Lebende Bilder


Seit dem späten 18. Jahrhundert sind die sogenannten „Tableaux vivants“ ein beliebtes Gesellschaftsspiel gewesen und wurden in der Goethezeit zum allgemeinen Zeitvertreib. Eine Epoche, in der man ja das Spiel als solches zu einem wesentlichen Aspekt des menschlichen Seins erhoben hatte. Mit der Entwicklung der Fotografie wurde das Nachstellen berühmter Bilder zum Lieblingsmotiv des neuen Mediums. Die Nähe zu theaterhafter Inszenierung gehörte von Anfang an zu diesem besonderen künstlerischen Genre und treibt bis heute interessante Blüten.
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Die Künstlerin Cindy Sherman hat Ende der neunziger Jahre eine ganz neue Form des künstlerischen Selbstporträts geschaffen, die vor allem die Frage nach der Identität des künstlerischen Individuums stellt. Sherman befragt sich selbst und schlüpft in die Kostüme früherer Jahrhunderte und berühmter Beispiele der Kunstgeschichte. Besondere Effekte legen „falsche“ Fährten – so zum Beispiel die Verwendung von Prothesen.
Dass es auch heute noch reizvoll sein kann, die Bilder berühmter Maler nachzustellen, zeigt eine Aktion des Instituts für Kunstgeschichte in Berlin, die vor einiger Zeit anläßlich einer Museumsnacht dazu einlud, bei einem solchen „Tableau vivant“ mitzumachen. Die Kulturtussi regt ein kleines Quiz an: welche Bilder werden hier nachgestellt???
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Das Bild weckt nostaligische Erinnerungen in mir: es war Bestandteil meiner Magisterprüfung
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Wohl eines der beliebtesten Spießermotive – aber wagen wir doch mal den Vergleich mit dem Original!
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Auch die Werbung bedient sich der Tableaux vivants und das bekannteste Beispiel hierfür ist die Umsetzung des Abendmahls von Leonardo da Vinci, das vom Modemacher Otto Kern verwendet wurde und jüngst für eine Werbung für das französische Modehaus Marithe et Francois Girbaud. Beide Male ging ein Raunen durch den Wald der Kulturpessimisten und die Werbung in Frankreich wurde sogar verboten (vor allem, weil hier Frauen die Hauptpersonen waren?). Das finde ich als Kulturtussi allerdings übertrieben. Die Verwendung der berühmten Vorbilder und das Spielen mit den Ikonen der Vergangenheit ist hier durchaus intelligent umgesetzt worden.
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