Reineke Fuchs: ausgefuchste Inszenierung


reineke02.jpg„Denn höher vermag sich niemand zu heben, als wenn er vergibt.“ So spricht – ausgerechnet! – der grausame, verschlagene und verlogene Reineke Fuchs, als er einmal wieder auf die Gnade seiner Richter angewiesen ist. Die Tiermoritat um den schlauen Fuchs, der mit Lug und Trug immer wieder seiner gerechten Strafe entkommt und am Schluss sogar Kanzler des Reiches wird, war schon im Mittelalter ein Bestseller. Insbesondere die Prosaübertragung von Johann Christoph Gottsched im Jahre 1752 überlieferte die Geschichte in die Neuzeit. Diese Prosafassung war auch Goethe seit seiner Kindheit bekannt, und 1793 adaptierte er den zeitlosen Stoff in Versform. In 4312 aufs Schönste gedrechselten Versen in Hexametern, eingeteilt in zwölf Gesänge, erfüllte er die Mär in kunstvoller Sprache mit neuem Leben. Dadurch, dass Goethe die Verse nicht auszählte und die Zäsuren sehr spielerisch setzte, wirkt sein Text auch heute noch erstaunlich frisch und leicht – die der Gottsched-Adaption anhaftende Attitüde des erhobenen Zeigefingers weicht einem lakonischen, fast lässigen Duktus. Wie ernst Goethe das gesellschaftskritische Sittenbild indes nahm, sieht man daran, dass er die Geschichte auch als „unheilige Weltbibel“ bezeichnete.


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Reineke Fuchs: Holzschnittillustration, Frankfurt, 1550
Aus irgendeiner Umsetzung, und sei sie von Janosch, kennt eigentlich jeder den bösen Schelm Reineke Fuchs. Doch dass nur dort, wo Goethe draufsteht, auch Goethe drin ist, beweist derzeit eindrucksvoll das Freie Werkstatt Theater Köln mit einer Bühnenumsetzung, wie sie kongenialer nicht sein könnte. Regisseur Stefan Karthaus, der seine Schauspielausbildung an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart absolvierte, ist es hoch anzurechnen, dass er in einer sehr reduzierten Form der Bühnenübermittlung Goethes Text in seiner ganzen sprachlichen Kraft und Pracht zur Geltung brachte. In seiner ausgefuchsten Inszenierung setzt er ganz auf die Ausdrucksstärke des Darstellers Joachim Berger, Ex-Ensemblemitglied des Bonner Theaters, der den Originaltext fast unverändert rezitiert und dabei sämtliche Rollen übernimmt. Sein unglaublich vielseitiges stimmliches Ausdrucksvermögen wird unterstützt durch das Gitarrenspiel von Lukas von Dohlen, dem man anmerkt, dass er gleichermaßen in Jazz, Blues und Rock zu Hause ist. Die Musik verstärkt ruhige Passagen in ihrer Intensität und mildert auf der anderen Seite verbale Aufgeregtheiten ab, ohne dabei in onomatopoetische Plumpheiten à la „Peter und der Wolf“ zu verfallen.
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Joachim Berger, Lukas von Dohlen
Joachim Berger entwickelt für jedes Tier ein eigenes Übermittlungskonzept: Sein Dachs schwäbelt mit weicher Stimme, beim Hahn muss eine Zeitung als Requisit für die Flügel herhalten, tapsig-wankenden Gangs ist sein Bär. Dass das nie in eine niedliche Kinderstunde abgleitet, dafür sorgt schon der Originaltext von Goethe: Der Dichterfürst lässt es nämlich ganz ordentlich splattern, Mord, Vergewaltigung und alle erdenklichen Grausamkeiten säumen den Weg des Reineke Fuchs. Hatte man anfangs vielleicht noch Befürchtungen, ein einzelner Schauspieler könne die komplexe Geschichte alleine nicht tragen, wundert man sich am Schluss, wie amüsant und schnell eineinhalb Stunden vergehen können. Unbedingt ansehen!
Freies Werkstatt Theater Köln, „Reineke Fuchs“. Von: Johann Wolfgang von Goethe. Mit: Joachim Berger, Lukas von Dohlen (E-Gitarre). Regie: Stefan Karthaus.

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Eine Antwort zu “Reineke Fuchs: ausgefuchste Inszenierung”

  1. Gerne informiere ich Sie über Neues zum Thema Reineke-Fuchs über meine
    Website und als Buchveranstaltung mit der Übersetzung und Interpretation des
    wohl ältesten Textes zu diesem Tierepos, der mündlichen Volksüberlieferung in
    metrischen Versen und dem gereimten Theaterstück „Der Prozess der Tiere“.
    Mit freundlichen Grüßen zum Neuen Jahr 2014
    Richard Philipp Pooth

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