Erinnerung an Luise Straus Ernst


Sie war Kölnerin, Jüdin und Kunsthistorikerin und es gibt viele Dinge, die ich mit Louise Amelie Straus verbinde. Welche berührende Lebensgeschichte es über sie zu erzählen gibt, was mich immer besonders an ihr fasziniert hat, das erzähle ich in diesem Blogbeitrag. Den schiebe ich gerne in die fabelhafte Blogparade #femalheritage, die von der Monacensia und Tanja Praske angezettelt wurde. In Ermangelung rechtefreier Fotos von Luise Straus Ernst habe ich sie einfach von einem Foto abgezeichnet. Ich hoffe, ihr bekommt einen kleinen Eindruck, sonst gerne googeln. Und am Ende des Textes habe ich auch noch eine Überraschung für euch parat.

Sie waren nur ein paar Jahre verheiratet, dennoch haftet Lou Straus das Label „erste Ehefrau von Max Ernst“ bis heute an. Dabei war sie so viel mehr. Sie verkörperte das, was man damals als Bild der neuen Frau beschrieben hat. Eigentlich entstammte sie einem „goldenen Käfig“, wurde am 2.12.1893 als Tochter einer wohlhabenden jüdischen Familie am Rathenauplatz (damals noch Königsplatz) in Köln geboren und wuchs behütet im Schatten der großen Synagoge an der Roonstraße auf. Erstaunlich, dass sie dann 1912 nach Bonn zum Studium ziehen durfte – in ein kleines eigenes Zimmerchen in einer Pension. Im Studium lernte sie Max kennen, der aber nicht ihre erste große Liebe war. Das war vielmehr Karl Otten, der allerdings in eine merkwürdige Schmuggelaffäre verwickelt war und fluchtartig Bonn verlassen musste.

Max Ernst, war ein charmanter Kommilitone. Aber mit Sicherheit nicht der Wunschschwiegersohn für die Familie Straus. Er kam aus einem sehr katholischen Elternhaus in Brühl. Sein Vater, ein Lehrer und Hobbymaler hatte ihn in jungen Jahren immer als „Jesuskindsche“ auf seinen Madonnenbildern verewigt. Ein Trauma, das Max später in einem seiner Bilder verarbeiten wird. Als Luise glaubte, schwanger zu sein, spitzte sich die Lage zu, die Familie fürchtete einen Skandal und Max Ernst kam aus dem Krieg, um um ihre Hand anzuhalten. Ein Monat vor Kriegsende wurde dann tatsächlich geheiratet. Luise war mittlerweile promoviert und veröffentlichte erste Artikel als Kunsthistorikerin.

Notre Dame de Dada

Man zog in eine Wohnung am Kaiser-Wilhelm-Ring 14, die in Zeitzeugen-Berichten als merkwürdige Mischung aus Atelier und bürgerlichem Wohnzimmer beschrieben wurde. Hier empfing man viel Besuch, Hans Arp kam vorbei und auch Anton Räderscheidt mit Marta Hegemann. Die erste Zeit nach dem überstandenen Krieg war geprägt vom Willen, neu zu beginnen. Man diskutierte darüber, was die zukünftigen Aufgaben der Kunst sein könnten. Max wurde zum Dadamax und es gab verrückte Ausstellungsprojekte in Hinterzimmern von Brauhäusern. Luise war immer als wichtige Protagonistin mit von der Partie. Notre Dame de Dada entstammt übrigens der wunderbaren Biographie, die Eva Weisweiler über Luise Straus Ernst geschrieben hat und die ich euch wärmstens ans Herz legen will. Ebenso wie die Autobiografie Nomadengut (nur noch antiquarisch).

Weil man zu dieser Zeit ja immer schnell dabei war mit dem Gründen neuer Künstlervereinigungen, gründeten Max Ernst und andere die Gesellschaft der Künste, zu deren Schriftführerin Luise Straus Ernst ernannt wurde. Man korrespondierte mit den Protagonisten der Novemberrevolution in Berlin und strebte die „Befreiung der Kunst von jeder Bevormundung“ an.

Luise, die zuvor schon als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Wallraf-Richartz-Museum gearbeitet hatte, übernahm für eine kurze Zeit kommissarisch sogar dessen Leitung. Aber natürlich musste 1919 schnell ein Mann auf diesen Posten gesetzt werden – man bedenke, dass man ja gerade erst mal darüber diskutiert hatte, ob Frauen das Wahlrecht gewährt werden sollte.

Immer wieder begegnete Luise Straus dem Vorbehalt gegenüber gut ausgebildeten Frauen, nicht wenige wunderten sich darüber, dass sie in der Ehe den Doktortitel trug. Dass sie sich zudem nicht unbedingt als Hausmütterchen eignete, war mindestens ungewöhnlich und führte zu vielen Unstimmigkeiten mit Max Ernst. Er sah sie nicht als gleichberechtigte Gesprächspartnerin und wollte sie in die Rolle der Gastgeberin drängen, die Schnittchen reichte, wenn sich die Kunstszene bei ihnen traf. Nachdem er mit Johannes Baargeld einen Bruder im Geiste getroffen hatte, trieb er die Idee von Dada auf die Höhe und löste sich von der Gesellschaft der Künste.

Luise Straus hielt Ende 1919 übrigens einen viel beachteten Vortrag über die Erneuerung der Kunst, in dem sie den Expressionismus lobte und für den sie daraufhin viel Schelte in der Presse einstecken musste. Überhaupt war sie eine exzellente Autorin, versorgte die kleine Familie zudem nahezu allein durch ihre Honorare und war eine wichtige Gefährtin für Künstlerinnen wie Marta Hegemann und Angelika Hoerle, mit denen sie sich im Köln jener Zwischenkriegsjahre zu einem lebenslustigen Trio zusammenfanden.

Das Drama nimmt seinen Lauf

Als den Ernstens im Jahre 1920 ein Sohn geboren wurde, sah alles zunächst doch wieder nach einer Bilderbuchfamilie aus. Und gesellschaftlich gesehen war dies ja die eigentliche Bestimmung der Frau. Auch wenn sie eine liebevolle Mutter war, muss Luise Straus schmerzlich erfahren haben, dass sie beruflich nicht weiterkommen konnte. Auch Armada von Duldgedalzen und Rosa Bonheur des Dadas hatten erstmal hinten anzustehen. Mit diesen Pseudonymen war Luise in der Dada-Szene bekannt, hatte Texte veröffentlicht und sich unter anderem mit Collagen hervorgetan. Und nicht nur ihre Mutterschaft, auch das Auseinanderdriften der Kölner Kunstszene führten dazu, dass die Aufbruchstimmung der ersten Jahre verflog.

Max Ernst hingegen freundete sich immer mehr mit der internationalen Dadaisten an und schielte begehrlich nach Frankreich, wo André Breton und Paul Eluard Großes vorhatten. Als Max 1921 seine erste Ausstellung in Paris vorbereitete, war Luise schon nicht mehr im Boot und alles deutete darauf hin, dass man sich auseinanderleben würde. Und dann stand auch noch Paul Eluard mit seiner russischen Frau vor der Tür der Kölner Wohnung. Gala, die Geheimnisvolle und von ihrem Mann über die Maßen verehrte Muse der Surrealisten, die mit ihrer Präsenz in die ohnehin schon schwierige Ehe von Luise und Max einbrach. Was dann folgt, ist Kunstgeschichte, aber auch das ganz individuelle traurige Leid einer Frau, die zurückbleiben und mit ansehen muss, wie sich ihr Mann ein anderes Leben aussucht.

Luise Straus war finanziell am Ende, stand mit dem zweijährigen Jimmy alleine da. Sie erkrankte schwer. Ihr Vater hatte nach dem Tod ihrer Mutter neu geheiratet und sie konnte von der Familie kaum Unterstützung erwarten. So versuchte sie sich als Sekretärin, arbeitete in der Fabrik am Fließband, gab Museumskurse zur Geschichte der Keramik. Und sie schrieb. Ihre Kunst- und Theaterkritiken wurden zunehmend geschätzt und so begann sie, sich aus dem tiefen Tal herauszuarbeiten und es zu einer gewissen Anerkennung und Erfolg zu bringen.  

In ihrem Leben als selbstbewusste lebenslustige Frau hatte Luise sich in den zwanziger Jahren einigermaßen eingerichtet. Sie war in der Szene bekannt und beliebt, man feierte sie auf den Lumpenbällen und schätze ihren scharfsinnigen Blick auf die Kunst. Es gab auch nicht wenige Männer, die ihr den Hof machten. Mittlerweile war sie mit Jimmy und einem treu ergebenen Hausmädchen nach Sülz gezogen und führte in der Emmastraße in ihrer Wohnung einen weithin bekannten Treffpunkt für Künstlerinnen und Künstler. Sogar Brecht soll einmal zu Besuch gewesen sein.

Wenn wir heute auf diese Zeit blicken, wissen wir, was kommen wird und natürlich war das Leben schlagartig ein anderes, als die Nationalsozialisten an die Macht gelangten. Luise musste nach Paris fliehen, ihren Sohn konnte sie zunächst bei ihrem Vater unterbringen. In Paris hielt sie sich mit Schreiben und Deutschunterricht über Wasser und tauchte in den Kreis der Emigranten aus allen Ecken Europas ein. Als 1938 ihr Sohn nach New York ausreisen und Max Ernst mit Hilfe von Peggy Guggenheim 1941 in die USA fliehen konnte, glaubte Luise immer noch, sie müsse nicht emigrieren. Es gab einige Bemühungen ihres Sohnes, aber auch seitens Maxs, sie nach Amerika zu holen. Aber Luise hatte unterdessen eine Beziehung mit dem Kunsthistoriker Fritz Neugass begonnen und lebte mit ihm in der Provence. Neugass verließ allerdings 1941 Europa ebenfalls mit dem Ziel USA und Luise blieb allein in dem Ort Manosque zurück, der 1943 von den Deutschen okkupiert wurde.

Es stimmt mich unendlich traurig, wenn ich noch einmal nachvollziehe, was dann passiert ist und man kann sich nicht vorstellen, wie schrecklich alleine und schutzlos Luise Straus in dieser letzten Phase ihres Lebens war. Sie war schwach, musste sich Operationen unterziehen und wurde mit ständigen Razzien gequält. Nachdem man sie Ende April festgenommen hatte, wurde sie am 30. Juni 1944 nach Ausschwitz deportiert, wo sie ermordet wurde.

Ich bin aber auch froh, dass ich im Rahmen der Blogparade #femaleheritage noch einmal auf diese tapfere und großartige Frau blicken darf und wir uns alle gemeinsam an sie erinnern und ihre Fähigkeiten in den Fokus rücken. Deswegen habe ich zum Schluss auch noch einen besonderen Moment, den ich mit euch teilen möchte.

Die wunderbare Schauspielerin Sonja Kargel habe ich durch eine Stadtführung in Köln kennengelernt, die sie zu Irmgard Keun gemacht hat. Sie schlüpft aber auch in die Rolle von Luise Straus Ernst und führt zu Orten in Köln, die mit ihr in Verbindung stehen. Und ich freue mich sehr, dass sie meiner Bitte nachgekommen ist, einen kleinen Text von Luise einzulesen. Dieser Text hat sich mir sehr ins Gedächtnis eingeprägt. Rosenmontag 1933. Luise hat hier sehr eindrücklich beschrieben, wie das Schlimme am Horizont aufzieht, während die Feierwütigen nichtsahnend in bunten Kostümen durch Köln zogen.

Wer mehr über Sonja wissen will, der kann sich hier informieren und ich empfehle an dieser Stelle sehr gerne eine Weihnachtslesung von ihr.

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4 Antworten zu “Erinnerung an Luise Straus Ernst”

  1. Liebe Anke,

    so wunderschön, so eine spannende Frau mit traurigem Schicksal am Ende! Deine Überraschung ist großartigst!!! Wie vorausblickend Luise Straus Ernst das Faschungsgebaren 1933 schilderte: „Für mich war das Fest zu Ende“.

    Wir danken dir sehr für deinen Beitrag, durch den wir wieder einmal viel Neues lernten!!

    Die Blogparade #femaleheritage hat uns überwältigt und tut es noch. Die Vielfalt der Themen und auch die Ideen der Ausgestaltung begeistern uns. Zeigen diese doch, wie sehr „Frauen und Erinnerungskultur“ bewegen, einen Nerv getroffen haben. Uns liegen noch viele Gastbeiträge vor, die wir auch nach Ende der Blogparade, über den 9.12. hinaus, veröffentlichen werden. Einen pro Tag, um den Texten und Gedanken im Social Web Raum zu schaffen.

    Absolut happy und beschwingt geht es jetzt in den Dienstag hinein – danke dir dafür!!!

    Herzlich,
    Tanja Praske, Digitale Vermittlung, Monacensia

    • Liebe Sonja,
      ich danke dir für dein Mittun und die tolle Lesung!!!! Irgendwie so schön, dass Luise eine Stimme bekommen hat.

      Herzlichst
      Anke

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