Die Metapher mit den Fußstapfen könnte nicht besser passen als beim Thema der Nachfolge von Max Hollein. Der Leiter des Städel (und der Schirn sowie des Liebighauses) zieht von dannen. Und ganz Museumsdeutschland hält den Atem an. Wer mag ihm wohl folgen. Und wird das, was so fulminant vor allem im Digitalen gefruchtet hat, weitergedacht. Ich könnte mir vorstellen, dass Hollein tatsächlich genug angeschoben hat. So, dass bestimmt noch einige Zeit von seinen Ideen gezehrt werden kann. Der Online-Kurs ist ja auch nicht als Eintagsfliege gedacht. Was der kann, habe ich mir mal im Schnelldurchlauf angesehen und verbloggt.
Die Leuphana Universität hatte ich übrigens schon beim Goethe-Mooc als gute Adresse für neue Formate der Kulturvermittlung im digitalen Raum kennengelernt. Jetzt waren sie Partner des Städel bei einem Online-Kurs zur Kunstgeschichte. Der wurde von mir schon länger mit Spannung erwartet. (Natürlich aus rein professioneller Kolleginnen-Neugier 🙂 Ich gehöre mit Sicherheit nicht zur anvisierten Zielgruppe des Online-Kurses. Das ist der Museumsbesucher ohne besondere Kennerschaft.)
“ Insgesamt beinhaltet der Kurs rund 40 Stunden multimedial aufgearbeitetes Wissen.“ So steht es in der Pressemitteilung. (Ich habe mich insgesamt etwas mehr als 4 Stunden darin umgesehen.) Inhalt? Es geht um die Moderne! Deren Entwicklungen „von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart“. Die Werke des Städels dienen als Vorführ-Objekte.
Kontext is King
Das Konzept verzichtet auf chronologisches Abmetern der Kunstgeschichte. Vielmehr geht es darum:
Modul 1 – Sehen lernen: Formale und motivische Bildanalyse
Modul 2 – Verborgenes entdecken: Unterschiedliche Entstehungskontexte von Kunstwerken
Modul 3 – Positionen ergründen: Künstlerische Programmatiken und Ordnungssysteme
Modul 4 – Verbindungen zeigen: Korrespondenzen zwischen verschiedenen Künstlern und deren Werken
Modul 5 – Sammeln und präsentieren: Das Museum und seine Rolle in der Kunstwelt
Die Mischung der verschiedenen Lernformate ist wirklich gelungen. Das Digitorial ist ein ja Baustein, der sich bereits bewährt hat. Im Online-Kurs tut es auch gute Dienste. Für vertiefende Studien kann man sich an verschiedenen Stellen über die Hintergründe und Zusammenhänge bestimmter Kunstrichtungen informieren.
Ein Aspekt, der mir gut gefallen hat: Es werden vergleichbare Strukturen in unterschiedlichen Kunstströmungen herausgestellt. Dadurch verfestigt sich das Gelernte auf spannende Weise. Wie zum Beispiel bei der Darstellung der Berliner Brücke und den Moritzboys. Klassische Moderne und 80er-Jahre! Das hat was, diese besondere Dramaturgie in den inhaltlichen Gegenüberstellungen.
Ein Highlight ist Sebastian Blomberg. Allein seine Einführungen in jedes neue Modul ist ein Kulturgenuss der Extraklasse. (Und ich finde ihn auch nicht so „verbraucht“ wie irgendein gerade aktueller Star.) Mein persönlicher Favorit unter seinen Auftritten ist der letzte Take. Blomberg hockt lässig auf dem Kassentresen und erklärt die Idee des öffentlichen Museums. (Es ist wirklich löblich, dass Kunstgeschichte in dem Kurs ganzheitlich gedacht wird und ergo auch das Ausstellen und Präsentieren eine wesentliche Rolle in den Lerninhalten spielt). Am Ende seiner Ausführungen springt er vom Tresen, klopft jovial auf die Platte und sagt: „Ich hab ne Jahreskarte.“ Habe ich da etwa einen kleinen Chuck-Norris-Joke entdeckt? Solche humorvollen Einlassungen gibt es hier und da in den Einführungsvideos. (Zu jedem der fünf Module gibt es einen Kurzfilm!) Sie nehmen dem ganzen die akademische Schwere, die „Bildungsinhalte“ und „Lernen“ ja schnell bekommen können. (Achtet auch mal darauf, ob ihr den Cameo-Auftritt von Max Hollein entdeckt!)
Interaktion is Queen
Die spielerischen Lerneinheiten sind die hohe Kunst der Vermittlung. Ich bin mir sicher, dass in diese Teile das meiste Gehirnschmalz beim Erstellen des Onlinkurses geflossen ist. Die Zusammenarbeit zwischen erfahrenen Museumspädagogen und Game-Experten merkt man dem Ganzen an. Gut, unterwegs habe ich mich auch mal gelangweilt (Das Buchstabenspiel sagte mir so gar nicht zu. Aber das mag anderen möglicherweise gefallen.) Insgesamt hätte es für mich ein bisschen kreativer und experimenteller zugehen dürfen. Aber ich sehe schon ein, dass die Zielgruppe wohl eher eine klassische Vermittlung erwartet. (Und ich betone noch einmal: ich bin ungleich die Zielgruppe 🙂
Spaß hatte ich an der Zuordnung von Zitaten. Bin schon immer ein großer Fan von Originalzitaten. Dadurch wird eine Zeitströmung erst so richtig lebendig. Bisweilen habe ich mich gefragt, ob man ganz ohne Vorkenntnisse nicht doch hier und da ein bisschen schwer vorankommt. Immerhin gibt es aber ausführliche Texte, aus denen man eine Menge mitnehmen kann. Und die muss man schon sehr gewissenhaft durcharbeiten, um danach einen Transfer leisten zu können. Ich glaube aber, dass ein gewisser „Schwierigkeitsgrad“ auch sehr erwünscht ist bei den Kursteilnehmern. Sie wollen ja am Ende etwas geleistet haben.
An anderer Stelle muss man ein gutes Auge haben. Zum Beispiel, wenn es darum geht, Bildpaare mit ähnlichen Motiven zu kombinieren. Schließlich wird man auch noch zu einer kuratorischen Aufgabe eingeladen, indem man über die Präsentation verschiedener Themen und Bilder entscheiden kann. Eine schöne Motivation, wenn es nicht nur darum geht, etwas wiederzugeben oder eine „richtige“ Antwort zu finden.
Gemeinschaft ist das Königreich
Wer den Kurs absolviert hat, erhält ein schönes Zertifikat und zwei Eintrittskarten ins Städel. Es kam auch schon nach knapp einer Woche die erste Absolventin. Das ist toll. Weitere werden bestimmt folgen. Ich bin mal gespannt, ob uns das Städel auch an den Erfahrungswerten mit dieser Art der Kunstvermittlung teilhaben lässt. Ich werde nach gegebener Zeit gerne mal bei Chantal Eschenfelder nachhaken. (An dieser Stelle möchte ich ihr mal ausdrücklich ein Kompliment machen. Max Hollein hat bestimmt für gute Bedingungen gesorgt. Aber es muss ja auch jemand alles konzeptionell und inhaltlich ausführen. Für mich sind viele Produkte des Städel ein wunderbares Beispiel dafür, dass es für Kunstvermittler eine große Spielwiese im digitalen Raum gibt.)
Was ich noch dachte: Eigentlich wäre der Online-Kurs doch auch eine perfekte Steilvorlage für den Aufbau einer Community. Da fehlt mir so ein bisschen an Kommunikation rund um die Onlinekurs-Geschichte. Also unter den Teilnehmern oder Absolventen. Ich könnte mir zum Beispiel sehr gut vorstellen, dass man über Kursthemen ins Gespräch kommen kann. Vielleicht lassen sich so auch Erkenntnisse für zukünftige Kurse gewinnen. Aber ich sehe natürlich, dass dies wieder eine Ressourcen-Frage ist (Moderatoren müssen dann ran). Vielleicht etwas für die Zukunft.
Kleine Nebenbemerkung: Leider empfinde ich die Präsenz des Städel (Schirn und Liebighaus nicht ausgenommen) in den sozialen Netzwerken als sehr zurückhaltend. So richtig kann ich die Menschen hinter den Accounts nicht erkennen. Ein Dialog ist da eher schwierig. Ob bewusst so geplant? Keine Ahnung. Würde es mir aber anders wünschen.
Mein Fazit: Wer schon immer mal lernen wollte, wie man mit diesen ganzen -ismen in der Kunstgeschichte jonglieren kann, dem sei der Online-Kurs als unterhaltsame Wissensvermittlung unbedingt ans Herz gelegt.
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