Das Kulturerbejahr ist in vollem Gange und ich staune über die vielen Angebote, das große Engagement der Kulturmenschen, die ihre Arbeit damit sichtbarer machen. Zu Tisch! ruft ein besonders schönes Projekt, bei dem man sich durch die herrlichen Fotos klicken kann. Ich sag nur: opulent! Genuss ist ja schon immer mein Thema. Aus der Verbindung zwischen Esskultur und Kunst und habe ich zum Beispiel mit dem Kunstmahl ein schönes Eventformat geschaffen. Und bei Schlössern begebe ich mich ohne zu zögern auf Phantasiereisen, bei denen komischerweise immer irgendwie die Küche und aufregende Tafelfreuden eine große Rolle spielen.
Also genug Impuls, mich auch bei der fabelhaften Blogparade #SchlossGenuss zu beteiligen. Ich habe ja bereits über das Besondere an Schloss Türnich berichtet, das hier quasi vor meiner Haustür liegt. Dort gibt es vielfältige Gelegenheit zum Genuss. Und ich hatte letztes Jahr dort ein ganz besonders schönes Erlebnis, über das ich gerne berichten will.
Das reizende Beitragsbild entnahm ich übrigens der Wikipedia, wo Blätter aus der Sammlung Duncker mit ländlichen Wohnsitzen, Schlössern und Residenzen der ritterschaftlichen Grundbesitzer in der preußischen Monarchie nebst den Königlichen Familien-, Haus-Fideicommiss- und Schatull-Gütern in naturgetreuen, künstlerisch ausgeführten, farbigen Darstellungen nebst begleitendem Text von 1857 bis 1883 digitalisiert vorliegen.
Am Rande der Ville findet man eine ganze Reihe von Schlössern und Burgen. Es lohnt sich immer, mal vor die Tore Kölns bzw. Kölns zu blicken und man wird Überraschungen erleben. So eine Überrraschung gibt es auch ca. 12 Kilometer von meiner jetzigen Heimat entfernt in Türnich (Tanja, leider habe ich nicht herausgefunden, wo genau der Begriff Türnich herkomme, es wird aber in der Geschichte ein gewisser Winandus de Tornich erwähnt – ein Ritter.) Aber meine Überraschung ist ein zauberhaftes Lustschloss aus dem 18. Jahrhundert, das als Maison de Plaisance wahrscheinlich vom französischen Baumeister Michael Leveilly. Ein Franzose, der vom Kurfürsten nach Brühl geholt wurde und der unter anderem auch Bonner Rathaus erbaute.
Verlustieren in der Natur
Das Schloss war einst ein Juwel, im Moment befindet es sich in einer Phase des Erhaltens und Instandsetzens. Darüber ließe sich auch nochmal ein eigener Beitrag machen – vielleicht überrede ich die jetzigen Grafen mal zu einem Interview. Wer neugierig ist und den Weg zu Facebook nicht scheut, dem verlinke ich hier mal die genialen Bilder, die der Architekturfotograf Christoph Seelbach vom jetzigen Zustand im Innenraum gemacht hat. Man ertappt sich dabei, wie man sich wünscht, dass daran nichts verändert wird. Aber nur heimlich! Es ist natürlich absolut wünschenswert, wenn es restauriert wird.
Die endgültige Form des Schlosses entstammt übrigens dem 19. Jahrhundert – man ließ damals die Glanzzeiten aus dem Umfeld der kurkölnischen Residenzschlösser in Brühl wieder aufblühen und verpflichtete sich erneut dem Ideal der Schönheit. Die Beziehung zur umgebenden Natur spielte für eine Maison de Plaisance natürlich eine entscheidende Rolle. Und ich kann nicht umhin, sofort an Goethes Wahlverwandtschaften zu denken. Auch einer solcher ersten Sätze, die in mir an bestimmten Stellen unweigerlich aufblitzen:
Eduard – so nennen wir einen reichen Baron im besten Mannesalter – Eduard hatte in seiner Baumschule die schönste Stunde eines Aprilnachmittags zugebracht, um frisch erhaltene Pfropfreiser auf junge Stämme zu bringen. Sein Geschäft war eben vollendet; er legte die Gerätschaften in das Futteral zusammen und betrachtete seine Arbeit mit Vergnügen, als der Gärtner hinzutrat und sich an dem teilnehmenden Fleiße des Herrn ergetzte.
Der Landschaftspark, der das Schloss und die Vorburg umgibt, ist wunderschön und es wandelt sich ganz wunderbar dort. Englische Vorbilder von Naturgestaltung blitzen durch und es ist mir sehr angenehm, dass die Natur an vielen Stellen den Ton vorgibt und nicht der Gestaltungswille. Ich bin auch ganz großer Fan der kleinen Hühnergemeinde, die dort in einem großzügigen Gehege lebt.
Ökologie und Landwirtschaft
Unter dem jetzigen Grafen Godehard von und zu Hoensbroech entstand bereits in den späten 80er Jahren eine landwirtschaftliche Nutzung der Ländereien von Schloss Türnich, die als demeter-Landwirtschaft vor allem auf die Biodiversität setzt und nicht nur auf möglichst ertragreiche Ernte. Der Natur lässt man genügend Raum zur Erholung der Böden und das beweist ein ganzheitliches Verständnis von der Landwirtschaft, das ich sehr unterstützenswert finde. Wenn wir uns mal kurz in die späten 80er zurückbeamen, lässt sich erahnen, wie fortschrittlich man damals in Türnich gedacht und geplant hat. Das zahlt sich langsam aus und ich bin gerne hin und wieder auf dem kleinen Wochenmarkt am Schloss, auf dem ich mich mit ein bisschen Gemüse und Obst eindecken kann. Der Apfelsaft von dort ist der Knaller! (Ich finde aktuell allerdings keinen Hinweis, ob und wann er mal wieder ist. Schade, aber wenn alles aus relativ begrenzten personellen Ressourcen gespeist werden muss, ist das leider so!)
Kräuter, Kräuter – wilde Kräuter
Nun aber zu meinem Highlight und meiner ganz persönlichen Schlossgenuss-Erfahrung, die ich letztes Jahr auf Schloss Türnich machen durfte. Ich nahm an einem Kräuter-Wander-Workshop teil und schwelgte in Wildkräutern, die wir als kleine Teilnehmer-Gruppe auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen des Schlosses eingesammelt haben. Bevor ich groß weiterschreibe, habe ich hier eine kleine Galerie für euch.
Mit Christine Knauft von wildes Grün haben wir an diesem Nachmittag so viel gelernt, sie wusste auf jede nur erdenkliche Kräuterfrage eine passende Antwort. Man merkt in ihr das Naturkind durch und durch und ich denke oft an das Erlebnis. Die Idee der Brennesselpraline habe ich von ihr und wir haben es dann wunderbar auch für unser #wirziehnfallera nutzen können. Wer möchtre, zupfe sich direkt heute auf dem Weg nach der Arbeit ein frisches Brennesselchen und rolle es ganz schnell auf der Handinnenfläche. Das zerstört die Brennhaare und man kann den wunderbar grasigen grünen Geschmack der Brennessel hervorragend schmecken. Ich möchte fast dazu aufrufen: esst mehr vom Wegesrand. Christine konnte auch meine diffuse Angst vorm Fuchsbandwurm beruhigen.
Mein Liebling unter den Wildkräutern ist übrigens der Gundermann. Den habe ich sogar hier auf meiner Terrasse in einem großen Topf angepflanzt. Der ist super im Salat, aber auch toll als Zusatz in selbstgemachter Limonade. Und schon Hildegard von Bingen wusste die Gunderebe zu schätzen. Hier ein herrlich mittelhochdeutsche Anleitung dazu:
Wer swach ist vnd jme das fleisch sins libes entgett, der siede diß crut in wasser vnd bade do mitt oder esse es in suffen oder gekochet mit fleisch oder in küchelin, so kompt er wider.
Wissta Bescheid! Ich könnte mir ja gut vorstellen, eines Tages nichts anderes mehr zu tun, als Kräuter zu sammeln und daraus Köstlichkeiten zuzubereiten. Aber leider muss ich noch andere Dinge tun und so beende ich heute den Exkurs zum Schlossgenuss und hoffe, es hat euch Spaß gemacht, ein wenig davon zu erfahren. Ich finde gerade diese Kombination aus Bodenständigem und Feudalem so bemerkenswert an Schloss Türnich. Und wenn ihr je in der Nähe seid, sagt Bescheid, dann treffen ich euch zu einem Spaziergang durch den Park.
Kommentar verfassen