Frauenpower in der Aufklärung


Weiter geht es mit meinem nächsten Reisebeitrag. Diesmal zur Kunsthalle Karlsruhe, die mir als Kunsthistorikerin natürlich ein Begriff ist. Aber erst durch unsere Reise wird mir bewusst, welchen Stellenwert der „badische Louvre“ auch über die Stadt Karlsruhe hinaus hat. Spannend: hier besucht man einen der wenigen originalen Museumsbauten Deutschlands. Denn die Meister-Sammlerin Karoline Luise, Markgräfin von Baden sorgte hier im 18. Jahrhundert für eine Strahlkraft der Kunst, die ihresgleichen sucht. Wer war diese außergewöhnliche Adelige, die als „Vielfragerin“ schon fast penetrant wissbegierig war und äußerst geschickt eine sensationelle Kunstsammlung zusammenkaufte. Wir haben sie kennengelernt und ich glaube alle Kulturbloggerinnen sind zu Fans von Karoline Luise geworden. Maria hat in ihrem Blogpost schon die hessische Minerva erläutert. Warum wir so leicht von Karoline Luise begeistert werden konnten, beschreibe ich in meinem zweiten Post zur #kbreise15

Gesamtkunstwerk Kunsthalle

Bevor ich zur Meister-Sammlerin komme, muss ich aber unbedingt ein paar Worte zur Kunsthalle loswerden. Habt ihr euch nicht auch schon mal gefragt, wie eigentlich ein Musentempel aussehen soll? Genau so, wie diese imposante Architektur, die in einer von Heinrich Hübsch gestalteten Idee neuen Bauens im Jahre 1846 eröffnet wurde. Einer der frühesten deutschen Museumsbauten übrigens. Man darf sich an verschiedenen unverputzten Steinsorten erfreuen, die Wände sind mit einem ausgeklügelten Farbkonzept gestaltet und mit dem Trichtergewölbe über dem Treppenhaus feierte man die baukünstlerische Meisterschaft jener Jahre. Ein riesiges Gemälde von Moritz von Schwind macht den Anspruch deutlich: die Eröffnung des Freiburger Münsters ist ein Zitat aus Goethes „Von deutscher Baukunst“. Eine Schrift, in der das künstlerische Genie beschrieben wird.

Die Umgebung des Botanischen Gartens ist ein weiteres Highlight und neben dem Hauptgebäude gibt es noch die Orangerie, die die Sammlung der Moderne aufnimmt und die Junge Kunsthalle, in der sich das Kindermuseum befindet. Da gerät die Museumspädagogin in mir ins Schwärmen. Wir haben uns aber zunächst auf die Sonderausstellung konzentriert. Mich reizt aber auch die Hans-Thoma-Kapelle sehr, die man für den Künstler (Direktor von 1899 – 1920) 1909 einweihte. Muss ich eben noch mal wiederkommen 🙂

Pläne für die Zukunft gibt es auch schon. Sie betreffen die Überdachung des Innenhofes, der dann mehr Sonderausstellungsfläche bieten kann. Das kann ich mir gut vorstellen – Vorbilder von solchen gelungenen Überbauungen gibt es ja genug!

Karoline Luise

Nun aber zum Innenleben der Kunsthalle. Ein zentraler Kern, um den sich die Sammlung entwickelt hat, ist das Mahlerey-Kabinett der Karoline Luise (1723 – 1783), die aus dem Hause Hessen-Darmstadt nach Karlsruhe kam. Und 1751 Markgraf Karl Friedrich heiratete. Man kann schon erahnen, welch außergewöhnliche Persönlichkeit sie war, wenn man erfährt, dass sie bereits zwei Heiratskandidaten ablehnte. Einen unter anderem wegen erwiesenem Geiz! Für Karl Friedrich hegte die gebildete junge Frau eine heimliche Schwärmerei, seit sie ihn auf einem höfischen Event einmal gesehen hatte. Bis aus der arrangierten Ehe eine tiefe Liebe wurde, dauerte es allerdings bis zur Geburt des ersten gemeinsamen Sohnes im Jahre 1855. Aus der Korrespondenz der beiden erfahren wir zärtliche Zuneigung aber auch, dass Karoline Luise von ihrem Mann um Rat gebeten wurde. Diese archivalische Überlieferung ist übrigens ein wahrer Schatz, der als Schlüssel zur Entstehung dieser bemerkenswerten Sammlung gesehen werden kann. Das Generallandesarchiv Baden Württemberg ist somit auch ein wichtiger Partner der Sonderausstellung „Die Meister-Sammlerin Karoline Luise von Baden.“

Aufklärung

Das Licht der Aufklärung schien auch nach Karlsruhe, wo Karoline Luise als beliebte Markgräfin wirkte. Worin manifestiert sich das? Besonders deutlich wird das in der Tatsache, dass Karoline Luise darauf bestand, ihre drei Söhne selber zu erziehen! Aber auch darüber hinaus war sie geprägt von der Idee, die Welt durch lenkende Eingriffe zu perfektionieren. Deswegen interessiert sie sich – ungewöhnlich für eine Frau im 18. Jahrhundert – für die Naturwissenschaften. Und sie fürchtet das Mittelmaß! Ganz klar: ihre Sammeltätigkeit ist aufgeklärt, wenn man das so nennen will! Es geht ihr nicht um repräsentative „Schinken“ sondern sie nutzt die Kunst um ihr Sehen zu schulen. Nicht von ungefähr bevorzugt sie die sog. Feinmalerei. Sammelt deswegen vornehmlich die Niederländer des 17. und Franzosen wie Jean-Baptiste-Siméon Chardin aus dem 18. Jahrhundert. Sie dringt in die Malweisen ein, versteht es sogar, ein Ölgemälde von Caspar Netscher in Pastell perfekt zu kopieren.

Sie war nicht die einzige Frau, die unter der Fahne der Aufklärung Großes vollbrachte. Nicht zuletzt ihre Schwägerin, die große Landgräfin, zählte dazu. Aber auch die Marquise du Deffand, die in Paris als berühmte Salonière Geistesgrößen wie Voltaire um sich scharte. Von der Pompadour wollte Karoline Luise stets den neuesten Klatsch wissen – aber sie war auch Vorbild, was die Förderung der schönen Künste betrifft!

 Mahlerey-Kabinett

205 Gemälde trug die Meister-Sammlerin in nur wenigen Jahren zusammen. Mit einem Heer an spezialisierten Kunsthändlern und Beratern ergatterte sie wertvolle Kunstwerke, die sie zu einer zentralen Figur der Kunstgeschichte des 18. Jahrhunderts werden ließen. Beim Schlendern durch die Ausstellung fällt auf: es sind keine Großformate, die hier hängen. In der Mehrzahl Stillleben, Landschaften, Genrebilder. Das war durchaus Mainstream damals. Dass sich ein wundervolles Selbstbildnis Rembrandts in der Sammlung befindet, ist eher Zufall. Ein Meisterwerk von Anthonis van Dyck (Susanna Fourment und ihre Tochter, 1621) verkaufte die Markgräfin relativ schnell wieder. Zu groß. Zu repräsentativ! Heute hängt es in der National Gallery in Washington.

Alles präsentierte sie damals in lediglich vier Räumen ihrer Residenz. Natürlich in barocker Hängung (oder wie man heute gerne sagt: in Petersburger Hängung). Einen Eindruck davon bilden die Ausstellungsmacher in einem Raum nach – ansonsten ist alles erfreulicherweise locker gehängt und man kann sich jedes Meisterwerk in Ruhe ansehen. 151 Gemälde befinden sich noch heute im Besitz der Kunsthalle und mit den Leihgaben aus aller Welt (Louvre, Uffizien, National Gallery London) ergibt sich das Bild der großartigen Sammlung.

Mit Kuratorin Katharine Weiler durchmaßen wir die Ausstellungsräume. Als bekennende Liebhaberin feiner kleiner Anekdoten kam ich auf meine Kosten, als Weiler die Story vom Ankauf besonderer Schätzchen erzählt. Es sagt viel über das zielgerichtete Sammeln der Markgräfin, dass zwar nach dem Tod des berühmten Comte de Vente eine Höflichkeitsformel in ihrem Kondolenzbrief enthalten ist. Aber gleich auch die Frage, ob denn seine Sammlung jetzt zu erwerben wäre! Was für eine Frau. Ich könnte mich jetzt noch tagelang weiter durch die Biografie dieser ‚“Femme savante“ lesen. Bald soll ja auch die umfangreiche Korrespondenz online sein. Da bin ich sehr neugierig!

Kindermuseum

Seit den Anfängen meiner museumspädagogischen Tätigkeit habe ich immer mal wieder zur Jungen Kunsthalle herüber gelinst. Deren Kindermuseums-Konzept ist klasse und in den neuen Räumlichkeiten toll ausgebreitet. Drüben auf Musermeku hat Angelika ja mit der Leiterin Sibylle Brosi ein Interview geführt, in welchem die Begleitprogramme zur Ausstellung besprochen werden. Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass solche für Kinderaugen eingerichteten Ausstellungen auch Erwachsene begeistern. Wir Bloggerinnen hatten – glaube ich – auch unseren Spaß. Man darf Dinge anfassen, ja sogar alles fotografieren. Es sind Anknüpfungspunkte aus der Geschichte ins Heute auszumachen. Man hat Spiel, Spaß und Spannung. Tja, wie hört sich das an? Eigentlich nach einem perfekten Museumserlebnis, nicht wahr? Wenn der partizipative Gedanke im Vordergrund steht, dann hellen sich meist die Gesichter auf! Mir hat übrigens besonders die Idee gefallen, dass die Kinder „Kunstauktion“ spielen dürfen. Dabei müssen sie möglichst überzeugende Argumente finden, weswegen ein Bild lohnenswert ist. Ein vielversprechender Ansatz zur Kunstvermittlung. Werde das vielleicht mal kopieren, liebe Frau Brosi 🙂

Bleibt mir hier noch, einmal mehr Sibylle Brosi, Alexandra Hahn, Isabelle Koch und Katharine Weiler für die Einladung und den freundlichen und kompetenten Empfang in der Kunsthalle Karlsruhe zu danken. Ich werde gerne weiterverfolgen, was bei euch noch passiert!

 

 

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7 Antworten zu “Frauenpower in der Aufklärung”

  1. Liebe Anke,

    es stimmt – wohl alle Teilnehmerinnen der #kbreise15 waren in Karlsruhe von Karoline Luise beeindruckt. Sie war in ihren Ansichten, aber auch in ihren Interessen sehr modern und der Kunsthalle gelingt es in der Ausstellung gut, dass man als Besucher direkt ein Gespühr für die Markgräfin entwickelt. Dass auch junge Besucher einen spielerischen Zugang erhalten, ist zusätzlich ein sehr schönes Konzept.

    Viele Grüße
    Angelika

    • Liebe Angelika,

      ich hätte auch noch mal das Blumenbeet im Nachhinein fotografieren wollen. Wie ich in dem Video zur Pressekonferenz erfahren habe, gibt es da wohl äußerst seltene historische Pflanzen. Das ist irgendwie ein bisschen untergegangen. Aber wir hatten ja auch sonst sehr viel Input!

      Lieben Gruß
      Anke

  2. Liebe Anke,
    vielen Dank für deinen lesenswerten Beitrag.

    Schön, dass du noch gesondert auf das Schatzkästlein Kunsthalle als „Herberge“ der Meistersammlerinnen-Ausstellung verweist. Als einer der frühesten deutschen Museumsbauten hat sich hier – im Gegensatz zu Berlin bspw. – das ausgeklügelte Ausstattungsprogramm erhalten, das schon als multimedial zu bezeichnen ist.

    Insbesondere beim erwähnten Fresko treffen ja zwei Ideologien aufeinander, der von Hübsch favorisierte Rundbogenstil als Referenz an die Romanik und die neugotische Bewegung, die sich hier dann schlussendlich selbst doch noch ein Denkmal errichtet hat.

    Ganz herzlich,
    Maria

  3. Liebe Maria,
    Schatzkästlein ist ein schöner Begriff. Obwohl es ja gar nicht mal so klein ist. Genau, diese Idee des Gesamtkunstwerks – so wie sie vor allem auch im Jugendstil verfolgt wurde – erinnert mich oft an Multimedia!
    Ja, dieses Zitat der Gotik hat mich im Treppenhaus überrascht. Ach, man könnte wahrscheinlich tagelang jedes Detail durchforsten und sich darüber austauschen. Wenn ich das nächste Mal in Karlsruhe bin, dann gebe ich vorher Bescheid. Vielleicht reicht es ja für einen Kaffee.
    Jetzt muss ich aber hier erst mal Dinge abarbeiten.

    Herzliche Grüße auch von hier und viel Spaß, wenn es mit den Feierlichkeiten losgeht.

    Anke

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