Schauspiel Köln sieht die Stadt


Das Schauspiel Köln und sein Engagement in Mülheim ist bemerkenswert. Ein Highlight ist das Urban Gardening. Man zeigt sich im Stadteil und pflegt den Austausch. Obwohl es sich dort nur um eine Interims-Spielstätte handelt. Aber man interessiert sich auch für die Sorgen und Ängste der Menschen vor Ort. Um die Ecke ist die Keupstraße und da kann man einfach nicht abgehoben im Elfenbeinturm hocken.

Am Samstag lud das Schauspiel zu einer Auftaktveranstaltung ein, der ein zweijähriger Prozess der Bürgerbeteiligung folgen soll. Die Stadt von der anderen Seite sehen – das hat mich sofort angesprochen und ich habe mich angemeldet. Es erwartete mich ein spannender Nachmittag und ein etwas zu lang geratener Abend. Ich bin großer Fan von künstlerischen Interventionen auch und vor allem für Partizipations-Projekte. Mein Eindruck von der Veranstaltung habe ich mit ein paar Überlegungen für zukünftige Veranstaltungen dieser Art garniert.

Das war die Ausgangssituation

„Zwei Jahre lang wird das Schauspiel Köln deshalb mit einem großen Projekt aus Workshops, Führungen, Inszenierungen und Interventionen auf die Stadt schauen. Von Mülheim aus, wo derzeit Wandel in Echtzeit passiert, und gemeinsam mit vielen Künstlern und Stadtentwicklern.
Und natürlich mit Ihnen, den Bürgern dieser Stadt. Denn die Stadt neu zu sehen, heißt auch, Sie aus der Perspektive ihrer Bewohner zu betrachten und neu zu erfinden. Zum öffentlichen Projektauftakt laden wir Sie deshalb ein, einen ersten Nachmittag lang gemeinsam mit Planern, Künstlern und lokalen Experten die Zukunft der Stadt in Mülheim selbst zu gestalten. Schwärmen Sie mit Labor Fou, subbotnik, Boris Sieverts, lunatiks Produktion LEGOtopia und vielen anderen Experten in den Stadtteil aus, entdecken Sie mit uns neue Orte und gestalten Sie in 10 Workshops die Stadt. Lassen Sie uns gemeinsam der Frage nachgehen: Wie machen wir Köln zu der Stadt, in der wir zukünftig leben wollen.

(Ich habe mir mal erlaubt, im Zitat zu verlinken.) Es waren noch ein paar mehr Künstlerkollektive in den Workshops aktiv. Da das Schauspiel angekündigt hat, den gesamten Nachmittag zu dokumentieren, kann man das sicher bald auf der Projekt-Seite nachlesen.

Vor Ort waren schätzungsweise ca. 200 interessierte Bürger. Wie ich später hörte, war nur ein geringer Prozentsatz Mülheimer dabei. Ein Großteil der Teilnehmer war sicher aus professionellem Interesse da. Von einigen bekam ich mit, dass sie selbst in der Stadtplanung tätig sind. In meiner Gruppe waren gleich zwei Designerinnen und eine Sozialarbeiterin. Und dann gab es natürlich auch viele Kulturschaffende wie mich. Alle waren hoch motiviert und neugierig!

Wir wurden in neun Gruppen (es gab auch eine 10. für Kinder) aufgeteilt, die jeweils eine eigene Aufgabe bekamen, mit der dann in Mülheim ausgeschwärmt wurde. Es war leider nicht das optimalste Wetter für so etwas. Das schmälerte aber nicht den Tatendrang und die gute Laune. Es gab dazu noch eine nette Verpflegungstasche mit auf den Weg!

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Mülheim vermessen

Das war die Mission meiner Gruppe: messen und zählen, was auf der Straße los ist. Zu fünft zogen wir zum zugewiesenen Standort. Die Mülheimer Freiheit vor dem Café Jakubowski. Ein bisschen dauerte es, bis wir miteinander warm wurden. Zügig verteilten wir die Aufgaben: zwei messen, eine notiert, eine weitere Teilnehmerin und ich zählten Passanten und Autos. Jede in eine Richtung.

Weil wir doch recht schnell fertig waren, überredete ich die Truppe, ins Café einzukehren. Dort kamen dann unsere Missions-Paten auch kurz vorbei, um zu schauen, ob wir noch Impulse bräuchten. Wir hatten aber schon alle Daten erhoben und schon dabei, Ideen für die Zukunft zu entwickeln. Irgendwie herrschte ein bisschen Verwirrung darüber, ob wir das überhaupt sollten.

Beim anschließenden Gestalten der Standort-Poster haben wir dann auch unserer Ideensammlung eingefügt- und waren damit die einzigen. Die anderen haben allerdings auch fantastische Schaubilder erstellt (ich glaube, der Anteil der Designer in den einzelnen Gruppen war ziemlich hoch). Unsere Ideen bezogen sich auf die Vorstellung, wie man die Aufenthaltsqualität auf dieser Straße verbessern könnte. Dazu kamen Vorschläge von identitätsstiftenden Schilderbäumen, Straßentatoos und natürlich Sitzbänken.

Ich bin sehr gespannt, ob und wie unsere Erkenntnisse in die weiteren Veranstaltungen einfließen werden. Und hoffe mal, dass es nicht nur um die gezählten Verkehrsmittel gehen wird. Da es ja erst der Anfang eines langen Prozesses war, bin ich sicher dass der kreative künstlerische Ansatz zur Standort-Bestimmung noch zum Zuge kommt.

In einer kleinen Pause habe ich mich mit den beiden Jungs vom Labor fou unterhalten und sie zeigten mir ein fantastisches Projekt, was sie jüngst in München umgesetzt hatten. Von solchen quergedachten Projekten könnte Köln unbedingt auch einige vertragen! Ich fand zwar auch die Perspektive der Stadtplaner, die von Thomas Knüvener in unsere Gruppe eingebracht wurde, spannend. Aber das kreative Intervenieren im Stadtraum reizt mich deutlich mehr.

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Was ich sonst noch dachte

Ich habe mal vor vielen Jahren an einem Workshop zum Leitbild der Stadt Köln teilgenommen. Da wurde auch sehr viel gemeinsam gedacht und erarbeitet. Dann hat das am Ende jemand in einer Broschüre zusammengeschrieben – und das war es. Die Publikationen dümpeln bestimmt noch in dem ein oder anderen städtischen Büro herum.

Ich wünsche dem Projekt hier, dass es anders läuft. Und ich denke, dass vor allem die Auslegung auf zwei Jahre und die langfristige Zusammenarbeit mit den einzelnen Kreativen auf jeden Fall nachhaltig gedacht ist. Es ist ja schon irre, was an nur einem Nachmittag herausgekommen ist!

Kreative Prozesse anzuleiten, das ist eine Herausforderung. Da machen sich viele Menschen richtig Gedanken. Dann kommen viele motivierte Teilnehmer zusammen und es entsteht eine summende fantastische Atmosphäre. Jetzt gilt es, diese auch festzuhalten. Dass nicht alles wieder verpufft. Und das macht natürlich richtig viel Arbeit.

Es geht meiner Meinung nach an dieser Stelle auch um das Thema Community-Building. Das Schauspiel setzt sehr auf die unmittelbare Nachbarschaft und ist am Austausch interessiert. Schade, dass man dies nicht auch im digitalen Raum einlöst. Ich bin überzeugt, dass man mit der Offenheit und Zugewandtheit, wie man sie im Analogen auslebt, in den sozialen Netzwerken in einem größeren Radius Leute ansprechen könnte.

Warum nicht das Konzept der Partizipation erweitern. Ich hätte es klasse gefunden, wenn außer mir und Claudia noch ein paar mehr Perspektiven ihren Weg von der Veranstaltung ins Netz gefunden hätte. (Den Hashtag #stadtneusehen wurde ja vom Schauspiel gesetzt. Das hätte man vielleicht zum Auftakt noch mal deutlich sagen sollen und die Teilnehmer aktiv auffordern, ihre Eindrücke darüber mitzuteilen.) Zumal einige sehr interessierte Theater-Spezis draußen an den Geräten auf Infos gespannt waren. Auf Twitter haben wir darüber dann eine kleine Diskussion gehabt. Ich bin mal gespannt, ob es eine Reaktion vom Schauspiel Köln geben wird.

Ein Wort noch zum Abend. Da wurden die Ergebnisse der einzelnen Workshops auf der Bühne vorgestellt. Unblaublich tolle Sachen waren dabei. Mülheim aus Lehm gebaut, Utopien aus Lego und Pappe, Soundcollagen und sogar ein auf die Schnelle zusammengeschnittener Film. Wow!! Mein absoluter Favorit war die „Wunderkammer Mülheim“, die Kai von Keitz und Markus Ambach (Der urbane Kongress) angeleitet hatten!

Aber ganz ehrlich: wir waren seit 14.00 Uhr unterwegs. Hatten in Kleingruppen und etwas größeren Runde überlegt, Ideen entwickelt und diskutiert. Dann ging es um 19.00 Uhr noch zwei Stunden weiter und jede Gruppe hat ihre eigenen Prozesse vor dem Publikum dargelegt. Das war too much. Solche Präsentationen sollten auf die Ergebnisse fokussiert sein und sich auf einige wenige prägnante Merksätze beschränken.

Auch wenn ich viel Spannendes gehört und gesehen habe – ich konnte das alles am Ende gar nicht mehr würdigen. Zur Party in der Grotte fehlte mir dann wirklich die Energie. Wahrscheinlich ist das Theatervolk da einfach trainierter von den langen Proben und so. Ich zog auf jeden Fall sehr glücklich mit dem Liebsten zur Keupstraße und genoss ein richtig gutes Döner!! Ach, Mülheim ist schon klasse!!

 

 

 

 

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