Brüssel ist eine wirklich sympathische Metropole und man kann hier viele Entdeckungen machen. So nah die belgische Hauptstadt für uns auch ist, so war es für mich der erste Besuch nach zehn Jahren und ich habe mich wieder neu in die Stadt verliebt. Diesmal waren wir für ein kurzes Wochenende in gut zwei Stunden rübergefahren und hatten uns in das schicke Pantone-Hotel eingemietet. Ein perfekter Standort mitten im Quartier Saint-Gilles, der mir sehr gut gefallen hat. Das Haus selber ist zwar etwas schmal und auch im Frühstücksraum herrschte drängelnde Enge – aber dafür haben die Zimmer eine angenehme Größe und die vielen liebevollen Farb-Details machen einfach Spaß!
In Brüssel kann man viel unternehmen und für so einen Kurztripp muss man sich thematisch ein wenig beschränken. Das ging hervorragend, indem ich beschloss, auf den Spuren des Jugendstil zu wandeln. Ich hatte in meinem Buch natürlich auch über den legendären Victor Horta geschrieben und wollte sein ehemaliges Wohnhaus unbedingt besuchen. Das war unser Startpunkt und fußläufig vom Hotel gut zu erreichen! Ein absoluter Glücksgriff, wie sich herausstellen sollte. Denn der mitreisende Gatte war ebenso begeistert von der Perfektion dieses Baus und ließ sich auch bereitwillig verführen, einen dort erworbenen Stadtplan abzulaufen, auf dem weitere Jugendstil-Fassaden verzeichnet waren. Wir trieben uns im Anschluss an den Museumsbesuch noch gute drei Stunden im schönen Ixelles herum.
Natürlich ist das Fotografieren im Museum selber verboten. Aber es juckt einen an jeder Ecke, eines dieser fantastischen Details festzuhalten oder den Followern mitzuteilen, die man dort bewundern kann. Ihr müsst wohl doch selbst hinfahren und euch an den genialen Eisenkonstruktionen oder erstaunlichen Einbauten erfreuen. Leider trampeln auch ziemlich viele Besuchergruppen durch das Haus, so dass die Formen ihre eigentliche Magie ein bisschen einbüßen. Aber man spürt den modernen Formenwillen dieses Vorzeige-Architekten des Brüsseler Jugendstils und man kann auch erahnen, warum er immer als ein wenig verschwenderisch galt. Jedenfalls konnten sich nicht viele Brüsseler die Dienste Hortas leisten, der seine Karriere übrigens als Innenarchitekt in Paris begonnen hatte. Aber Kollegen wie Paul Hankar oder Paul Hammesse waren ebenso angesehen und arbeiteten ökonomischer.
Letzterer gehörte zu der zweiten Generation Brüsseler Jugendstil-Architekten und pflegte den geometrischen Stil, der hier in dem weißen Haus nach einer Renovierung so schön zum Vorschein kommt. Das Haus entstand 1907 und hat nur noch angedeutet die geschwungene Dynamik der dekorativen Anfangszeiten. Strenge und Geometrie herrschen vor und sind auch in den Details zu finden.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte man sich ja von der „sentimentalen“ Ornamentik des Jugendstil verabschiedet und Wegbereiter wie Henri van de Velde ebneten einer neuen modernen Formauffassung den Weg. Ich finde, dass beides seinen Reiz hat. Denn auf unserem Weg durch die Seitenstraßen musste ich immer wieder verzückt die ein odere andere geschwungene Linie oder stilisierte Blume bewundern. Auch begeistern mich Ideen wie die äußerst poetische Fassade des Hauses, welches Erneste Delune 1902 für einen österreichischen Glaskünstler erbaute. Da schwelgt man in Naturformen und Blumendetails und die Fassade scheint zu klingen und zu singen. Schade, dass dieses Haus – wie übrigens erstaunlich viele schöne alte Fassaden – einen deutlichen Renovierungsstau zu haben scheint.
Ich folgte übrigens noch einer Spaziergang-Empfehlung von Eva Gronbach, die in Brüssel studiert hat und stand am Ende vor der Kunsthochschule, die van de Velde noch ins Leben gerufen hatte. Also alle Wege führen letzendlich zu ihm, dem Großmeister der Erneuerung von Kunst und Design im 20. Jahrhundert. „Die Form ist Geheimnis des Lebens“, war van de Velde überzeugt und er sprach ihren Wirkungen tiefenpsychologische Bedeutungen zu. Am Ende war ich auf jeden Fall ganz überwältigt von den Entdeckungen in den Straßen Brüssels.
Da wir zu sehr auf die Häuserfassaden konzentriert waren, haben wir keine besonderen Restaurants testen können. Wir sind einmal am Place Albert in die hippe Bar du Matin eingekehrt, die mit Fifties-Flair und ultracoolen Bedienungen punktete. Wir können aber auch für ein leckeres Kriek und ein bisschen Knabberzeugs durchaus die gediegene Brasserie Le Cirio vis-a-vis der Börse empfehlen. Da ist auch das Interieur ein bisschen Jugendstil und ich liebe die Kellner alter Schule, die auch bei einem plötzlichen Stromausfall nicht aus der Ruhe zu bringen sind. Weitere Gourmet-Infos müssen wir einfach beim nächsten Mal sammeln. Ach ja, und den türkisenen Keramik-Panther kaufe ich mir dann auch – wenn er noch bei dem arabischen Händler auf dem Place du Jeu de Ball zu haben ist. Übrigens sind die Gässchen dort unterhalb des Justiz-Palastes auch sehr malerisch.
Also, mein Fazit: Brüssel, wir kommen wieder!
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