Liebe zum Detail

Andreas Gursky ist einer der wichtigsten Vertreter der zeitgenössischen Fotografie. Der gebürtige Leipziger ist ein Teil der berühmten Becher-Schule, die aus der Düsseldorfer Akademie hervorgegangen ist und die seit den späten achtziger Jahren die Fotografie als Genre überhaupt erst zu einem bedeutenden Erfolg innerhalb der Kunstszene gebracht hat. Gursky fasziniert mit großformatigen Bildern, auf denen zunächst eine unübersehbare Masse, ein kaum überschaubarer Raum zu sehen ist. Der Betrachter ist zunächst kaum in der Lage, das gesamte Bild auf einen Blick zu erfassen. Dann aber schwenkt der Blick auf die Details, es wird sozusagen der Focus eingestellt und man verliert sich in den Einzelheiten, schwankt immer wieder vom Makro- zum Mikrokosmos. Die Gedanken schwingen vom großen Ganzen zum Individuellen und wieder zurück. Oft hat man Assoziationen einer romantischen Weltsicht à la Caspar David Friedrich.
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Konzert der Toten Hosen, ganz links sieht man einen kleinen Campino auf der Bühne agieren, die Masse der Fans ist in rasantem Drive wiedergegeben


Am Wochenende eröffnete eine Ausstellung im Münchener „Haus der Kunst„, die eine umfassende Schau mit Werken des Künstlers zeigt. Sie dauert noch bis einschließlich 13. Mai und lohnt sich. Sind doch hier viele der riesigen Formate Gurskys zusammengeführt und das vergleichende Sehen liefert allemal mehr Erkenntnisse als jeder erläuternder Text (warum muss der nur durchweg klein geschrieben sein? Liest sich gar nicht gut!)
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Andreas Gursky geht mit seinen Fotos weit über die ursprüngliche Idee der wirklichkeitsgetreuen Wiedergabe von Welt hinaus. Besonders bei seiner berühmten Architekturaufnahme eines Wohnhauses am Pariser Montparnasse wird die neue Qualität der Fotografie deutlich. Hier entsteht einerseits ein formales Raster, das die architektonischen Einzelheiten fast wie ein abstraktes Muster spiegelt. Andererseits aber wird jedes Detail überdeutlich scharf gestellt. Der Betrachter verliert sich in jedem einzelnen Fenster und mag sich fragen, welches Schicksal sich dahinter verbirgt. Was sagt uns eine Blume oder ein zugezogener Vorhang, was erzählt uns die Inszenierung des Nichtgezeigten. Die digitale Bearbeitung der Fotografien erlaubt Gursky eine Lenkung und Inszenierung. Diese Tendenz verfolgen auch andere Künstler, wie z.B. Jeff Wall, der auf seinen Bildern nichts dem Zufall überlassen möchte und auch so den Betrachter mit einer ganz eigenen Welt in den Bann zieht. Fast scheint es, als wenn durch die neuen Bearbeitungsmöglichkeiten die Fotografie sich den Aspekten der Malerei nähern, zeigen doch Fotografen wie Gursky eher Sinnbilder denn Dokumentationen von Wirklichkeit.

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