fand ich die Installation direkt am Eingang. Ahmet Öğüt hat dort einige Bilder aus dem Bestand des Museums zu Bakunins Barrikade errichtet. Mit zwei gecrashten Autos, jeder Menge Schutt und einigen Drängelgittern. Eigentlich recht provokant. Aber als ich mich mit der netten Kollegin von den Kunstdialogen unterhalten habe, bestätigte sie mir, dass doch viele Besucher das als spannende Vorlage für Gedanken über die Rolle der Kunst nähmen. Natürlich fühlt man sich unwillkürlich an Palmyra erinnert. Die Idee einer Barrikade aus Kunstwerken geht auf den Revolutionär Michail Bakunin zurück, der im Dresdner Maiaufstand 1849 Werke aus der Nationalgalerie als Bollwerk nutzen wollte.
Revolution ist auch das Stichwort der Guerilla-Girls, die weit sichtbar an der Fassade des Hauses einen sehr sarkastischen Beitrag liefern, der sich mit der Figur des Sammlers allgemein beschäftigt. In der Ausstellung selber sind sie dann mit einem Film und weiteren Statements präsent, die sich auch mit der Rolle der Frau im Kunstbetrieb auseinandersetzen. Hier kann man in einem spannenden Interview nachlesen, welche Ansätze die Guerilla Girls für die Präsentation im Museum Ludwig verfolgt haben. Ihnen sei die Sammlung zu weiß, zu europäisch, zu männlich! Wenn man mal so darüber nachdenkt: wir schreiben das Jahr 2016! Da ist es immer noch ein mutiger Schritt, solche Kritik zuzulassen und prominent vorzustellen.
Der Gang durch die Ausstellung bringt einen immer wieder dazu, über den Ort des Museums nachzudenken. Natürlich geht es um das spezielle Haus, das den Namen Ludwig trägt. Es geht manchmal um den Sammler. Aber auch das Museum an sich wird in einigen Arbeiten zur Diskussion gestellt.
Besonders gefallen hat mir übrigens die Idee von Meschac Gaba, der eine Art Rückzugsort für die Besucher eingerichtet hat. Dort kann man malen, zeichnen, kritzeln. Und über das bislang Gesehene nachdenken. Bislang hatte ich seine Installation immer nur im Vorbeihuschen von oben gesehen. Ein Zelt, dessen Stoff aus allen Fahnen der Welt zusammengenäht war, fand ich zunächst ein bisschen beliebig. Aber das ist ja letzten Endes nur die Hülle. Ein Stoff für das Thema Globalisierung, das einen roten Faden darstellt, den man durch die Ausstellung verfolgen kann. Dass man aufgefordert wird, seine Gedanken dort vor Ort zu visualisieren, sie auch noch auszustellen – das hat mich in besonderer Weise berührt. Ich musste mich auch erst überwinden, es zu tun. Und eigentlich hatte ich ein bisschen Zeitstress. Mir fiel auf, wie selten man solche Momente hat. In denen man zur Ruhe kommt und einfach mit ein paar bunten Stiften spielen darf. Wenn man sich darauf einlässt, wirkt es wunderbar!
Ein Wiedersehen mit Bodys Isek Kingelez hat mich gefreut. Er hatte mich damals in der Ausstellung „Kunstwelten im Dialog“ besonders beeindruckt. Sein architektonisches Phantasiemodell lässt mich über das Gesicht der Gesellschaft nachdenken. Auch über Kunst und Kitsch. Über die Frage der Materialien (Alles ist bunt und es glitzert sogar. Aber am Ende sind es ausrangierte Pappkartons und bemaltes Papier, aus denen die Wolkenkratzer gebaut sind.) Mir gefiel es damals auch so gut, weil es mich an die russische Papierarchitektur erinnerte, mit der ich mich nach meinem Studium intensiver beschäftigt hatte. Ich habe mir ein wenig Zeit genommen und bin mehrfach um das Modell herumgegangen. Man entdeckt eine ganze Menge. Das soll Köln sein? Wer wohnt in dieser Stadt? Lustig wäre es bestimmt, wenn man mit dem Fahrrad durch die Straßenschluchten fahren könnte.
Apropos Fahrräder. Die legendäre Installation Ai Weiweis spinnt einen Faden durch die Ausstellung bis hoch in den zweiten Stock. Dort wird im Rahmen der Sammlungspräsentation das Fahrradrad von Marcel Duchamp gezeigt. 90 Jahre trennen die beiden Arbeiten. Jetzt hat man beim Museumsbesuch das Vergnügen, sie miteinander zu vergleichen. (Zum Thema Vergleich gibt es übrigens drüben auf dem Marta-Blog einen interessanten Beitrag von Michael Kröger zu lesen.)
Eine Videoinstallation hält das Geschehen zwischen den beiden Werken fest. Man sieht bei Duchamp oben die Besucher um die Ai Weiwei Arbeit schleichen. Und kann im Gegenzug unten zuschauen, wie Besucher vor dem dadaistischen Readymade ins Grübeln geraten. Auch wenn die Arbeit Ai Weiweis nicht explizit für das Kölner Museum entstanden ist – hier gefällt mir die direkte Bezugnahme auf ein wichtiges Stück aus der Sammlung ganz besonders gut.
40 Jahre ist das Museum Ludwig nun, 30 Jahre hält es am Dom die Stellung. Und so lange währt auch schon meine Beziehung zum Haus! Ich habe das Gefühl, jede Ecke zu kennen und mochte die Architektur von Anfang an. Natürlich sind die Klassiker meine Lieblinge. Die Sammlung Haubrich mag ich besonders gerne. Aufregend, was Georges Adeagbo da jetzt an Intervention eingebaut hat.
Kölnerinnen und Kölner, ihr solltet euch die Ausstellung unbedingt ansehen. Denn man lernt viel über das Museum Ludwig. Die, die es schon kennen, werden neue Facetten entdecken. Und die anderen werden überrascht sein, was Museum sein kann. Ludwig? Wer war nochmal Ludwig? Hierzu empfehle ich dringend auch den Film von Marcel Odenbach anzuschauen! Hier gibt es ein kurzes Interview mit dem Künstler dazu.
Ateliergespräch Marcel Odenbach: Wir nennen es Ludwig. Das Museum wird 40! / We Call it Ludwig. The Museum is Turning 40! from Museum Ludwig on Vimeo.
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