Heute kam die Meldung, dass Mona Lisa leider jung sterben musste und der belgische Medizin-Professor Jan Dequeker hat sogar posthum die Diagnose gestellt: eine vererbte Hyperlipidemie soll Leonardos berühmtestes Modell im Alter von nur 37 Jahren tragisch dahin gerafft haben.
Dies ist nach der Ende September als Sensation verkauften Entdeckung, die Dargestellte sei wohl schwanger gewesen oder habe zumindest gerade entbunden, die zweite marktschreierische Meldung zu dem wohl berühmtesten Porträt der Welt. Sind die Forscher alle einem hollywoodesken „Da Vinci Code“ Syndrom verfallen? Bei meinen Recherchen zu den Hintergründen stieß ich auf die Texte von Maike Vogt-Lüerssen, die ich ungeheuer spannend und einleuchtend finde.
In ihrem Buch „Wer ist Mona Lisa?“ beschreibt die Historikerin Vogt-Lüerssen die Recherchen zu Leonardos Porträt und ihre Entdeckungen im Zusammenhang mit ihren über 16 Jahre währenden Forschungen zur Renaissance. Die Auflistung der Argumentationen beginnt mit dem genauen Interpretieren der Textstellen bei Vasari, auf dessen Beschreibungen eines Leonardo-Werkes die Kunsthistoriker immer noch ihre Behauptung aufbauen, die auf dem berühmten Gemälde Dargestellte sei die Gattin des florentinischen Seidenhändlers Francesco die Barolomeo di Zanobi del Giacondo. Tatsächlich beschreibt die Vasari-Textstelle jedoch ein völlig anderes Bild. Allein die Erwähnung von Augenbrauen, die bei der sog. Mona Lisa komplett fehlen, müsste einen stutzig machen. Maike Vogt-Lüerssen recherchiert übrigens, dass es diese Mona Lisa tatsächlich gegeben hat, sie findet auch heraus, dass sie 1502 gerade Sohn Andrea gebar. Allerdings stellt sie ganz richtig heraus, dass ein Porträt der stolzen Mutter, vom noch stolzeren Seidenhändler in Auftrag gegeben, mit Sicherheit nicht auf prunkvolle farbenreiche Seidenstoffe und kostbare Geschmeide verzichtet hätte!!! Und – das ist für mich die interessanteste Nachricht, die die heutige „Sensationsmeldung“ sowieso postwendend in die Mottenkiste verbannt – die Chroniken der Stadt Florenz bezeugen die Geburt jener historischen Mona Lisa im Jahre 1479 und ihren Tod im Jahre 1551. Wer mag, kann geschwind mal nachrechnen. Aber früh und tragisch gestorben ist Mona Lisa auf gar keinen Fall.
Maike Vogt-Lüerssen entwickelt nun in ihren weiteren Ausführungen sehr interessant die These, dass es sich bei der von Leonardo in seinem berühmten Gemälde Porträtierten um Isabella von Aragon handeln muss, der Herzogin von Mailand. Dies belegt sie geschickt mit Hinweisen auf ihre Herkunft, die Leonardo in der Borte des Kleides eingefügt haben soll. Die damals durchaus gängige Praxis, Attribute bezüglich der Stellung und Herrscherdynastien der Porträtierten auf solche versteckte und doch für damalige geschulte Augen deutlichen Hinweise zu verlegen, machen ihre Interpretation sehr schlüssig. Mir gefällt auch die Erklärung für die eher gedeckte und dunkle Kleidung der Frau, die auf einen Trauerzustand hindeutet. Isabella von Aragon trauerte in der fraglichen Zeit tatsächlich um ihre Mutter. Das Bild, das heute als Mona Lisa bezeichnet wird (und dies fälschlicherweise, wie in den Untersuchungen schlüssig aufgeführt wird) datiert die Historikerin auf das Jahr 1489.
Die weitere These einer möglichen heimlichen Hochzeit zwischen Leonardo da Vinci und Isabella von Aragon muss ich mir noch einmal genauer ansehen. Zumindest gibt Vogt-Lüerssen hier auch nochmal eine neue Variante des im Da Vinci Code verbratenen Bildmotivs auf dem letzten Abendmahl zu goutieren. Diesmal soll die im Bestseller als Maria Magdalena identifizierte Figur in der Bildmitte nunmehr Isabella von Aragon sein und ihre Hinwendung zu dem weißbärtigen Petrus ist der versteckte Hinweis auf den Künstler selbst, der sich hier mit ins Bild malt. Klingt spannend und sehr erkenntnisreich ist auch die Auflistung sämtlicher Isabella-Porträts, derer die Autorin habhaft werden konnte. Man erkennt durchaus Ähnlichkeiten.
Die Beschäftigung mit dem berühmten Leonardo-Kunstwerk bleibt spannend und die Nachverfolgung der wechselvollen Geschichte des Bildes (Napoleon hing es sich ins Schlafzimmer, ein durchgeknallter Italiener klaute es am hellichten Tage unter Hunderten von Besuchern und entführte es 1913 nach Italien und 1956 musste das Meisterwerk gleich zwei böse Attentate überstehen: erst ein Säureanschlag und dann warf ein bolivianischer Besucher einen Stein auf das Bild.) macht es zu einem wahren Kunstgeschichte-Krimi.
Soll ich mal zur Legendenbildung beitragen?
Meine Vermutung ist ja, dass das Original schon längst nicht mehr in der Galerie des Louvre hängt. Ich kann mir nämlich nicht anders erklären, dass dem täglichen Blitzlichtgewitter der Touristenhorden auf dieses Gemälde ansonsten so gelassen zugesehen wird!
Wie dem auch sei: wir werden bestimmt noch die ein oder andere Sensationsentdeckung zu der Ikone der westlichen Kunstgeschichte lesen.
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