Von Festung zu Festung

Von Festung zu Festung – betreten verboten
Der Hochbunker in Ehrenfeld ist einer der Kulturorte, die mit ihrer ganz besonderen Geschichte und ihrer Austrahlung völlig neue Sehweisen möglich machte. Derzeit verstärkt in der Diskussion um die Nutzung, zeigt eine engagierte Gruppe deutscher und italienischer Künstler ein interessantes Ausstellungsprojekt. So wird noch einmal deutlich vor Augen geführt, wie die friedliche und sinnvolle Nutzung dieser Architekturriesen aussehen könnte. Spannend ist die Ausstellung vor allem deswegen, weil die deutsch-italienische Kooperation eine Fortführung eines Projektes ist, das in einer historischen Festung in Italien begann.


Gentili signore e signori, cari artisti,
anche io vorrei salutarvi alla inaugurazione della esposizione. Prima di tutto vorrei ringraziare gli artisti per i colloqui interessanti della scorsa settimana e la prego di avere comprensione perche io tengo il mio discorso in tedesco.
Am Anfang war der Ort!
Luftschutzgesetz vom 26. Juni 1935
§ 2
(1)

Alle Deutschen sind zu Dienst- und Sachleistungen sowie zu sonstigen handlungen, Duldungen und Unterlassungen verpflichtet, die zur Durchführung des Luftschutzes erforderlich sind (Luftschutzpflicht).

(2)

Ausländer und Staatenlose, die im Deutschen Reich Wohnsitz, Aufenthalt und Vermögen haben, sind luftschutzpflichtig, soweit nicht Staatsverträge oder allgemein anerkannte Regeln des Völkerrechts entgegenstehen.

Nachdem britische Bomben im August 1940 erstmals auf Berlin niedergegangen waren, erließ Hitler am 10. Oktober 1940 das sogenannte Führer-Sofortprogramm, das als größtes zweckgebundenes Bauprogramm der Menschheitsgeschichte gilt. In allen größeren Städten wurden im Eilverfahren Luftschutzbunker errichtet. Das Ganze geschah in einer Art Wettlauf zwischen Bomben und Bunkern.
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Der Ehrenfelder Hochbunker entstand 1943 auf dem Gelände der Synagoge, die 1938 in der Reichskristallnacht zerstört worden war.
Ehrenfeld war insgesamt 55 Mal Ziel feindlicher Luftangriffe.
Heute sind wir hier in diesem Hochbunker in der Körnerstraße mitten im kölschen Veedel Ehrenfeld versammelt und erleben diese betonierte Geschichte ganz unmittelbar. Beissender Geruch empfängt uns, wenn wir eintreten, die Wände atmen Vergangenheit und die Monumentalität des Bunkers macht ihn ebenso unübersehbar wie bedrohlich.
Ein Bunker – das englische Wort für bombensicherer Unterstand – erinnert an den Krieg. Die Tatsache, dass unser Bunker hier noch gewartet wird und voll funktionstüchtig ist, lässt diese Erinnerung plötzlich ganz real werden. Man fragt sich jedoch, vor welcher Art der heutigen Kriegsführung, die sich in den vergangenen 50 Jahren rasant hinsichtlich der technischen Möglichkeiten weiterentwickelt hat, er überhaupt zu schützen in der Lage ist.
Von außen hellblau angestrichen, eröffnet sich in seinem inneren Labyrinth eine ganz eigene Welt der Erinnerungen und Erfahrungen. Und bietet – auch schon in der Vergangenheit – vielfältige Möglichkeiten der künstlerischen Auseinandersetzung.
Am Anfang war der Ort!
Raumbezogene Kunst hat es in allen Zeiten gegeben. Man nehme nur die urzeitlichen Höhlenzeichnungen oder magisch gestaltete kultische Orte wie die alten Tingplätze. Zu besonderer Höchstform geriet die Inszenierung des Raumes in der Zeit des Barock. Hier wurde das Spannungsfeld zwischen Kunst, Architektur und Betrachter gesteigert zu einem bewegenden und bewegten Gesamtkunstwerk.
Mit der Verwendung des Begriffes „Installation“ in den sechziger Jahren wurde dann eine eigene Kunstgattung beschrieben, die sich zur Aufgabe machte, Kunst und alltägliches Leben miteinander in Einklang zu bringen. In den folgenden Jahren wurde der Bezug zu einem bestimmten Kontext, mit dem das Kunstwerk verbunden werden sollte, immer wichtiger. Elemente der Aktion sowie eine gezielte Verankerung im Gedanklichen kamen hinzu. Schließlich die Auseinandersetzung mit dem sozialen Umfeld.
Die Begegnung mit dem Ort funktioniert über die unterschiedlichen sozialen, geschichtlichen und in erster Linie auch emotionalen Bestimmtheiten. Im Sinne einer speziellen „Verortung“ wird das Kunstwerk zur besonderen Wahrnehmung des jeweiligen Raumes beitragen können.
Völlig anders als der berühmte „white cube“ ist der Bunker für die hier ausstellenden Künstler eine anspruchsvolle Herausforderung, die jeder/jede auf seine Weise angenommen hat.
Am Anfang war der Ort!
Nachdem sie sich im Kern bereits im Sommer 2002 zu einer Gruppenausstellung in der Fortezza Girifalco in Cortona, Italien zusammen gefunden haben, zeigen hier im Hochbunker in Köln Ehrenfeld 18 deutsche und italienische Künstler ihre raumbezogene Kunst.
In der vergangenen Woche konnte ich Zeuge werden von einer immer weiter fortschreitenden Verwandlung des Bunker-Inneren in eine Ausstellung, die viele Überraschungen bereit hält und dem befremdlichen Labyrinth des Betonklotzes einen nachvollziehbaren Sinn gibt.
Zwischen Vorfinden und Hinzufügen entstanden in konzentrierter aber auch sympathischer Arbeitsatmosphäre die Kunstwerke in den einzelnen abgetrennten Räumen, die ursprünglich die zufluchtsuchenden Menschenmassen teilen sollten.
Besonders die palimpsestartige Struktur der Wände scheint die Künstler immer wieder in den Bann zu ziehen.
Robert Lang hat in seiner Arbeit „der Horizont wird oben klarer“ die Wahrnehmung von abblätternder Farbe, von den Spuren vergangener Nutzungen und die Perspektive des Treppenhauses in kleinen Fotoarbeiten nachvollzogen. Sie nehmen denjenigen, der sie entdeckt hat, an die Hand und geleiten ihn sicher durch die Stockwerke.
Auch Nicoletta Freti hat mit einer Fotografie der Wände gearbeitet. Diese hat sie jedoch im Computer bearbeitet und in einer virtuellen Rekonstruktion im Videofilm erlebt man den Raum neu, der von ihr – in Anlehnung an die Kristallnacht – mit einem riesigen Glasobjekt zu einem „Memento“ stilisiert wurde.
Betrachtet man das runde ‚grenzenlose‘ Bild von Dominik Boehringer – und die beiden Holzstümpfe laden zum längeren Betrachten ein – so erlebt man durch die Farben des Bildes die umgebenden Wände völlig neu. Was im Kunstwerk durch verschiedene geschichtete Materialien in einem längeren Prozess entstanden ist, reflektiert die bizarr-schönen Farbvariationen, die an den Betonwänden durch herablaufende Flüssigkeiten und ähnliches entstanden sind.
Oftmals wird jedoch gerade die undurchdringliche Dicke der Betonwand als nicht erträglich empfunden und die Künstler setzen ihre Kunst dagegen.
Marina Calamita öffnet ein imaginäres Fenster mit der Leichtigkeit ihrer Papierarbeiten, die mit der farbigen Gestaltung eine positive Erinnerung darstellen, mit deren Hilfe man aus dem Bunker herausgelangen könnte. Hier wird die Rauminszenierung als Kulisse eines möglichen Bewußtseinszustandes verstanden.
Auch Angelika Wittek gelingt es, den Raum aufzulösen mit ihrer leichten schwebenden Installation aus Plexischeiben, die mit jedem Lufthauch in Bewegung versetzt werden können. Tänzerische Leichtigkeit als Gegenentwurf.
Lucilla Ragni hält in ihrem „Nottario“ die Möglichkeit bereit, in die Tiefe der Nacht zu blicken. Die Dimension der Gedankenwelt ist ohne Grenzen und setzt sich gegen den geschlossenen Raum durch.
Wenn die Schwere des Bunkers zu stark zu werden droht, muss man die Natur zu Hilfe holen.
Wie ein passionierter Gärtner hat Luciano Sansone seine ästhetisch reizvollen Blumenaufnahmen als Surrogate des Wachsen und Gedeihens in den Bunker gepflanzt. Das allein könnte ihm helfen, wenn er eine Woche hier eingeschlossen sein müsste.
Auch Gabriele Chiovoloni bringt eine Blume in den Bunker. Wie Opfergaben im Tempel steht die kostbare und perfekte Lotusblume inmitten der grauen Bunkerrealität und erinnert an die Kraft des Göttlichen, die jedem Einzelnen innewohnt.
Christa Manz-Dewald eröffnet einen freien Raum hinter den realen Wänden mit ihrer emotionalen Installation, die sich dem Betrachter erst nach einiger Zeit der Gewöhnung im dunklen Raum erschließt. Über sieben Widerstände – auch Symbol für die Anstrengungen, die für das Entstehen der Ausstellung in Kauf genommen werden mussten – gelangt man zur Menschenwürde als rettende Verheißung in schweren Zeiten.
Viele der Installationen setzen sich konkret mit der Frage auseinander, wie das Bunkerleben konkret aussehen könnte.
Katharina Ortleb gruppiert eine Meute purzelnder Figuren, die sich um das künstliche Neon scharen wie Motten ums Licht. Das man dennoch durch diese Lichtquelle nicht die lebensspendenen Impulse erhält wie im Sonnenlicht ist traurige Gewissheit.
Die golemartigen Figuren von Odo Rumpf können die vergangenen und zukünftigen Opfer von Kriegen und Pogromen sein. In dadaistischer Tradition formen sich die Wesen aus den Fundstücken von Schrottplätzen und entwickeln ihr Eigenleben jenseits des historischen Zusammenhanges.
Anja Schindler zeigt das, was es zu bewahren gilt. Sie hat in einer spielerischen Inszenierung des Bunkerlebens Erzählungen ihrer Mutter verarbeitet und sich der Frage gestellt, was es wert sein könnte, mitgenommen zu werden, was man hinüber retten möchte in eine Zeit nach dem Bunker. Das Konservieren und Aufheben tangieren den ursprünglichen Begriff des Sammelns und wie in den Wunderkammern der Renaissance finden sich hier geheime und erstaunliche Dinge.
Paolo Moretto richtet in den Bunkerräumen „Produktionsstätten“ ein. Die Verkaufsräume von Kunst stellen den Kontext des abgeschlossenen Bunkerlebens zum real existierenden Künstlerdasein her.
Die historische Dimension des Bunkers wird in der Arbeit von Ulrike Oeter inszeniert. „Zum blauen Salon“ lädt auf Spurensuche ein und spinnt ein zartes Netz aus Erinnerungen, die sich ganz konkret mit der Situation jüdischer Ehrenfelder auseinandersetzen. Eine Installation gegen das Verschwinden als historisches Gewissen des Bunkerkolosses.
Zwischen individueller Erinnerung und kollektivem Gedächtnis bewegt sich auch Josef Snobl mit seinem „Buch der Toten“ – Fotos von Freunden, Bekannten und Wegbegleitern, die alle nicht mehr am Leben sind. Die Magie der Erinnerung wird unterstützt von den Stimmen dieser Personen, die von Snobls Anrufbeantworter stammen. Ein stiller Ort des Gedenkens – eine Art Bunker-Kapelle.
In einer Hommage an den Ort hat Stefano Peressini seine Arbeit „Osmonauta“ geschaffen. In Form eines akustischen Brunnens bringt er Öl in tänzerische Bewegung und thematisiert eine den Dingen – auch dem Bunker – innewohnende Energie, die es zu visualisieren gilt.
Auch Danilo Fiorucci zeigt das Innere des Bunkers in seinen befremdlichen amorphen Strukturen, die weich und organisch wirken und vielleicht erst zu entdecken sind, wenn man den Bunkerwänden unter die Haut schauen würde. Eine ungeheure Spannung zwischen dem Inneren und dem Äußeren sensibilisiert für das Eigenleben der Räume.
Der Raum lädt zur Aktion ein, wie das multinationale Künstlerduo Sandford & Gosti in seiner Performance bereits gezeigt hat. Ihre Arbeit beschäftigt sich mit dem Übergang: von einer Kultur in die andere, von einer Erfahrung in die nächste und von einer geschichtlichen Erinnerung in die andere. Das „Riva Pendente“ symbolisiert dieses Zwischenreich, das zwischen den Bunkerwänden im Schwebezustand vorhanden ist.
Am Anfang war der Ort!

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