Letzte Woche machten Julian und ich einen Abstecher nach Groningen, um uns die Bowie-Ausstellung anzusehen. Die hatte ich schon länger auf dem Schirm und nach seinem unerwarteten Tod wollten wir natürlich erst recht dorthin. Auch wenn die Schau mit all ihren fantastischen Bühnen-Outfits und Original-Songtexten unbedingt sehenswert ist: Ich habe mich stellenweise ein bisschen beklommen gefühlt, als ich durch die abedunkelten Räume mit all den Bowie-Figurinen wanderte.
Was aber toll ist an der vom Victoria and Albert Museum eingerichteten Schau ist: es werden auch die Berührungspunkte Bowies mit der bildenenden Kunst herausgestellt. Diesen bin ich noch einmal gezielter nachgegangen und habe einige davon gesammelt. Das darf gerne ergänzt werden.
Expressionismus
Die leidenschaftlichen Farborgien der Brücke-Künstler haben Bowie in Berlin erwischt, als er sich dort in den Jahren 1976 – 1978 lebte. Es gibt unzählige Geschichten um seine unprätentiöse Lebensweise dort. Und natürlich auch zu seiner Musik und den Hansa-Studios. (Schon schräg: wie eine Art Reliquie hängt in der Ausstellung der Schlüssel zu seiner Wohnung in der Hauptstraße 155).
In Berlin muss er die Nähe zu den Expressionisten besonders gespürt haben. Er soll gerne ins Brücke-Museum gegangen sein. Spannend finde ich die Idee, eine expressionistische Körpersprache für das Fotoshooting zum Plattencover von „Heroes“ zu übernehmen. Das von Erich Heckel 1917 gemalte Porträt des Roquairol (eine Romanfigur aus Jean Pauls „Titan“), hat Bowie beeindruckt. Er und auch Iggy Pop für „The Idiot“ stellten ähnliche Posen nach.
Bei Jean Paul ist Roquairol gemeint als die Personifizierung einer zerrissenenen Künstlerfigur. Sicher eine Vorlage, die die beiden Musiker in den drogengeschwängerten Zeiten damals bewusst aufgegriffen haben. Auch eine Verbindung zu Bildern des Künstlers Egon Schiele scheint nicht abwegig. Es gibt sogar ein Schwarzweiß-Foto Schieles, auf dem er ähnlich gestikuliert. Später beim Cover für „Lodger“ (1979) taucht ein Bezug zu Schiele noch einmal auf.
Man liest viel davon, was Bowie in seiner Musik und auch seinem Artwork auf der Bühne beeinflusst habe. Zum Beispiel, dass Otto Muellers „Liebespaar zwischen Gartenmauern“ (1916) den Text von „Heroes“ inspirierte. Ja, ich weiß: Tony Visconti hat auch erzählt, welchen Anteil er an der Entstehung des Songs wohl hatte. Wahrscheinlich war es ein ständiger Strom an Bildern, die Bowie damals in sich aufgesaugt hat.
Schon vor Berlin hat Bowie den Expressionismus aufgegriffen. Im Bühnenbild zur „Diamond Dogs“ Tour (1974) sollen Einflüsse von George Grosz zu sehen sein. In jedem Fall spürt man dort die Nähe zum expressionistischen Film mit seinem schrägen Kulissen.
Bowie als bildender Künstler und Sammler
Seine eigene Malerei ist ebenfalls vom Expressionismus geprägt. Auch wenn mir sein Porträt von Iggy Pop auf den ersten Blick in der Ausstellung nicht ganz so gut gefiel – seine Bilder haben etwas! Ein bisschen im Stil der Neuen Wilden. Besonders gut finde seine Zeichnungen. Einige erinnern an Ludwig Meidner. Irgendwo habe ich dieser Tage gelesen, dass Bowie eine überraschend „normale“ Schrift gehabt habe. Komisch, das dachte ich beim Rundgang durch die Ausstellung auch. Trotz spannendr Cut Up Technik (assoziatives Sammeln von Schnipseln) wirkt die akkurate Blockschrift Bowies sehr brav.
Bowie sammelte selber auch Kunst und diese Tätigkeit hat wohl die Phantasie der Yellow Press angeregt. Einmal berichtete Bowie davon, dass er sehr überrascht las, er würde angeblich die Präraffaeliten sammeln. Scheint eine absurde Vorstellung für ihn gewesen zu sein 🙂 Was aber wohl stimmt: Er besaß einen Tintoretto und einen Rubens. Ansonsten war die Sammlung vor allem geprägt von der jungen Kunst Großbritanniens.
<< Exkurs!! Es durfte natürlich unter gar keinen Umständen in der Bowie-Schau fotografiert werden. Und ich werde hier besser auch keine Abbildungen aus anderen Quellen einbinden. Deswegen verlinke ich nur. Ist leider ein bisschen mühsam und ihr müsst – wenn es euch interessiert – ein paar Klicks machen. Ich hoffe, ihr lest es auch ohne ausführliche Bebilderung gerne! >>
Pop Art Op Art
Andy Warhol, Silver Screen
Can’t tell them apart at all
Ein Video in der Ausstellung hat mich besonders interessiert. Es zeigt Bowie 1971 beim Besuch der Factory. Das ist eine fantastische Studie der Begegnung zweier Großer. Bowie hat im selben Jahr (ich glaube etwas später) den Song „Andy Warhol“ auf seiner Hunky Dory Platte herausgebracht. Es heißt, Warhol mochte den Song nicht. Und anscheinend mochten sich die beiden Protagonisten der Popkultur auch nicht besonders. Man sieht Bowie mit langen Walle-Haaren und einem Schlapphut. Er ist zu einem der legendären Screen Tests von Warhol gekommen und hat diesen mit einer etwas absurd wirkenden Pantomime überstanden. Danach smalltalkt er mit Mitarbeitern der Factory. Warhol steht mit einer Truppe junger Männer abseits und blickt irgendwie ein bisschen missgelaunt auf den charmanten Bowie.
1996 spielte Bowie dann Warhol in dem von Julian Schnabel inszenierten Film über Basquiat. Er trug eine silberne Perücke, die früher tatsächlich Warhol gehört haben soll. Bowie betonte gerne die Bedeutung von Warhol, indem er auf den radikalen Schritt verwies, dass jemand sich getraut habe, eine Suppendose zur Kunst zu erheben.
Man hätte vielleicht ein Warhol-Porträt von Bowie erwarten können. Das gibt es aber nicht. Auch kein Plattencover. Da passte für Bowie eher jemand wie Victor Vasarely, der Erfinder der Op Art. Eines seiner Werke diente als Hintergrund für die Covergestaltung zu „Space Oddity“, das 1969 herauskam. Wenn man sich noch einmal Kubricks „2001“ anschaut, dann findet man in diesem Science Fiction Epos eine Ästhetik mit ganz ähnlichen grafischen Impulsen. Da passt das inhaltlich wunderbar. Und Vasarely und Bowie verstanden sich offensichtlich bestens, was einige wunderbare Fotos aus dem Jahre 1977 beweisen.
Ein Freund der zeitgenössischen Kunst
Besonders in Erinnerung geblieben ist mir Bowies Arbeit mit Tony Oursler. Dessen verstörende Puppen hatte ich mal im Museum Ludwig gesehen (war das zur Ausstellung „I love New York“ 1998??). In einem Interview beschreibt der Künstler seine besondere Verbindung zu Bowie. Im Video zu „Where are we now“ (2013) reflektiert dieser als singende Puppe seine Berliner Jahre. Ein bisschen creepy wirkt das schon. Aber auch wie ein archaisches Wesen, das überzeitlich die Geschehnisse von damals zu ordnen versucht. Die Zusammenarbeit mit Oursler geht da schon einige Jahre. Bereits 1997 war der Künstler für Video-Installationen zur Earthling-Tour verantwortlich. (Dieser unglaubliche Mantel von Alexander McQueen, den Bowie auf dem Plattencover trägt, war eines der schönsten Exponate in der Ausstellung.)
Mit Tracey Emin hat Bowie einmal ein tolles E-Mail-Gespräch (2001) geführt. Ende der Neunziger hatte Bowie begonnen, sich intensiv um die Förderung junger Künstler zu kümmern und so entstand auch der Kontakt zu Emin, den er aktiv suchte. Das Gespräch der beiden ist wirklich lesenswert. Ich habe mir mal ein Zitat daraus geschnappt, das mich besonders berührt hat.
TE: I’ve never been really good on the history of art and I’ve never really studied it. I didn’t go to the Tate gallery until I was 22 – I didn’t even know where it was – but I got into Egon Schiele when I was 14 because your LP cover for Lodger was inspired by Schiele. From then on I took an interest in German expressionism. But I don’t think anyone is going to be a successful artist by parodying something that has gone before.
DB: I would have to disagree with you. I think so much well-known work over the last 10 years or so has been a restatement of earlier stuff. Everyone from Nauman and Beuys to Koons and Richter has been raided and pillaged. On the shoulders of giants, etc. Although what’s been just as fascinating is the reluctance of many observers to credit the original pieces where it might have been appropriate or illuminating.
TE: I once quoted to you the line from The Man Who Fell to Earth where you say to your driver, „Slow down, Arthur.“ At the time you said you had no memory of this line; you were on uppers, downers, a concoction of drugs just to keep you going. Do you think being „out of it“ adds to the creative process, or is this a myth? I mean, Van Gogh and absinthe, Victorian writers and opium, rock stars and cocaine.
DB: Mmm… having experienced drugs, the work is never the same again. Station to Station was a drug album. Low and Heroes were not. Never Let Me Down was. It’s all contradictory.
Auch mit Damien Hirst war Bowie enger verbandelt. Mit eigenen Arbeiten reflektierte er den Skandal, den Hirst mit seiner Kunst ausgelöst hatte.
I had been thinking about the repercussions of Damien Hirst’s piece „The Physical Impossibility of Death in the Mind of Someone Living.“ This is the piece Damien built in 1991 incorporating a fully grown shark in a tank of formaldehyde. In 1994 a real conflict had developed in British art between the supporters of traditional painting and those of the new young British artists. To identify this tussle, and as I was now working with the computer, I chose to collage various subjects together symbolising both sides of the argument. (bowieart.com)
Was bleibt
Ashes to Ashes. So viele Erinnerungen. Keine Pilgerstätte, sondern seine Musik. Seine Musik. Ziggy Stardust. Major Tom. Der Mann, der vom Himmel fiel. The Thin White Duke. Im letzten Raum der Ausstellung sind noch einmal viele seiner Bühnenkostüme in einer besonderen Weise inszeniert. Und es gibt eine Wand mit einem Screen, auf dem ganz viele Bilder durchlaufen, die zeigen, wie diese in der Welt der Mode adaptiert wurden.
Ganz besonders gut gefällt mir auch dies hier:
„Barnbrook loved working with David Bowie, he was simply one of the most inspirational, kind people we have met. So in the spirit of openness and in remembrance of David we are releasing the artwork elements of his last album (Blackstar) to download here free under a Creative Commons NonCommercial-ShareAlike licence.„
Kommentar verfassen