Kölner Radtour mit Kultur Teil III „Architektour“

Die folgende Tour legt einen Schwerpunkt auf längere Fahrstrecken in der Natur und bietet mit architektonischen Highlights den Rahmen für einen sportlichen Nachmittag. Wir beginnen unsere Tour in Lindenthal an der Kirche „Christi Auferstehung“ und fahren weit hinaus in den Grüngürtel. Die Anreise ist wieder mit der KVB möglich. Man kann die Linien 1 und 7 nehmen und dann an der Haltestelle „Melaten“ aussteigen. Von dort aus gelangt man über die Bruckner Straße zur Kirche.

Für die Tour haben wir insgesamt 4 Stunden veranschlagt – inklusive einer längeren Rast. Insgesamt fahren wir rund 25 km. Zwischendurch kann gerne etwas sportlicher in die Pedalen getreten werden.

christiauferstehung
Die Kirche Christi Auferstehung (1963 – 1970) ist ein architektonischer Augenschmaus hier inmitten der schönen Parkgestaltung zwischen den Achsen zweier Kanäle, die bereits 1925 entstanden. Der prominente Platz zwischen den beiden versetzt laufenden Kanälen war auch schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegenüber dem Friedhof Melaten mit einer Kirche bebaut, die jedoch die schweren Kriegszerstörungen nur bis Anfang der sechziger Jahre überstand. In dem Jahr, in welchem er mit der Erbauung der Wallfahrtskirche in Neviges Furore machte, holte man Gottfried Böhm als Gestalter eines neuen Kirchenbaus nach Lindenthal.
Architekturliebhaber wissen etwas mit dem Begriff „Böhm-Stil“ anzufangen. Und auch, wenn ihr das vielleicht noch nicht gehört haben solltet. Am Ende unserer Tour seid ihr auch zu Fans dieser Baumeister-Familie geworden. Soviel ist sicher!

Gottfried wurde 1920 als jüngster Sohn von Domenikus Böhm in Köln geboren. Er besuchte übrigens das Apostelgymnasium, dessen Nachkriegsbau links neben dem Rautenstrauchkanal liegt und welches zu den ältesten Gymnasien Kölns gehörte. Er schuf bedeutende Bauten der Moderne, von denen unter anderem der sogenannte Mariendom in Neviges (1961 – 1973) als ein international anerkanntes Vorbild moderner Formensprache gilt. 1986 erhielt er den renommierten Pritzker-Preis für Architektur.

Die Kirche „Christi Auferstehung“ entwickelt sich auf einem Grundriss mit sehr vielen Ecken nach oben. Das ist er, typische Böhmstil. Bereits Vater Domenikus hatte den Betonschalen-Bau zu seinem architektonischen Wiedererkennungs-Zeichen gemacht. Heute brilliert sein Enkel Paul – der jüngste Sohn Gottfrieds – mit dieser Konstruktionsart. Aktuelles Beispiel ist der heiß disktuierte Bau der Kölner Moschee.

Gottfried Böhm nutzt nun den Beton, um hier in Lindenthal im Wechselspiel mit rotem Backstein eine Marke in die Park-Landschaft zu setzen. Ganz im Thema der Auferstehung gibt er dem außergewöhnlichen Bau einen sich extravagant in die Höhe windenden Glockenturm bei. Wie eine Skulptur setzt Böhm die Architektur in den Mittelpunkt der Parkgestaltung. Wer auf die Kirche aus der Richtung Clarenbachkanal zufährt wird schon von weitem mit einer tollen Inszenierung des Baukörpers belohnt. Das nenne ich mal eine Betonung von deutlichen Sichtachsen.

Betritt man die Kirche, so erwartet einen im Innenraum eine fast höhlenartige Atmosphäre. Heimelig dunkel, nicht düster. Ein Gefühl, das durch den Eindruck der für Gottfried Böhm so charakteristischen asymmetrischen Faltdecke verstärkt wird. Der Kölner Architekt hat hier Ende der sechziger Jahre die Formensprache der Zeit umgesetzt. Starke Konturen und klar definierte Aussagen zu Außenhaut und Innenraum machen den besonderen Charme dieses Kirchenbaus aus.

rautenstrauchkanal_figuren

Wenn wir dem Rautenstrauch-Kanal folgen, dann kommen wir an den beiden Skulpturen des Bildhauers Georg Grasegger vorbei. Zwei grimmige Kentauren, die jeweils hinter sich eine ängstliche Najade verstecken und sich gegenseitig mit riesigen Steinbrocken bewerfen wollen. Was für ein Schauspiel. Sie wurden 1930 von Eduard Schmitz nach den Entwürfen des 1927 verstorbenen Professors für Bildhauerei an den Kölner Werkkunstschulen angefertigt.

Der wütende Kentaur ist eine Figur der antiken Sagenwelt, der für sein ungezügeltes Wesen, seine Trunksucht und seine Lüsternheit bekannt ist. Najaden sind in der Mythologie Nymphen, die meist über fließende Gewässer wachen. Der in jüngster Zeit frisch restaurierte Kanal mit seiner wunderbaren Kastanienallee ist übrigens damals als Referenz an die Düsseldorfer Kö entstanden – so zumindest begründete der damalige Stadtbaumeister Fritz Schumacher die Planungen! Flaniermeile mit Window-Shopping gegen Radeln in der Natur – was ist wohl schöner?

Wir fahren auf jeden Fall den Kanal entlang und kreuzen den Lindenthalgürtel. Nun geht es weiter in Richtung Marcel-Proust-Promenade und wir kommen an ein Denkmal, welches daran erinnert, dass wir uns auf einer alten Pilgerstrecke befinden. Hier berichtet ein kleiner Gedenkstein an den Besuch des Papstes 2005 in Köln.

Wir fahren dann nicht weiter entlang der üblichen Route, sondern nehmen den Weg über die kleine japanisch anmutende Brücke entlang des hübschen Kahnweihers, halten uns in Richtung Lindenthal links und überqueren die Kitschburger Straße. Wir könnten jetzt auch einen kleinen Abstecher zum Tierpark unternehmen, aber da wir auf den Spuren des „Böhm-Stils“ unterwegs sind, fahren wir weiter in die Morsdorfer Straße und queren die Dürener Straße. Dann geht es kurz in die Prälat-van-Ackern-Straße und wir befinden uns vor dem Krankenhaus St. Elisabeth.
Diesmal geht es um Domenikus Böhm, den Vater. Er erhielt den Auftrag, für das damals modernste Krankenhaus Deutschlands eine Kirche zu entwerfen, die im Innenraum eine besondere Aufteilung notwendig machte. Die Nutzung sowohl für die Kranken als auch die restliche Gemeinde setzte diese Anforderungen – man wollte aus verständlichen Gründen keine Vermischung. Daher finden wir hier einen interessant verschachtelten Raum vor, der auch von außen mit seiner hochaufragenden Backsteinfassade außergewöhnlich wirkt. Ganz im Bauhaus-Sinne „form follows function“ hatte Böhm hier 1930 bis 1932 einen streng gegliederten Baukörper entworfen. Die Innenausstattung übernahm zu großen Teilen sein guter Freund Ewald Mataré.

Über den Haupteingang des Krankenhauses und dann rechts in den hinteren Gang hinein, gelangt man zu einem Besuch in den Innenraum.

1940 entwarf Mataré für die Kirche ein umfassendes bildkünstlerisches Konzept. Für ein Grabdenkmal schuf er die Figur eines Schmerzensmannes aus Ulmenholz, der mit seiner einfachen archaischen Ausstrahlung ernst und starr den Tod bewacht. Quasi als Gegenentwurf entstand ein überlebensgroßer „Triumphierender Christus“. Mit zahlreichen Ausstattungsarbeiten für die Kirche – wie z.B. der Gestaltung der Eingangstüren zu der Grabkapelle und weiteren Türen für die Seitenkapellen – war die Ausstattung für die Elisabeth-Kirche in Hohenlind eine von Matarés umfangreichsten Auftragsarbeiten. Außergewöhnlich war damals die Höhe der Geldmittel, die für Kunstobjekte ausgeben wurden. Dies war möglich, weil das Krankenhaus nach der Mobilmachung als Reservelazarett an die Wehrmacht verpachtet wurde. Es kamen jährlich etwa 100.000 Reichsmark zusammen, die man postwendend in Kunst investierte. Leider wurde die Kirche bei einem schweren Bombenangriff 1941 erheblich zerstört.

Für unsere Weiterfahrt nehmen wir uns ein bisschen Zeit und fahren durch Deckstein über die Bachemer Straße in Richtung Militärring. Diesen überqueren wir und begeben uns zum Decksteiner Weiher. Dort haben wir Zeit für eine kleine Pause! Das Haus am See ist mit seinem Bootsverleih und der benachbarten Minigolfanlage dem Charme der 50er und 60er Jahre noch sehr nah. Draußen nur Kännchen! Aber es ist eben dieses Nostalgie-Feeling, was das Café so besonders macht.

Entlang des Decksteiner Weihers radeln wir um dieses in den 20er Jahren bereits zur Ausübung des Rudersportes angelegte Gewässer. Auf dem letzten Stück befindest sich linker Hand Richtung Militärring die Skulptur „Tor“ des Künstlers Klaus Bönninghausen. Die monumentale Stahlplastik steht in der Nähe des sogenannten Geißbockheims – dem Vereinsheim des Traditionsvereins 1. FC Köln. Vielleicht eine kleine Spielerei, die der Künstler sich hier erlaubte, auch wenn die Arbeit für mich eher geprägt ist von der Vorstellung eines archaischen Tors in eine andere Welt.

Wir fahren nun durch die Grünanlage weiter bis zur Luxemburger Straße und an dieser entlang Richtung Hürth. In Hermülheim biegen wir in die Hans-Böckler-Straße ein und gelangen zur jüngst als Böhm Chapel zur Kulturinstitution umfunktionierten Kirche St. Ursula. 1954–56 hatte Gottfried Böhm nach Entwürfen seines Vaters diesen Bau umgesetzt. Der sensationelle Innenraum ist ein Zentralbau, der mit sechs halbrunden Nischen unter einem Kuppeldach entsteht. Dieses besteht aus kleinen Zedernholzschindeln, die eine warme Atmosphäre verbreiten. Hohe lichte Fenster lassen das Licht in den Raum. Mir fällt ein seltsames Muster auf dem Glas auf. Es erinnert an ein Netz. Ja, klar. Der Menschenfischer! Tatsächlich eine interessante Gestaltung, die man nicht oft auf Kirchenfenstern sieht.

böhmchapel

Die Profanisierung der Kirche hat die Gemüter erhitzt und sicher war es nicht leicht, dieses besondere Gotteshaus aufzugeben. Dennoch kann man davon ausgehen, dass die Galerie-Nutzung nicht das Schlechteste ist, was diesem Architekturdenkmal passieren konnte. Besonders die sorgfältige Gestaltung der unmittelbaren Umgebung der Böhm Chapel zeigt das Engagement der Galeristen. Sie lässt den Bau wie ein Juwel erstrahlen. Als wir zur Besichtigung dort waren, trafen wir auf einen äußerst sympathischen Wärter, der augenscheinlich auch für die Pflege des Baus und des Geländes verantwortlich ist. Er erzählte uns auch die Geschichte, wie es zum Kauf der Kirche durch den Galeristen kam und schien sichtlich selbst noch heute begeistert von dem spannenden Coup. Und er versicherte uns, dass er jeden Samstag und Sonntag hier auf Besucher warten würde. Jeden! Das war ihm wichtig zu betonen!!

Auf dem Rückweg fahren wir über die Luxemburger hinüber zur Berrenrather Straße und tauchen kurz vor der Friedrich-Engels-Straße links in den Beethovenpark. Hier lassen wir uns gemütlich treiben und gelangen über die Anton-Antweiler-Straße auf den Sülzgürtel. Wir halten uns links und finden nach einigen Metern eine weitere Böhm-Kirche – ebenfalls mit einer interessanten Geschichte. Bereits von außen kann man ablesen, dass sie einst als „Kinder-Kirche“ gemeint war. Auf dem Gelände des mittlerweile nicht mehr existierenden Kinderheims erbaute Gottfried Böhm ab 1956 die Kirche Zur Heiligen Familie. „Frohmachende Symbole“ solle er mit einbauen, so lautete der damalige Auftrag. An der Fassade stimmen zahlreiche Schäfchen den Besucher dieses Gotteshauses ein. Das berührende Relief erschuf der Bildhauer Jochem Pechau.

Der eigentliche Kircheninnenraum befindet sich über einem von der Gemeinde genutzten Saal und ist über eine geschwungene Treppe erreichbar. Oben wird man empfangen von einer wunderschönen Lichtstimmung, die durch die insgesamt 128 kleinen Glasfenster entsteht. Jedes steht für ein musizierendes Kind. Unter einem beeindruckenden Baldachin findet sich das von Eva Burgeff gestaltete Taufbecken.
Mittlerweile ist auf dem Gelände des ehemaligen Kinderheimes ein interessantes Wohnprojekt entstanden, bei dem auch einige Architekturzitate die Kirche homogen mit in die Gestaltung eingebunden haben.

Über den Sülzgürtel fahren wir nun zur Kerpener Straße, biegen dort rechts ab und fahren bis zur Ecke Joseph-Stelzmann-Straße. Hier inmitten der weitläufigen Universitätskliniken Kölns befindet sich mit der Kirche St. Johannes der Täufer ein weiteres architektonisches Schmuckstück aus der Hand Gottfried Böhms. Dieser realisierte die Kirche von 1958 bis 1965 und schuf einen äußerst interessant gegliederten Baukörper. Ein umlaufendes Fensterband im unteren Fassadendrittel gibt dem Sichtbetonbau eine strenge aber reizvolle Struktur. Im Innenraum findet sich eine der besonders raffiniert gefalteten Betonspanndecken, für die Gottfried Böhm so bekannt wurde.

Wenn man jetzt die Joseph-Stelzmann-Straße in nördlicher Richtung einfach immer weiter geradeaus fahren würde, käme man direkt zur Dürener Straße und wäre durch den Park am Karl-Schwering-Platz auch wieder am Ausgangspunkt der Radtour angelangt. Da wir uns aber mitten im Uni-Viertel befinden und Sülz eine wunderbare Auswahl von Einkehrmöglichkeiten für jeden Geschmack und zu jeder Tageszeit bietet, schlagen wir eine letzte Rast vor.

Aus persönlichen nostalgischen Gründen (wie gesagt: Studentenviertel!!!!) empfehle ich das Café Krümel auf der Zülpicher Straße. Dort gibt es immer einen leckeren Kaffee und ein ordentliches Stück Kuchen. Genauso empfehlenswert ist jedoch das Café Balthazar am Auerbach-Platz. Im Weyertal findet man mit dem Restaurant „Grünlilie“ noch eine wirklich vegetarische Bio-Küche, die mit frischen Produkten überzeugt – manchmal allerdings sehr „öko“ daherkommt. Aber hier schlägt das 80er Jahre Feeling hohe Wellen und gesund ist es allemal! Und vielleicht wäre ein gesundes Essen der gelungene Abschluss unserer Radtour für die Fitten unter uns!

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