Kunstvermittlung – was kann die eigentlich leisten angesichts drängender Fragen unserer Gesellschaft? Es kommt nicht von ungefähr, dass ich mich in letzter Zeit häufiger mit diesem Thema beschäftigt. Für den Museumsdienst blogge ich seit einiger Zeit zu einer Tagung, die sich mit dem transkulturellen Dialog beschäftigt. Ich finde es großartig, wie viele spannende Projekte da deutschlandweit laufen. Deswegen habe ich ich mich auch besonders gefreut, als mir Brigitte Dunkel von ihrem neuesten Ausstellungsprojekt erzählt hat, zu welchem auch ein spannender Workshop geplant war. Denn der Ausstellungsort ist diesmal ein ganz besonderer: das Übergangsheim am Hansaring. Ich war sehr gespannt auf die Präsentation. Und auch auf die Erfahrungen, die Brigitte mit der Kunstvermittlung gemacht hat.
Das ist diese Art von Rosa, die ganz weich daherkommt. Nicht das laute Pink. Nein, das edle Rosé. Das an das Inkarnat barocker Porträts erinnert. Das man streicheln möchte, so perfekt scheint es. Ich stehe vor einer Schaufensterfront mitten am lauten Hansaring und bin entzückt. Auch von der Schönen, deren Haupt formatfüllend im rechten Fenster an der Wand zu sehen ist. Ein Wimperplinkern später bemerke ich: im rosafarbenen Fenster hängt etwas an einer schweren schwarzen Eisenkette. Und rechts sehe ich Ameisen, die über das perfekte Gesicht krabbeln. Das kommt mir bekannt vor. Also die Ameisen! Dali durchzuckt es mich! Na klar und jetzt erkenne ich auch den Kopf, der ein Zitat der berühmten Frauenbüste, die der surrealistische Künstler 1933 geschaffen hat. Im nächsten Augenblick nehme ich das Schaufenster wie eine Bühne wahr. Die Akteure haben sie gerade verlassen. Aber der Betrachter darf bestimmt gerne in deren Rolle springen.
POWDERROOM, so heißt ein Projekt, an dem Brigitte Dunkel seit 2012 arbeitet. Und dafür scheint die Präsentation ihrer Installation in einem Schaufenster geradezu perfekt. Geht es doch in den Arbeiten auch um das Exponieren. Und dazu gehört auch der Vorgang des Konstruierens von Schönheit. Irgendwie assoziiere ich mit Brigittes Arbeiten, die ich schon in verschiedenen Installationen betrachtet habe, den Sexappeal der fünfziger Jahre. Da erlebte der Powderroom ja seine Hochzeit. Auch das Rokoko taucht in meinen Gedanken auf. Die Schönheitspflästerchen und gepuderten Locken.
Die aktuelle Präsentation im Schaufenster trägt den Titel „SURFACE & DISPLAY“. Zurschaustellung! Die assoziative Auseinandersetzung damit bezieht das Thema Schönheit mit ein. Raffinessen erotischer Konnotationen nicht ausgeschlossen. Das geht unter die Haut, die Oberfläche. Ich spüre bei den Arbeiten von Brigitte stets einen haptischen Impuls. Anfassen erlaubt?
Selbstbehauptung. Darstellung. Kunst.
Der Ausstellungsort hat in Brigitte Dunkel eine Idee reifen lassen, die ihr angesichts der besonderen Situation, vielleicht auch Verantwortung vor Ort wichtig schien. So hat sie ein Workshop-Konzept entwickelt, das ich ziemlich klasse finde. In der Projektskizze schreibt sie dazu:
Ausgehend von dem übergeordneten Ausstellungsprojekt und der real gegebenen Verortung der Ausstellungsvitrinen im Erdgeschoss eines Übergangswohnheims für Geflüchtete ist die Idee entstanden, dort lebende Menschen aktiv in das Ausstellungsvorhaben einzubinden und auf
diese Weise einen interkulturellen Dialog anzuregen.
Zudem handelt es sich um einen Versuch, eine temporäre Intervention zeitgenössischer Kunst im öffentlichen Raum an Menschen zu vermitteln, die aufgrund ihres unfreiwillig gegebenen, temporären Wohnortes mit einem Kunstprojekt konfrontiert sind und diesem möglicherweise skeptisch begegnen, weil es ihnen fremd erscheint.
Mit Unterstützung der Diplom-Kunstpädagogin Leslie Ann Boamah hat sie mehrere kreative Module vorbereitet. Es gab zwar erkennbares Interesse von den Bewohnern, allein am Ende hat der Workshop trotz der Mithilfe einzelner Sozialarbeiter vor Ort keine Teilnehmer*innen gefunden. Das ist eine Erfahrung, mit der Brigitte nicht alleine dastehen. Es ist eine Rückmeldung, die mir mehrfach gegeben wurde. Sicher haben Geflüchtete erst einmal andere Sorgen, als sich mit Kunst zu beschäftigen. Vor allem, wenn ihr Aufenthaltsstatus nicht geklärt ist.
Dennoch möchte ich all jenen Mut machen, die sich für solche oder ähnliche Projekte einsetzen. Denn ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Kunst eine Möglichkeit bietet, über bestimmte Themen zu reden. Themen, die vielleicht mit einem Tabu behaftet sind. Themen, die im zukünftigen Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft mit Sicherheit ein Reibungspunkt darstellen. Dazu gehört auch das Verhältnis von Mann und Frau. Die Wahrnehmung des Weiblichen. Die Sexualität und der ungezwungene Umgang damit. Vielleicht braucht es in Zukunft andere Strukturen, damit solche Konzepte greifen.
Die Ausstellung im Sightfenster geht noch bis zum Samstag. Zur Finissage ist das Video Screening „Make Up Mock Up“ geplant. Leider kann ich nicht, aber ihr könnt hingehen. Das lohnt sich bestimmt sehr! Ab 19.00 Uhr am Hansaring 139-141
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