Robert Mapplethorpe – Gekonnter Balanceakt zwischen Klarheit und Sinnlichkeit

Mit seinen homoerotischen Fotografien wirbelte er einigen Staub auf, entfachte im Land der unbegrenzten Möglichkeiten eine heftige Diskussion über das, was in der Kunst erlaubt ist. Der ‚Mapplethorpe-Skandal’ ging durch die Presse und brachte dem Künstler eine enorme Popularität ein. Die Kunstszene hat davon profitiert, denn Robert Mapplethorpe hinterließ weit mehr als ein paar erotische Aufnahmen. Er brachte die Tendenzen der Kunst zur Vollendung, die bei Man Ray und Marcel Duchamp ihren Anfang nahmen und durch Pop Art Künstler wie Warhol, zu dessen Bewunderern sich Mapplethorpe zählte, zum Spiegel der modernen Gesellschaft wurden.


Der 1946 in Long Island geborene Robert Mapplethorpe erinnerte sich an eine wohlbehütete Kindheit: „Ich komme aus dem vorstädtischen Amerika. Es war eine sehr sichere Gegend. Es war ein guter Ort, um dort herzukommen und gleichzeitig ein guter Ort, um von dort fort zugehen.“ Über die Beschäftigung mit kommerziell vorgefertigten Material beim Pratt Institute in Brooklyn, wo er Abbildungen aus Zeitschriften und Büchern in eigene Bilder umsetzte, kam er Anfang der siebziger Jahre zur Fotografie. Er erkannte in ihr das adäquate Ausdrucksmittel für das 20. Jahrhundert. Bis dahin hatte er mit seinem eigenen fotografischen Werk noch nicht einmal begonnen.
Wenig später machte Mapplethorpe seine ersten eigenen Aufnahmen mit einer Polaroid Kamera. Der Fotograf, der eigentlich keiner sein wollte, schuf mit seiner von allem überflüssigen Beiwerk befreiten Ästhetik Ikonen der neueren Kunstszene. „Ich mochte die Fotografie nie, nicht um der Fotografie willen, jedenfalls. Ich mag das Objekt. Ich mag Fotografien, wenn man sie in der Hand hält.“
Der Umschwung bei Mapplethorpe zur Fotografie als sein einziges Ausdrucksmittel fand nach und nach Mitte der siebziger Jahre statt. Er erwarb eine großformatige Pressekamera und begann, Fotoserien von Freunden und Bekannten zu machen. Es entstanden technisch ausgefeilte Portraits von Künstlern, Komponisten, Schickeria-Berühmtheiten, Porno-Filmstars und Angehörigen der Homosexuellen-Szene.
Mapplethorpes Portraitfotografie bereicherte das Genre um einen konsequent neuen Stil. Die Dargestellten sind ohne verfremdende Inszenierung aufreizend direkt und doch unnahbar präsent. Ausnahmslos Gesichter, die eine intensive Ausstrahlung vermitteln, wie das von Patti Smith, David Byrne, Donald Sutherland oder die große alte Dame der Kunst: Louise Bourgeois
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Aufsehen erregten immer wieder die erotischen, bisweilen pornographischen Fotos Mapplethorpes. Das Publikum bewunderte auf der einen Seite die technisch meisterhafte Ausführung, war aber von dem Inhalt einiger Bilder schlichtweg geschockt. Mapplethorpe, der sich offen zu seiner Homosexualität bekannte, in einem Interview mit ArtNews Ende 1988: „Ich mag das Wort schockierend nicht. Ich bin auf der Suche nach dem Unerwarteten. Ich suche nach Dingen, die noch nie zuvor jemand gesehen hat. Ich war in der Lage, diese Aufnahmen zu machen und ich fühlte eine Verpflichtung, sie zu machen.“
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In den frühen achtziger Jahren begann in Mapplethorpes Schaffen eine Phase der Konzentration auf die klassisch formelle Schönheit eines Motivs. In seinen sensationellen Blumenbildern und den perfekt arrangierten Stillleben traf er messerscharf den ästhetischen Nerv seiner Zeit.
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Bis zu seinem frühen Tod im März 1989 arbeitet er unermüdlich an einer Vielzahl von Projekten wie Ausstellungen, Katalogen, Büchern und Werbearbeiten. Mit seinen konsequent auf Gleichgewicht und Perfektion ausgerichteten Bildern schuf Mapplethorpe ein Werk, das ihn zu einem der bedeutendsten Künstler des zwanzigsten Jahrhunderts macht.

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