Zur Zeit geistern viele Ansätze durch das Netz, in denen spielerisch mit den sogenannten Alten Meistern umgegangen wird. Annekathrin Kohut hat eine wunderbare Liste zusammengestellt, die zeigt, welche auch künstlerisch spannenden Ansätze es dort gibt. Ich möchte gerne ein analoges Beispiel beisteuern, dass mir vor Kurzem aufgefallen ist. Im Heylshof gab es eine sehr interessante Intervention – mit dem herrlichen Titel „Prunkversuche. Annäherung an Schinken„. Studentinnen der Kunsthochschule Mainz setzen sich mit der Sammlung auseinander, die in Worms von Julians Ur-Ur-Großvater zusammengetragen wurde. Sie ist typisch für das Sammelverhalten im ausgehenden 19. Jahrhundert und hat einige wirklich herausragende Klassiker zu bieten. Das Museum ist in der Kunstszene über die Grenzen der Nibelungenstadt hinaus bekannt. Für die allgemeine Öffentlichkeit vielleicht aber doch noch ein Geheimtipp. Ein Besuch lohnt immer. Deswegen berichte ich euch heute von der letzten Ausstellung dort!
Ich finde solche erfrischenden Aktionen wie die Prunkversuche klasse. Was sagen mir die alten Meister heute noch? Manchmal öffnen spielerische und auch freche Ansätze den Weg. Drei Beispiele aus der Ausstellung zeigen eine besonders spannende Auseinandersetzung.
Ira Konyukhova hat für ihre Intervention eine typische holländische Landschaft aus dem 17. Jahrhundert ausgewählt. Der Maler Jacob Salomonsz. van Ruysdael gilt als Vorbild für die romantische Landschaft. Die Künstlerin setzt sich hier mit der Sammlungsgeschichte und der Rezeption bestimmter Genres auseinander. Mittels Projektion zieht Konyukhova eine Parallele zu heutigen Pop Songs, aus denen sie einzelne Liedzeilen extrahiert.
Das Romantische drückt sich heute unverstellt in den amerikanischen Pop-Songs, in denen luxuriöses Leben, Selbstdarstellung, Glorifizierung des Partners und die Natur als ein Platz, wo eigene Träume sublimiert werden, zum Ausdruck kommt. Daher sollen die Untertiteln (…) nicht nur die zeitgenössische Brechung zu dem klassischen Landschaft leisten, sondern auch die Rolle einer privaten Sammlung kritisch hinterfragen.
Beim Rundgang durch die Ausstellung, die mittlerweile leider wieder abgebaut wurde, hat mir die Arbeit von Sarah Denzinger besonders viel Spaß gemacht. Sie stellt dem dramatisch inszenierten Geflügelportrait (im 17. Jahrhundert ein sehr beliebtes Motiv) von
Lisa Gehrig und Isabell Faragallah haben sich mit besonderen Details der Sammlung beschäftigt. Sie lenken die Blicke auf winzige Dekormalereien der Gläser-Sammlung und übertragen sie auf Pappteller oder Ikea-Gläser. In einer Performance spielen sie mit den Mühlsteinkragen barocker Bildnisse. Es geht um Inszenierung und Selbstdarstellung, das Künstlerduo wirbelt die kunsthistorischen Fragmente in immer neuen Kontexten zusammen. Das ist unterhaltsam und lässt die Originale in neuem Licht erscheinen.
Ob digital oder analog – die spielerische Auseinandersetzung mit alter Kunst ist eine Bereicherung. Was die Künstlerinnen der Mainzer Fotoklasse im Heylshof präsentiert haben, ist ein spannender Beitrag zur Kunstvermittlung. An keiner Stelle respektlos der Kunst gegenüber, liefern sie Gedankenanstöße und fokussieren die Besonderheiten der alten Meister. Es kommt auf die Perspektive an. Die Geschichten, die uns die Bilder früherer Epochen erzählen können, müssen erst ins Bewusstsein gerückt werden. Es ist aber auch spannend, sich auf diese Weise mit künstlerischer Produktion heute auseinanderzusetzen.
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