Picasso kulinarisch


Gestern spielte ich mal wieder Gastgeberin für einen der größten Künstler der Moderne und war auf den Spuren kulinarischer Motive bei Picasso unterwegs. Die wunderbare Zusammenarbeit mit Zeit für Wissen bescherte mir ein sehr interessiertes Publikum – schon zum wiederholten Male!

Und auch wenn die Picassos im Museum Ludwig momentan etwas ausgedünnt sind – einige Werke sind als Leihgaben unterwegs – so waren doch genau die Bilder zu sehen, an denen sich das Thema festmachen ließ. 2002 hatte ich die Idee zum Kunstmahl. Eine Veranstaltung, die sich meinem Lieblingsthema widmet: Kunst und Kulinarik. Seither gab es schon einige Veranstaltungen – zu Toulouse-Lautrec beispielsweise. Im Sommer werde ich über die Gaumenfreuden der Impressionisten berichten. Aber Picasso war für mich immer schon besonders. Er ist der Genießer-Typ schlechthin!

Vom Kaffeehaus zum Melonenesser

Lebensmittel, Essen und Trinken – es gibt zahlreiche Motive dazu im Werk Picassos. Im Museum starteten wir mit einem persönlichen Liebling: Einer Kaffeehausszene am Montmartre von 1901. Die hätte auch von Degas oder Toulouse-Lautrec sein können. Man sieht das Großstadtmotiv der Absinthtrinker, dazu gesellt sich eine Blumenfrau. Das Interieur ist typisch mit den üblichen Marmortischen und den großen Fenstern.

Übrigens hatte Picasso seine erste Ausstellung ebenfalls in einem Kaffeehaus! Im Els Quatre Gats in Barcelona. (Ja, die Verwandtschaft zum Le Chat Noir ist gewollt!). Bei seinen Aufenthalten in Paris – 1900 ist er dort zum ersten Mal, weitere Besuche folgen – saugt er impressionistische Motive auf. Sein Bild gibt die typische Kaffeehaus-Atmosphäre wieder. Der Schriftsteller und Kunstkritiker George Moore beschrieb sie einmal so:

„Ich kann mich an den Geruch einer jeden Stunde erinnern. Morgens der Geruch von in Butter brutzelnden Eiern, beißenden Zigaretten, Kaffee und schlechtem Cognac; um fünf Uhr der süße Duft des Absinth; bald danch kommt die dampfende Suppe von der Küche herauf, und am späteren Abend die vermischten Gerüche von Zigaretten, Kaffee und leichtem Bier. (…) Die üblichen Marmortische sind vorhanden und an ihnen saßen und ästhetisierten wir bis zwei Uhr morgens.

Natürlich mussten wir über den Kubismus reden. Picassos Frau mit Mandoline stellt vielleicht heutige Sehgewohnheiten nicht mehr infrage. Gab es auch kulinarische Motive in dieser Zeit? Der Apfel wurde ja zum Beispiel gerne genommen. Wir erfreuten uns an einem Braqueschen Stillleben mit Zitronen, das zwar aus den Zwanzigern stammte, aber doch auch einen wundervollen Impuls für das spätere Menüg geben sollte.

Beim synthetischen Kubismus wurde übrigens gerne mittels Spirituosen-Etiketten an gemeinsame Gelage in den Pariser Restaurants wie dem Lapin Agile erinnert.

Das Alterswerk Picassos ist in meinen Augen alles andere als das Werk eines alten Mannes. So viel Vitalität haut einen um! Als bekennender Melonen-Fan habe ich natürlich meinen absoluten Favoriten unter den Werken. Zum Gemälde aus dem Jahre 1967 rezitierte ich aus dem Theaterstück „Wie man Wünsche beim Schwanz packt“ – ein surrealistisches Stück, das Picasso im Hungerwinter 1941 geschrieben hatte und zu dessen Uraufführung Albert Camus Regie führte. Die Personen: Der Plumpfuss – Die Zwiebel – Die Torte – Die Kusine (damals gespielt von Simone de Beauvoir) – Das Klümpchen – Die beiden Wauwaus – Das Schweigen – Die fette Angst – die magere Angst – die Gardinen. Es geht fast ausschließlich um Küchendüfte und Verlangen.

Zum Abschluss unseres Rundgangs durch die Sammlung betrachteten wir das „Frühstück im Grünen“ – also die Version, die Picasso 1961 davon malte. Er war nahezu besessen von dem Manetschen Meisterwerk, das damals 1863 natürlich einen Skandal ausgelöst hatte. Nackte und leichtbekleidete Damen mit angezogenen Herren sitzen im Park und genießen ein frugales Mahl. Picasso reflektierte hier sein „Maler-Modell-Motiv“.

picassozutisch

 

Zu Gast bei Picasso

Bei mir zuhause sitzt er schon seit vielen Jahren mit am Tisch, der gute Pablo. Ich liebe das Foto mit den Brioche-Händen, das Robert Doisneau von Picasso gemacht hat. Es zeigt ihn in seinem fast schon ikonischen Streifen-Tshirt. Die Schwarzweiß-Fotos, die den Künstler im Atelier und im Alltag zeigen, kann ich mir immer wieder ansehen. Sie strahlen seine Persönlichkeit aus und sind so voll von Lebenslust!

Die Brioche-Hände waren übrigens in den 50ern typisch in Vallauris, wo Picasso von 1948 bis 1955 mit Francoise Gilot gelebt hat. Hier hat er auch seine Leidenschaft für keramische Arbeiten entdeckt. Dass man die in verschlungenen Formen gebackenen Brioches tatsächlich nach Picasso benannt hat, zeigt, welch ein Star er damals schon gewesen ist. Irgendwann werde ich mal solche Hände nachbacken. Brioche-Teig ist aber eine Wissenschaft für sich. Bin gespannt, ob es mir gelingt!

Die Farben von Horta

An dieser Stelle einmal ein Lob auf den Koch vom Ludwig im Museum. Das, was er aus meinen Anregungen zur Biographie Picassos gezaubert hat, war unglaublich lecker! Dank an das gesamte Team ist an dieser Stelle einmal angebracht.

Klar, Spanien musste den Auftakt machen! Es gab eine Suppe von roter und gelber Paprika. Verzeiht mir bitte, dass ich keine Fotos davon liefere. Aber ich war gestern zu sehr mit meiner Moderation beschäftigt, dass ich das Essen nicht dokumentiert habe.

Inspiration für die Suppe kam aus Horta, dem Ort, den Picasso in jungen Jahren mehrfach aufgesucht hatte. Und der durch einen längeren Aufenthalt in den Jahren 1907 und 1909 viel zur Entstehung des Kubismus beigetragen hatte. Hier verarbeitete Picasso auch die Ideen Cézannes. Kulinarisch ist die Region übrigens eher für deftige Wurstgerichte bekannt. Picasso liebte die spanischen Würste und machte sich später gerne lustig über die Pariser Wurst, die immer wie ein Luftballon in sich zusammenfiel, wenn man in sie hineinstach.

Allerlei Gewürze – wie zum Beispiel Safran – gingen in die Palette der kubistischen Bilder jener Jahre ein. Gemüse wird in dieser Gegend in der Provinz Tarragona besonders gefeiert. Die Zwiebel ist eine Königin! Das einfache Lebensgefühl der deftigen Landküche war genau nach Picassos Geschmack. Später wird er sich daran erinnern und beispielsweise in den Kriegsjahren Tomaten auf der Fensterbank seines Ateliers in der Rue des Grands Augustins züchten. Und wir haben uns den Geruch der gegrillten Pimientos vorgestellt, die sicher eine ähnlich kräftige Suppe hervorgebracht hätten, wie wir sie gestern genossen.

„In jenem Sommer reisten sie wieder nach Spanien und sie kamen dort mit spanischen Landschaften zurück: man kann sagen, dass diese Landschaften der Beginn des Kubismus waren“, schrieb später Gertrude Stein.

Das Dinner zu Ehren des Zöllners Rousseau

1904 hatte sich Picasso endgültig in Paris niedergelassen und zog mit seiner Spanier-Clique um die Häuser. Er bezog ein Atelier im berüchtigten Bateau-Lavoir, in dem unter anderem auch der Dichter Max Jacob logierte. Mit ihm und Kumpan Juan Gris sowie Guillaume Apollinaire verbrachte der Künstler so manchen köstlichen Abend. Es kursiert die herrliche Anekdote einer Dichterserviette, an der jeder der vier ein Eckchen nutzte.

Unser Hauptgang bestand aus Boeuf bourguingnon. Das zu dieser Zeit in vielen Café-Restaurants beliebte Gericht war eines der Leibgerichte Picassos. In seinem oben schon erwähnten Theater-Stück hat er diesem ein Denkmal gesetzt.

„Wobei ich allerdings meiner noch größeren Vorliebe für Rindfleisch mit Zwiebel- oder Burgundersauce durchaus eingedenk bleibe – zu verspeisen vornehmlich an Tagen schneeerfüllter Glückseligkeit.“

Die skurrilste kulinarische Geschichte jener Jahre spielte sich 1908 im Bateau-Lavoir ab. Nachdem Picasso beim allseits bekannten Trödelhändler Père Soulier ein Gemälde erstanden hatte, das sich als Werk von Henri Rousseau entpuppte, beschloss die feierwütige Truppe der Avantgarde-Künstler diesem ein Festmahl auszurichten. (Überhaupt war es anscheinend üblich, den ein oder anderen aus dem Kreise auf diese Weise zum Helden einer wilden Party zu machen. Für Guillaume Apollinaire richteten sie später auch ein Dinner aus!)

Wahrscheinlich hatte man geplant, den Abend über den üblichen Pastetentrick zu finanzieren (man bestellte beim Metzger um die Ecke und ließ sich liefern. Wenn der Bote vor der Tür stand, machte man einfach nicht die Tür auf und dieser stellte die Ware dann auf den Treppenstufen ab. Bezahlt wurde später – oder gar nicht!). Aber Picasso hatte den Termin verwechselt und so sahen sich Fernande und einige Freundinnen in der misslichen Lage, aus dem Nichts ein Abendessen für das Banquet des Zöllners Rousseau zu zaubern.

Eigentlich berühmt für ihren Speckfraß (Speck, weiße Bohnen, Weißkohl, Karotten, Kartoffeln, Zwiebeln) entschloss sich Picassos Geliebte Fernande unter der Anleitung von Gertrude Steins Lebensgefährtin Alice Toklas für eine etwas elegantere Pfanne Reis à la Valencienne.

Dieser wurde bei den Nachbarn gekocht, damit das Atelier als Empfangsraum dienen konnte. Fernande hat zwar das spanische Rezept für den Reis mitgebracht, nicht aber eine passende Paella-Pfanne. Man muss sich also einen riesigen Topf leihen und Fernande rannte alle fünf Minuten hinüber zu den Nachbarn, um einen Löffel Brühe über den Reis zu gießen, damit dieser nicht anklebt.

Endlich erschien Apollinaire, der ganz feierlich einen kleinen Mann mit Kinnbärtchen und einem großen schwarzen Barett auf dem Kopf hereinführte. Der Einzug des Zöllners löst Jubel aus. Nun kommt der Reis. Mit Kaninchenfleisch, Huhn und Würstchen garniert und köstlich mit Safran gewürzt, ist ein großer Erfolg. Apollinaire, der sich stets für die Kochkunst interessierte, möchte Genaueres über die verwendeten Gewürze wissen und stellt Vergleiche mit dem Risotto alla milanese an, für das er als Spezialist gilt.

Der Zöllner, so wird berichtet, sei während des für ihn ausgerichteten Banketts eingeschlafen. Derweil der bunte Künstlerhaufen weiterfeierte und das Bankett immer wilder und orgiastischer wurde, tropften die Kerzen auf den schlafenden Maler und er habe sehr lustig ausgesehen.

Für das ausgelassene Künstlerleben auf dem Montmartre stellte der erste Weltkrieg in den folgenden Jahren eine traumatische Zäsur dar. Aber auch im Privatleben Picassos veränderte sich einiges. Er sieht sich plötzlich in die „feine Gesellschaft“ katapultiert. 1918 heiratet er die russische Ballett-Tänzerin Olga, die er durch die Zusammenarbeit mit dem Ballets Russes von Serge Diaghilev kennengelernt hatte. Die steifen Saloneinladungen während seiner Ehe mit ihr soll Picasso gehasst haben.

Der Nachtisch duftete nach dem Süden

Ich verzichte hier mal auf die nicht enden wollende Reihe der Geliebten Picassos und springe in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Der Künstler lechzte nach entbehrungsreichen Jahren nach dem Licht und der Sonne. Er machte sich auf an die Cote d’Azur, wo er ab 1945 bis zu seinem Tod im Jahre 1973 leben sollte.

Kulinarisch stehen diese Jahre sicher auch im Zeichen der fischreichen Meeres-Region. Legendär sind seine Experimente mit abgegessenen Gräten, die er in Ton zu einem Kunstwerk werden ließ. Seeigel scheinen ihn über die Maßen fasziniert zu haben. Ansonsten lebte er gerne einfach und nach seinen eigenen Reglen. Francoise Gilot beschreibt seine Fühstücksgewohnheiten.

„Jeden Morgen kam zuerst Inès, das Zimmermädchen, mit Pablos Frühstückstablett: Café au lait und zwei Stück ungesalzene Zwieback. Ihr folgte Sabartès mit den Zeitungen und der Post. Ich bildete die Nachhut.“

In jenen Jahren entstehen auch viele seiner Radierfolgen, die er teilweise in einer ausrangierten Küche anfertigte. Atelier und Küche liegen gerade bei diesem Künstler eng beieinander. Gerade in den späten Jahren ist Genuss eines seiner Hauptthemen.

Mit einer herrlichen Tarte au citron feierten wir den großen Katalanen, der über seine Mutter übrigens mit dem Land verbunden war, wo bekanntermaßen die Zitronen blühen.

 

 

 

 

 

 

 

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2 Antworten zu “Picasso kulinarisch”

  1. Wnderbar geschrieben …. wieso habe ich deinen Blog erst jetzt entdeckt? Dafür aber sofort abonniert und freue mich, das Wochenende zum Stöbern nutzen zu können

    • Liebe Dagmar,

      ganz herzlichen Dank für dein Kompliment. Und ich freue mich natürlich sehr, wenn du weiter hier mitliest.

      Ganz liebe Grüße von Anke

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