Auf den Spuren der Preußen in Westfalen I


Die Preußen – an was denkt ihr, wenn von den Preußen die Rede ist? Irgendetwas in Richtung Disziplin und Militär, oder? Und dass sie eher in und um Berlin herum verortet sind. Als Kölnerin weiß ich natürlich, dass die Preußen zum Beispiel auch im Rheinland unterwegs waren. Aber wie eng verbunden die Geschichte vor allem Westfalens mit ihnen schon seit vielen Jahrhunderten gewesen ist, das ist mir erst nach einer Tour bewusstgeworden, auf die ich mich im Auftrag des LWL-Preußenmuseums Minden begeben habe.

(Die Adlerparade des Beitragsbildes habe ich übrigens im Geschichtsmuseum Lüdenscheid gesehen!)

Netzwerk Preußen in Westfalen

Das Museum ist die Zentrale für das weit verzweigte Netzwerk „Preußen in Westfalen“, in dem sich über 60 Institutionen zusammengeschlossen haben, um die preußische Prägung der Region sichtbar zu machen. Hier sind mehrere Museen zusammengebunden, in deren Sammlungen man sich wunderbar auf Spurensuche begeben kann.

In zwei Beiträgen habe ich meine dreitägige Reise als Serviervorschlag beschrieben, denn sie ist ein perfekter Kurzurlaub mitten in Deutschland. Und am Ende habe ich mit den vielen unterschiedlichen Perspektiven tatsächlich ein neues Bild von den Preußen erhalten. Und ich habe mich auch dem legendären Westfalen-Bewusstsein angenähert. Ihr lest hier und im nächsten Blogbeitrag, was es damit auf sich hat und werdet von mir zu fünf ganz besonderen Orten mitgenommen. Die Touren seien euch jetzt schon sehr zur Nachahmung empfohlen!

Teil 1 meiner Tour führte mich ins Siegerlandmuseum und zum Geschichtsmuseum Lüdenscheid.

Das Siegerlandmuseum in Siegen

Wunderschöne Schieferfassade! Der Eingang zum Siegerlandmuseum im Innenhof mit altem Kopfsteinpflaster ist sehr stimmungsvoll.

Die erste Station meiner Reise ist das Alte Schloss in Siegen, die historische Burganlage, die hoch oben über der Stadt thront. Ein geschichtsträchtiger Ort, wie mir vor allem dann bewusst wurde, als ich den Oranier-Saal des Museums betrat. Von hier aus geht nicht nur eine enge Verbindung zum niederländischen Königshaus aus, sondern es lassen sich viele Verbindungslinien in weitere europäische Königshäuser ziehen. Johann Moritz Fürst von Nassau-Siegen (1604 – 1679) ist eine zentrale Figur in dieser Ahnenreihe. Er brachte auch das berühmte Krönchen nach Siegen, das er seiner Stadt schenkte, als er 1652 durch Kaiser Ferdinand III. zum Reichsfürsten ernannt wurde.

Vor dem Porträt der Urmutter vieler Dynastien machte ich innerlich einen Knicks: Juliane von Stolberg. Auch das Schicksal der Anna von Sachsen lernte ich hier kennen. Mit ihr lässt sich eine erschütternde Biografie verbinden und Schicksalsjahre, die sie als Gemahlin Wilhelms von Oranien hier auf dem Schloss verbrachte. Für all diejenigen, die sich möglicherweise im dynastischen Wirrwarr verheddern könnten, gab es im Siegerlandmuseum eine schöne Schautafel. Hier kann man auch eine Verbindungslinie zum Großen Kurfürsten verfolgen. Mit Friedrich Wilhelm von Brandenburg begann der Aufschwung Brandenburg-Preußens im 17. Jahrhundert.

Als ich über den historischen Steinboden lief, spürte ich die vergangenen Epochen ganz hautnah. Überhaupt habe ich das Alte Schloss mit seinen verwinkelten Raumfolgen als eine Art begehbare Zeitmaschine wahrgenommen. Auch wenn nur wenige Räume komplett erhalten wurden, pulsiert die Vergangenheit in den alten Mauern auch heute noch. Mit Möbeln aus unterschiedlichen Epochen hat man das Leben hier gut rekonstruiert und selbstverständlich spielt auch Peter Paul Rubens eine zentrale Rolle, der nicht weit vom Schloss entfernt das Licht der Welt erblickte.

Als 1815 das Siegerland an Preußen fiel, zogen ins Schloss das Landratsamt, die Steuerverwaltung und das Katasteramt ein. Eine wenig glamouröse Zeit begann, teilweise wurde das Gebäude sogar als Gefängnis genutzt. Im Jahre 1888 erwarb die Stadt Siegen dann das Schloss vom preußischen Staat und schon Ende 1905 wurde es als Museum genutzt.

Eine Schule für den Bergbau

Einen Schwerpunkt der Sammlung gilt es hier besonders herauszustellen: der Bergbau als zentrales Merkmal des Siegerlandes, der in der Gegend schon seit dem Mittelalter ausgeprägt war. In der französischen Besatzungszeit hatte man hier nicht viel investiert und den Bergbau wenig gefördert. Erst als die Preußen sich in Siegen etablierten, fiel auf, dass es an der Zeit war, technisches Know-how nachzuholen, um diesen wertvollen Wirtschaftszweig auf vernünftige Beine zu stellen. Da die Preußen nach qualifizierter Ausbildung in diesem Bereich strebten, entstand die Siegener Bergschule, die vor allem Führungskräfte ausbilden sollte. Die Schule, die mit Unterbrechungen bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein existierte, war mit ambitionierten Lehrplänen und engagierten Lehrern ausgestattet worden. Sie genoss einen hervorragenden Ruf und Absolventen waren später weltweit im Einsatz.

Im Siegerlandmuseum finden sich zahlreiche Zeugnisse dieser Zeit, die dem Bergbau noch einmal neuen Schwung verlieh. Dass sie als Königliche Bergschule Siegen geführt wurde, macht das Interesse der Preußen an dieser Einrichtung deutlich.

Hier sehen wir Absolventen und Lehrer der Bergschule Siegen (1895 – 1896) posieren.
Die Schüler trugen voller Stolz die sogenannten Steigeruniformen.

Modellcharakter

Mir haben es in der Sammlung vor allem die zahlreichen liebevoll gestalteten Modelle angetan. Wie jenes vom Kaiser-Schacht, das zudem noch mit wertvollen Mineralien verziert worden ist.

Mir wurde an solchen Beispielen klar, wie sehr die Region von der Eisenerzverarbeitung geprägt ist. Immer wieder begegnete ich im Museum den technischen Errungenschaften wie zum Beispiel dem beeindruckenden Wasserhammer, auf den man damals besonders stolz war. Das Siegerlandmuseum ist auch Teil der Wasser-Eisen-Land-Kampagne (https://www.wassereisenland.de/), die mir auf meiner Route noch an mehreren Stellen begegnet ist.

Besonders beeindruckend fand ich das Schaubergwerk im Museum, das 1938 unter dem Schloss in die Tiefe gegraben wurde, um die Arbeit im Bergwerk zu dokumentieren. Hier können Besucher*innen auch heute noch die Faszination „unter Tage“ erleben.

Immer mit Adleraugen (!) nach Preußen-Bildmaterial suchend, stieß ich auf ein schmuckes Kaiser-Porträt, das auf dem Inneren einer Hutschachtel einer ortsansässigen Uniform-Mützen-Fabrik prangt. Und der Preußenadler muss natürlich auch sein: er hält im Schnabel das Schild der Feuerwehr Siegen.

Nach der Tour durch das Siegerlandmuseum war noch Zeit für einen Rundgang durch Siegen und einen kurzen Zwischenstopp am Denkmal der Germania, das dort als Krieger-Ehrenmal 1877 zur Erinnerung an die deutschen Einigungskriege gegen Dänemark (1864), Österreich (1866) und Frankreich (1870/71)errichtet worden ist. Hier wird sie sehr deutlich: die Militärmacht Preußen! Aber es gibt eben noch mehr zu entdecken und deswegen geht es von Siegen weiter in Richtung Norden.

Ein lohnender Zwischenstopp: Fotos machen in Freudenberg

Auf dem Weg zu meiner nächsten Station, den Geschichtsmuseen der Stadt Lüdenscheid, gönnte ich mir noch einen Abstecher! Schon lange wollte ich einmal nach Freudenberg fahren, um die sensationelle Altstadt aus zahlreichen Fachwerkhäusern dort zu betrachten. Was für ein Glück, dass der Ort auf unserer Route liegt. Die historische Altstadt ist als „Alter Flecken“ über die Grenzen des Landes hinaus bekannt und ein beliebtes Fotomotiv. So einheitlich und aus einem Guss mit zahlreichen Fachwerkhäusern in Reih und Glied – das trifft man nirgends auf der Welt ein zweites Mal. Und es ist auch nur dem Umstand zu verdanken, dass die Stadt im 17. Jahrhundert nach einem verheerenden Feuer komplett in einem Rutsch neu aufgebaut wurde. Eine schön angelegte Parkanlage liefert gleich auch den richtigen Blick auf die berühmte Silhouette! Und ein Spaziergang durch die Gassen lohnt sich auf jeden Fall.


Foto: Peter Hübbe

Das Geschichtsmuseum Lüdenscheid

Unsere zweite Station auf meiner Preußentour empfängt mich mit einem modernen Glasbau – das Geschichtsmuseum der Stadt Lüdenscheid gibt sich offen und zukunftsgewandt im Eingangsbereich. Neben der prominent platzierten Eisenbahn (ja, die Preußen haben vor allem ein tüchtiges Schienennetz in Westfalen hinbekommen) regen futuristische Installationen die Synapsen an. Hätte ich so etwas in Lüdenscheid erwartet? Ich muss gestehen, ich bin ein bisschen überrascht. Und tatsächlich wird mein Museumsbesuch auch die mitgebrachten Erwartungen durchkreuzen.

Luftschifffahrt und Lüdenscheid – eine Erfolgsgeschichte

Lüdenscheid als Ort, der für die mobile Luftfahrt eine ganz besondere Bedeutung hatte, wer hätte das gewusst! Verbunden mit dieser Geschichte ist die Unternehmer-Persönlichkeit Carl Berg, einer dieser Menschen, die um die Wende zum 20. Jahrhundert besonders aufmerksam nach neuen technologischen Errungenschaften schauten. Dazu gehörte das Aluminium, welches Herr Berg von seinem Besuch der Pariser Weltausstellung mitbrachte und dessen Vorteile er vor allen anderen schnell erkannt hatte. Der Beginn einer wunderbaren Geschichte von Vision und Innovation in Lüdenscheid. Und am Ende stand ich im Geschichtsmuseum Lüdenscheid vor dem Leichtmetall-Motor eines Luftschiffes, das sogar noch vor dem ersten Zeppelin in den Himmel gestiegen ist!

Der Daimler-Vierzylinder-Motor wurde 1895 im sogenannten Tempelhofer Luftschiff eingebaut, das nach Plänen von David Schwarz mit Konstruktionen aus eben jenem Lüdenscheider Aluminium erbaut wurde. Später konnte Berg auch Graf Zeppelin mit Material für seine Luftschiffe ausstatten. Wir werden hier im Museum also Zeuge einer regelrechten Sensation. Möglich, weil ein Unternehmer aus Lüdenscheid seinen Visionen gefolgt war.

Innovationsort in der Grafschaft Mark

Für die Preußen war ein solcher Unternehmergeist viel Wert und entsprach auch den merkantilen Zielen, die unter anderem in der Ära Otto von Bismarcks unterstützt wurden. Die Grafschaft Mark machte sich besonders im 19. Jahrhundert hervorragend für die brandenburgisch-preußischen Herrscher. Im historischen Saal, den man heute im Museum besuchen kann, blickt man auf zahlreiche Wappen, die der typische märkische Schachbalken in Rot-Weiß ziert. Und an dieser Stelle werfen wir kurz einen Blick zurück in das 17. Jahrhundert. Zunächst teilten sich die Markgrafen von Brandenburg aus dem Haus Hohenzollern 1609 mit dem Haus Pfalz-Neuburg das Gebiet, erst 1666 konnten sie nach Erbfolgestreitigkeiten allein herrschen. Später ging die Grafschaft als Verwaltungseinheit im preußischen Gesamtstaat auf .

Von hier aus in alle Welt – Knöpfe aus Lüdenscheid im internationalen Warenhandel

Carl Berg war nicht der einzige Innovator aus Lüdenscheid. Mit Caspar Dietrich Wigginghaus und seiner Erfindung einer leicht gießbaren Metallmischung wurde ein weiterer Exportschlager von Lüdenscheid in alle Welt gebracht: Lüdenscheider Knöpfe, die man sogar im fernen China schätzte (hier seht ihr eine Mustermappe mit typischen Motiven) . Ende des 19. Jahrhunderts machten sich dann japanische Fälscher ans Werk, die die Lüdenscheider Markenware kopierten.

Solche Erfolgsgeschichten haben mir deutlich gemacht, wie sehr Preußen durch seine Gebiete in Westfalen vor allem wirtschaftlich profitiert hat. Im Sitzungssaal habe ich ein Porträt Otto von Bismarcks (Hermann Bürger nach einem Gemälde von Franz von Lenbach) entdeckt, dessen Reformen nicht wenige Industrielle und Kaufleute der Stadt diesen wirtschaftlichen Erfolg zugeschrieben haben. Spannend finde ich, wie man an solch winzigen Details wie einem Knopf plötzlich die große Geschichte aufhängen (!) kann.  

Das war der Anfang der Reise, die wir weiter nach Altena, Iserlohn und Arnsberg fortsetzen wollen. Dazu kommt dann der nächste Beitrag mit den Erlebnissen auf dieser Route. Stay tuned …

Lesetipp: Auch Marlene Hofmann hat sich auf die Spuren der Preußen begeben und darüber gebloggt. Schaut auch drüben bei Tour de Kultur und Anja Kircher-Kannemann rein, sie war an weiteren Stationen des Preußennetzwerks unterwegs.

Der Blogbeitrag entstand im Auftrag des “ Netzwerk „Preußen in Westfalen“ des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), gefördert durch: Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen

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