Letztes Jahr passierte mir ein Mißgeschick und in der Wohnung meiner Mutter kippte ein Schrank mit ererbtem Porzellan um. Ein riesiges Geklirre und in Scherben lagen ein rosa-goldenes Service aus dem 19. Jahrhundert sowie die von mir immer heißgeliebten Teller und Terrinen mit Zwiebelmuster. Ich habe jede einzelne Scherbe sorgfältig in eine Kiste verräumt. Ich konnte sie nicht wegschmeißen. Warum ich das erzähle? Am Freitag eröffnet im Frechener Keramion eine Ausstellung mit Arbeiten der wunderbaren Künstlerin Petra Weifenbach. Mit ihren Keramiks hat sie aus zahlreichen kleinen Keramik-Scherben unfassbar schöne, poetische und humorvolle Kunstwerke geschaffen, die ich euch heute unbedingt ans Herz legen will!
Als ich das Plakatmotiv zur Ausstellung sah, war ich spontan begeistert. Wie genial hat die Künstlerin da das Fundstück einer blauen Scherbe zu dem berühmten Vermeer-Bildnis ergänzt. Ihr kennt das. Ein spontaner Geistesblitz beim Erkennen einer Figur in banalen Gegenständen. Ich beteilige mich ja auch immer sehr gerne an den Spielereien zu „I see faces…“. Aber nicht nur die Verknüpfung mit ihrem „Musée imaginaire“ zeichnet Petra Weifenbachs Kunst aus. (Ich entdeckte sie heute übrigens auch als fantastische Zeichnerin.) Nein, die Genauigkeit, mit der sie ihre Ideen umsetzt, ist schon besonders. Das hat mich an ihr immer schon fasziniert. Es ist ein Zusammenspiel von Komposition, Betrachterstandpunkt und Materialerkenntnis. All diese Komponenten spielen eine Rolle und lassen nun in den exakt 14 x 14 Zentimetern des Rahmens kleine Phantasiewelten entstehen, die einen nicht mehr loslassen.
Es ist auch Dada dabei
Direkt neben dem Eingang entdeckte ich beim Rundgang durch die Ausstellung eine Arbeit, bei der zwei Worte aus den Scherben aufploppen. Dada und Kunst. Fast bin ich ja versucht, zu glauben, dass die Künstlerin hier vielleicht etwas nachgeholfen hat? Aber das würde eigentlich ihr Prinzip sprengen. Umso erstaunlicher ist dieser Zufallsfund, der sich durch ihr Eingreifen zu einem Hinweis auf eine mögliche Interpretation der Werkgruppe „Keramiks“ verdichtet. Ist doch klar, dass Petra Weifenbach Dada zitiert, denke ich. (In diesem Jahr feiert Dada übrigens sein Hundertjähriges.) Auch wenn diese Kunstrichtung mittlerweile im Kanon der klassischen Kunstgeschichte aufgegangen ist: Sie feiert das Subversive und Spielerische! Bis heute macht mir das immer noch am meisten Spaß bei der Kunstbetrachtung. Und wenn man von der formal-ästhetischen Fraktion ist, dann fällt einem sicher das Stichwort Collage ein. Eine Technik, die im Dadaismus Hochkonjunktur hatte. (Wobei Assemblage im Hinblick auf die Keramiks natürlich die korrektere Bezeichnung ist.) Ich fühlte mich stellenweise an Schwitters Merzbau-Fragmente erinnert. Und bei einer Arbeit in der Ausstellung meine ich, eine unverholene Hommage an Marcel Duchamps Pissoir erkannt zu haben.
Es geht um die Wahrnehmung
Die Keramiks fügen sich als spannende Werkgruppe in das Oeuvre von Petra Weifenbach. Hier sind oft Fundstücke aus dem Alltag der Ausgangspunkt für die künstlerische Auseinandersetzung. Wie auch bei der Arbeit „Holland in Not“, die mit einer dieser typischen Delfter Fliesen spielt. Diese wird nicht nur vergrößert mit Fotoabzügen „nachgebaut“, sondern auch noch in eine Sequenz bearbeiteter Pendants eingebaut. So dass sich am Ende eine Überraschung auftut! Dann nämlich, wenn man erkennt, was sich im wahrsten Sinne des Wortes auf den „Fliesen“ abspielt. Im wirklich toll gemachten Katalog schreibt Petra Oelschlägel von einem „Erkenntnisvergnügen“ und dem Betrachter, der erst nach und nach hinter das Konzept des „Fakes“ kommt. Und ja: immer wieder zeichnet sich ein Lächeln im Gesicht des Betrachters ab.
An dieser Stelle muss ich unbedingt ein Wort über die besondere Architektur des Keramions verlieren. Das Gebäude ist den Drehscheiben der Keramiker nachempfunden und man blickt in der Mitte direkt in das Untergeschoss. Das fördert natürlich das Spiel mit der Wahrnehmung im Falle von „Holland in Not“. Überhaupt macht es großen Spaß, durch den lichten großzügigen Ausstellungsraum zu wandern und sich in die kleinen Geschichten zu vertiefen, die Petra Weifenbach mit ihren Keramiks erzählt.
Am Freitag ist Eröffnung der Ausstellung, die man dann bis zum 8. Mai im Keramion sehen kann. Eine Reise vor die Tore von Köln lohnt sich hier auf jeden Fall!
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