Der Bahnhof Rolandseck

Letzten Samstag stattete ich dem Bahnhof Rolandseck endlich mal wieder einen Besuch ab. Das war schon lange fällig.  Denn die fabelhafte Dada-Schau im Arpmuseum wollte ich so gerne noch sehen. (Wie so oft, auf den letzten Drücker.) Das Museum ist ja knapp 10 Jahre alt und immer einen Besuch wert. Und mit dem Bahnhof verbindet mich sogar noch eine etwas längere Geschichte. Vor über 20 Jahren war ich zu mehreren Besuchen bei Johannes Wasmuth dort. Feierte dort auf ein paar außergewöhnlichen Parties und organisierte sogar 1990 eine Veranstaltung dort: Die Jurysitzung für den Ideenwettbewerb zum deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Sevilla. Bei meinem Besuch jetzt kamen alte Erinnerungen hoch.

Blicken wir zu den Anfängen des Bahnhofs zurück, so sehen wir die feinen Damen und Herren, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Eisenbahn hierhin aus Köln und Bonn anreisten. Man pflegte auf’s Dampfschiff umzusteigen, um den romantischen Rhein zu genießen. Der Rolandsbogen lieferte schon damals die entsprechende melancholische Stimmungslage. Der Stahlstich von Christian Hohe gibt das Ambiente wunderbar wieder. (Danke Wikipedia).

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Bahnhof immer noch ein Sehnsuchtsort. Guillaume Apollinaire, der großen Anteil an der Entwicklung des Dadaismus und Surrealismus gehabt hat, schrieb sogar mehrere Gedichte, in denen er vorkommt. Der Dichter hatte sich eine längere Zeit in der Region aufgehalten. (Besonders begeistert war er von der berühmten Mineralwasser-Quelle im Ahrtal, die einen seiner Vornamen trug: Apollinaris!)

Rolandseck

In Rolandseck träumte ich auf dem grünen Ufer
Die Nonne Rolands auf der Insel Nonnenwerth
Schien ihr Alter unter den kleinen Mädchen zu verlieren

Die sieben Berge träumten wie Tiere
Endlich müde die legendären Prinzessinnen
zu bewachen
Und träumend wartete ich auf die
rechteckige Fähre

Vom Berge kamen Leute um
den Fluss zu überqueren
Drei Damen mit hannoverschem Akzent
Blätterten grundlos Rosen in den Rhein
Der eine Ader deines so edlen Körpers
zu sein scheint

Auf der mit Schatten befleckten Strasse
am Fluss entlang
Flohen vor Furcht zitternd
Die Autos wie unwürdige Reiter
Während sich auf dem Band des Rheins
Dampfschiffe entfernten

Mitte der sechziger Jahre war der Bahnhof eigentlich bereits für den Abriss vorgesehen, doch Wasmuth gelang es, das zu verhindern. Er erwirkte, dass Ateliers und Wohnmöglichkeiten für Künstler eingerichtet werden konnte und in den folgenden Jahren entwickelte sich der Bahnhof zu einem kulturellen Hotspot im Rheinland. Gespeist wurden die Aktivitäten durch Wasmuths Kontakte in der Düsseldorfer Kunstszene.

1969 verkündete Marcel Marceau: „Der Bahnhof Rolandseck wird das Theater sein, in dem sich alle Künste vereinen, um das Wunderbare zu schaffen.

bahnhofrolandseck

In einem Spiegel-Artikel aus dem Jahr 1969 beschrieb Peter von Brügge die „neue Gesellschaft“, die sich damals im Bahnhof tummelte.

Wenn Wasmuth seine Bahnhofs-Gemeinde wie jetzt im Juni auf silbernen Einladungskarten zum Schwof ruft, stürmt sie ihm — halsbrecherisch die Gleise überquerend — fast die blumengeschmückte Station in „Galakleidung“ der letzten 113 Jahre feierlich schwarz-weiße Diplomaten und Staatsdiener Bonns — so Schillers alexanderköpfiger SPD-Staatssekretär Klaus von Dohnanyi, der im Lande des Bahnhofs für den Bundestag kandidiert — und die seidene bis halbseidene Schickeria vom deutschen Niederrhein, Hippie-Ringe an sämtlichen Fingern, und Underground-Mannequins und arrivierte Bohemiens. Dazu ein paar fast echte Gammler, die ihre eingestaubten Leiber auf der wilhelminischen Prachttoilette wuschen, nachdem sie den Hausherrn um die 35 Mark Entree geprellt hatten

2007 (10 Jahre nach dem plötzlichen Tod Wasmuths) eröffnete das Arp Museum Bahnhof Rolandseck in einem Erweiterungsbau des Stararchitekten Richard Meier. Wasmuth, der Arp noch in den sechziger Jahren persönlich getroffen hatte, stellte schon früh Arbeiten des Künstlers und seiner ersten Frau Sophie Taeuber-Arp aus. Aus dieser Verbindung erwuchs eine besondere Nähe zum Dadaismus, die das Museum in diesem Jahr mit einer wunderbaren Ausstellung krönte. Zur 100. Dada-Jubelfeier gab es Einblicke in die Genese dieser Kunstrichtung.

Für alle, die gerne einen Blick auf die Ausstellung werfen möchten, habe ich noch ein paar Bilder vom Besuch. Mir hat die Präsentation außerordentlich gut gefallen. Mal mehr als das chronologische Nebeneinander verschiedener Exponate. Eine besonders gelungene Inszenierung, die einem an manchen Stellen eine schöne Zeitreise ermöglichte. Es gab eine Nachbildung des Cabarét Voltaire. Und viele Schaubilder, die Dada einbetteten in den großen Kontext nach der Jahrhundertwende. Diese wurden von Adrian Notz, dem Direktor des heutigen Cabaréts in Zürich gezeichnet. Grandios. Ach, wer es im Sommer noch nach Zürich schafft: im Rahmen der Manifesta geschehen noch einige spannende Dinge dort!

 

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