Isa Genzken gilt als eine der einflussreichsten Künstlerinnen der Gegenwart. Sie wird sogar den deutschen Beitrag für die kommende Biennale in Venedig beisteuern – wie sie überhaupt 2007 allgegenwärtig sein wird: bei skulpturen projekte münster ebenso wie auf der documenta.
Bisher hatte ich Isa Genzken vor allem mit den strengen Architekturfragmenten aus Kunststoff verbunden. Hatte sie irgendwie in die Schublade „minimal art“ geschoben und in Richtung Materialästhetik und Raumbeherrschung aufgehangen.
Dann begegnete ich bei meinem letzten Rundgang durch das Museum Ludwig in einem abseits der Laufrichtung gelegenen Extra-Raum einer Installation, die mich sofort in den Bann zog.
„Kinder filmen“ ist eine Installation, die so gar nichts von purer Form und selbstreferentieller Ästhetik der Fenster oder sonstigen Architekturfragmente aufweist, die Isa Genzken anscheinend mit einer fast explosionsartigen Chaos-Show hinter sich gelassen hat.
Ausstellung von Isa Genzken im Kunstverein Braunschweig, 2000
Der Raum, der durch zerschlissene Sonnenschirme (Coca Cola) und merkwürdige Aufbauten sowie kleine Servierwägelchen definiert wird, ist in Bewegung geraten. Ventilatoren und sonstige Geräusche geben ständige Aktion vor. Wie kleine böse Gremlins hocken die „Kinder“ und sind offensichtlich – man meint einen Regissseur zu erkennen, einen Regieassistenten, Schauspieler und Akteure in verrenkten Posen – dabei, einen ganz schrägen Film zu drehen. Utensilien in Plastiktaschen, Deko aus ebenfalls haptisch sehr reizvollen Materialien und üppig wie Filmblut verteilte Farbe grenzen den Assoziationsradius dieser Installation ein.
Ich musste lächeln bei dem Gedanken, wie viele Besucher hier vielleicht kopfschüttelnd weitergehen. Ich kenne den Spruch schon: „Und das soll Kunst sein!?“ Zugegebenermaßen habe ich auch gedacht: mh, neu ist das doch nicht, oder? Wirkt doch ein bisschen so wie die Alltagsgegenstands-Assemblagen der Popkünstler, die hier zwei Stockwerke tiefer in epischer Breite zu sehen sind. Man kommt ja doch ins Grübeln. Da ist sie aber wieder, die allseits beschworene Postmoderne. In diesen Kontext ist seit den 90er Jahren der Gedanke „War doch schon mal da“ zu versetzen. Will heißen: heutzutage ist alles schon einmal gewesen. Es ist quasi unmöglich, komplett neue Beiträge zur Kunstgeschichte zu liefern. UNMÖGLICH!! Also kann „neu und noch nie dagewesen“ nicht als Kriterium für die Bewertung von postmoderner Kunst herangezogen werden. Was bleibt darüber hinaus? Was sind die Aussagen, die vielleicht schon einmal da waren, hier und jetzt wert?
Isa Genzken ist deshalb eine einflussreiche und impulsgebende Künstlerin, weil sie mutig Wiederholungen und Neuorientierungen auch innerhalb ihres eigenen Œuvres wagt. Sich selber um die eigene Achse zu drehen und neue Ansätze zu verwirklichen, das erfordert schon eine gehörige Portion an Selbstsicherheit. Dabei bleibt sie sich jedoch auch treu (und das ist doch das eigentlich Geniale). Immer noch könnte man die Wege verfolgen, wie die Künstlerin mit Material umgeht. Plastik und trashige Szenarien lösen weiterhin die Frage nach der Oberflächenstruktur aus und insgesamt steht wieder einmal die Besitzergreifung des Raums im Zentrum ihrer Kunst. Diesmal eben nicht mit präzise geschnittenen architektonischen Strukturen, sondern mit bewusst an Zerstörung und Zerfleischung anknüpfenden wie Tumore wuchernden Objektanhäufungen.
Ich bin sehr gespannt auf den venezianischen Beitrag!!
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