„Die ganze Welt ist Bühne
Und alle Fraun und Männer bloße Spieler.
Sie treten auf und gehen wieder ab,
Sein Leben lang spielt einer manche Rollen
Durch sieben Akte hin.“
So spricht ein gewisser Jacques in Shakespeares „Was ihr wollt“. Die Idee des Welttheaters ist also nicht neu (Kai-Eric Schwichtenberg hat in seinem fabelhaften Blogbeitrag noch mehr spannende Referenzen auf diese Metapher erwähnt), aber es gibt einen Künstler, der ihr ganz besonderes Leben eingehaucht hat. Es ist Max Beckmann, dessen Welttheater ich jetzt im Museum Barberini gesehen und genossen habe. Ein wunderbarer Abend, der von Artefakt organisiert wurde, gab die Gelegenheit dazu. Vielen Dank für die Einladung! Ich hatte die Ausstellung schon über den Instagram-Kanal der Kunsthalle Bremen intensiv verfolgt. Jetzt den Originalen zu begegnen, war ein Hochgenuss. Und die Bilder gehen mir noch länger im Kopf herum!
Die thematische Konzentration auf ein Motiv schult das Sehen ungemein. Ich mag solche Präsentationen lieber, als wenn es chronologisch zugeht. Die Ausstellung im Museum Barberini widmet sich den Bildern Max Beckmanns, die sich mit der zentralen Idee des Künstlers beschäftigen, das Weltgeschehen als Bühne darzustellen. Eine Metapher, die schon früh beim jungen Künstler reifte und die er bis zu seinem plötzlichen Tod 1950 immer wieder in seinem Werk aufgegriffen hat.
Beckmann hat mich immer schon magisch angezogen. Im Museum Ludwig gibt es eines seiner Selbstbildnisse, auf dem er so unglaublich nonchalant und lässig wirkt. Was für ein interessanter Mann, dachte ich immer. Selbstbewusste Pose. Seine großen Werke, wie zum Beispiel sein Triptychon „Die Abfahrt“, schienen mir aber auch voller Rätsel. Wahnsinn, dass er da 1933 im Grunde schon vorausahnte, was bald darauf in Deutschland passieren sollte. Seine Triptychen greifen große Menschheitsthemen auf und variieren das Geschehen mit ähnlichem Personal. Die Bühne ist der bevorzugte Raum, auf dem Beckmann alles arrangiert. Nach eigenen Aussagen sei es so für ihn besser auszuhalten gewesen, was an Schrecklichem passierte. Beckmann gehörte zu den Verfemten und war gezwungen, ins Exil zu gehen. Ein nachhaltiger Schock für den Mann, dessen gesellschaftlicher Aufstieg vorher so unaufhaltsam schien.
Inszenierung von Weltanschauung
Man braucht erst mal eine Weile, bis man sich eingesehen hat. Es passiert einfach viel zu viel auf einmal. Die dreiteilige Szene führt uns in „Die Schauspieler“ ein Bühnenstück der besonderen Art vor Augen. Mitten im Geschehen: der König! Beckmann selbst steht hier und richtet den Theaterdolch gegen seine Brust. Er hat das Bild in Amsterdam gemalt, wo er ab 1937 für insgesamt 10 Jahre lebte. Obwohl er eigentlich nach Frankreich gewollt hatte. Obwohl er es für „den Übergang ganz schön“ befand, waren es Jahre der Verzweiflung für ihn. Gleichwohl entstand ein Großteil seines Hauptwerkes in diesen Jahren.
Nach dem Ausbruch des Krieges und die Besetzung der Niederlande durch die Deutschen schien die Lage immer auswegloser. Hatte er zunächst noch heimlich Bilder nach Deutschland verkaufen können, wurde es nun finanziell eng für ihn. Seine Ohnmacht hat er in dieser zentralen Königsfigur ausgedrückt, die wir auf dem Triptychon sehen. Die Menschen unter dem Bühnenboden – sie können ein Symbol für das Leben der Juden im Untergrund sein, das ihm auch im Amsterdamer Exil begegnet ist.
Mich irritiert die Farbgestaltung Beckmanns in den Bildern jener Jahre. Trotz starker Farben wirkt es, als sein ein dunkler Schatten über alles gelegt. Die schwarzen Konturen schneiden wie Zäsuren in das Leben ein. Das Bunte, das er besonders am Zirkus und dem Varieté liebte, wird eingeschwärzt. Da hat etwas düster und schwer auf dem Gemüt gelastet. Seit 1939 hatte sich Beckmann um ein Visum für die Vereinigten Staaten bemüht – als Ausdruck einer leisen Hoffnung hockt in der linken unteren Ecke des „Schauspieler“-Triptychons ein Leser der New York Times. Es sollte aber noch weitere 5 Jahre dauern, bis das Wirklichkeit wurde. Und dann blieben ihm nur noch drei Jahre, bis er tragisch starb. An einem Herzinfarkt, der ihn genau am 27. Dezember 1950 mitten in New York am Central Park West, 61te Straße ereilte.
Socializing with #maxbeckmann
Und so ist es mir beim Ausstellungsbesuch die ganze Zeit ergangen: das Werk Beckmanns lässt sich kaum von seiner Biographie trennen. Immer spürt man den Künstler in seiner Zeit. Es war, als würde er uns an diesem Abend begleiten. Hätte er sich mit uns wohlgefühlt?
Wir hatten jedenfalls eine wunderbare Führung durch Dorothee Entrup, die uns ihre Highlights der Ausstellung gezeigt hat. Und direkt am Anfang darauf zu sprechen kam, dass Beckmann sicher den sozialen Medien gegenüber nicht abgeneigt gewesen wäre. Schließlich habe er immer intensiv Tagebuch geschrieben. Vielleicht würde er heute bloggen, meinte sie. Ja, ich glaube, dass er ein guter Protagonist für Geschichten im Netz sein könnte. Und wer weiß: wenn seine Werke in zwei Jahren gemeinfrei werden, dann kann man darauf noch einmal zurückkommen!
Die Museums-App
Und weil wir ja schon reichlich Anleitung vor Ort hatten, habe ich mir die App dann zuhause ans Ohr gehalten. Auf diese Weise konnte ich alles nochmal nachwirken lassen. Und so sollten für mich auch sinnvolle Apps sein. Man sollte sie vor Ort einsetzen können, aber auch zuhause auf dem Sofa etwas davon haben. Die Barberini-App wird für die jeweilige Ausstellung neu mit Inhalten befüllt. Ein Job, der derzeit noch von der Agentur geleistet wird, die die App einst entwickelte. Perspektivisch kann das wohl aber auch im CMS von Museumsmitarbeitern geleistet werden.
Wie so oft: mir hat die Audio-Version für Kinder so viel besser gefallen, als die Erwachsenen-Tour. Da gibt es eine Story, die die Protagonisten auf den Bildern lebendig werden lässt. Von Schauspielern eingesprochene Texte und Erzählstränge zwischen den Bildern – sowas macht doch nicht nur den Kleinen mehr Freude. Ist aber vielleicht nur mein persönlicher Geschmack. Immerhin sprechen insgesamt 65.000 Downloads für einen großen Zuspruch! Und ich glaube, viele Besucher sind einfach total dankbar für das tolle Leitsystem. Man findet sich wirklich gut zurecht. In der App und auch im Museum. Mich hat besonders der interaktive Lageplan überzeugt. Denn man bekommt hier nicht nur Grundrisse zu sehen. Sondern, wenn man drauf klickt, öffnet sich die Liste der Bilder, zu denen dann weitere Infos erhält. In der App enthalten ist auch weiterführendes Video-Material und gut aufbereitete Informationshäppchen wie zum Beispiel das Beckmann-Portrait.
Potsdam ist immer eine Reise wert!
Mein letzter Besuch in Potsdam liegt 20 Jahre zurück! Da hat sich in der Tat eine Menge getan. Andererseits überrascht mich dieses schräge Nebeneinander von Plattenbau und höfischer Architektur. Mir gefällt das. Dass eben nicht alles schick gemacht ist. Obwohl ich ja ein Fan der Nachkriegsarchitektur bin, kann ich mich allerdings auch für eine wirklich gut gemachte Rekonstruktion historischer Bauten begeistern. Das Museum Barberini ist ja ein Beispiel dafür, wie ein kompletter Wiederaufbau eine in die Stadtstruktur geschlagene Wunde heilen kann.
Ein Highlight ist natürlich Schloss Sanssouci, das bei meinem Besuch allerdings im Schneeregen seine Schönheit nicht ganz entfalten konnte. Sommerresidenz halt! Und alles auf den Garten ausgerichtet. Ich fand es aber auch spannend, den so im Halbschlaf zu betrachten.
Da ich im nächsten Monat zur Mai-Tagung schon wieder in Potsdam sein werde, hoffe ich auf anderes Wetter! Wenn ich überhaupt dazu komme, das Schloss zu besuchen. Denn eine Sache muss ich aus Gründen der Betonliebe unbedingt noch auf die Liste setzen: den Einsteinturm.
Und zum Schluss noch eine Empfehlung: Wer einen Besuch in der Stadt plant, dem sei das Hotel zum Hofmaler im Holländischen Viertel wärmstens empfohlen! Man wohnt mitten in diesem historischen Viertel und das Haus hat großen Charme, tolle Zimmer und ein echt leckeres Frühstück! *reisebloggermodusoff* 🙂
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