Der Star des Wallraf-Richartz-Museums – Stephan Lochners Madonna in der Rosenlaube – enthält eine unglaubliche Menge an versteckten Botschaften, die nun endlich entschlüsselt werden konnten.
Seit ungefähr einem halben Jahr wird dieses Schmuckstück der Mittelalter-Abteilung des Kölner Museums genauer untersucht. Der Kunsthistoriker Roland Krischel hat sich das kleine Bildchen vorgenommen und erst einmal in die Restaurierungswerkstatt gebracht. Dort stellte man beispielsweise fest, dass es auch auf der Rückseite bemalt wurde.
Das ist jedoch nicht die einzige Entdeckung, die sich unter dem Schmutz der Jahrhunderte offenbarte. Hinter der Darstellung der Jungfrau Maria, die seinerzeit eine wahre Flut an süßlich-schmelzenden Madonnenbildern auslöste, steckt ein ausgetüfteltes theologisches Programm, das nur von einem äußerst gebildeten Menschen ersonnen worden sein kann. Und der wollte sich natürlich auch als Erfinder dieses Programmes nicht unbedingt im Hintergrund halten. Vielmehr war es durchaus üblich, dass in dieser Zeit der Stifter immer prominenter in den Bildern auftauchte und – das zeigen auch verschiedene ähnliche Bildprogramme dieser Zeit – so ist es ziemlich wahrscheinlich, dass es noch eine zweite Bildtafel gab, die das Kölner Madonnenbild zu einem Diptychon machte.
So weit, so spannend. Unglaublich, was man nach 500 Jahren alles Neues erfahren kann über so ein kleines Bild. Die Kunstgeschichte arbeitet manchmal regelrecht detektivisch mit Indizien und Hinweisen, denen man nachgehen muss. Es gilt, Handhaltungen zu vergleichen, Maße zu überprüfen und jeden Millimeter eines Bildes auf Hinweise zu durchforsten, was das Dargestellte bedeuten soll.
Stephan Lochner – er ist ja sowieso ein besonderer Fall, da er der einzige Künstler der Kölner Malerschule ist, von dem der Name bekannt wurde. Die anderen verharren bis heute in der Anonymität der Notnamen. Dürer hatte seinerzeit einen Bericht über den Meister Stephan und eine genaue Beschreibung seines Altars der Stadtpatrone abgeliefert und so bis heute festgehalten, wer diese Bilder malte.
Lochner hat die Kölner Malerschule beeinflusst durch einen immer naturalistisch werdenden Stil, der jedoch niemals das hochmittelalterliche Denken verleugnete, dass jedes Detail immer eine Symbolbedeutung habe. Die Erdbeeren, die Vergißmeinnicht, die er so darstellt, als seien sie aus einem Biologiebuch entnommen, deuten auf die Blutstropfen und den Glauben an Gott.
Bei all diesen spannenden Entdeckungen finde ich es fast ein wenig schade, wenn hier nun vom „Lochner-Code“ gesprochen wird. Ich finde, das hat die Präsentation der neuen und wirklich sensationellen Beweise gar nicht nötig. Zumal ja die da Vinci-Geschichte im Kinothriller eher zu belächeln ist. Wahre kunsthistorische Erkenntnisse treten da ja eher hinter den dramturgischen Plot zurück.
Es lohnt sich aber auf jeden Fall, in der nächsten Zeit seine Schritte ins Wallraf-Richartz-Museum zu lenken und sich einmal dieses geheimnisvolle kleine Bildtäfelchen im Original anzuschauen.
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