Gustav Mahler – eine Künstlerpersönlichkeit des Fin de Siècle


Bereits als 6-jähriger Junge schrieb der 1860 in Böhmen geborene Gustav Mahler eigene Lieder. Für eine aus der Ferne angehimmelte Freundin. Dieses Muster der Sehnsucht zieht sich mit zahlreichen dramatischen Liebschaften durch die Jugend Mahlers. Auch die unglücklich endende Ehe mit der von der Avantgarde hochverehrten Alma Schindler sollte an einer unerfüllten Leidenschaft kranken.

Nachdem Mahler ein Studium am Wiener Konservatorium in den Fächern Klavier, Musiktheorie und Komposition erfolgreich abgeschlossen hatte, begann er eine Reise durch die Provinz, wo er sich in Städten wie im österreichischen Bad Hall als Kapellmeister verdingte. Von dort aus startete er seinen Erfolg an weitaus bekannteren Bühnen. In Prag wurde er 1886 mit nur 25 Jahren erster Kapellmeister. Nach Stationen in Leipzig – hier komponierte er aus unerfüllter Liebe zur Tochter Carl Maria von Webers seine erste Sinfonie – und Budapest wurde Gustav Mahler als Operndirigent nach Hamburg berufen. Dort konnte er wichtige Kontakte zur deutschen Musikszene knüpfen. Unter anderem besuchte er in Bayreuth Cosima Wagner, die den jungen und erfolgreichen Mahler sehr schätzte, ihn allerdings wegen ihres Antisemitismus niemals als Dirigenten nach Bayreuth holen wollte. Diese Erfahrung war einer der Beweggründe, dass Mahler 1897 zum Katholizismus konvertierte. Zu sehr fühlte er sich als Jude in zahlreichen Bewerbungsverfahren benachteiligt. Die Bewerbung nach Wien, die er kurz darauf absandte, war erfolgreich, und so trat er als Kapellmeister der Wiener Hofoper seinen Siegeszug in der Wiener Gesellschaft des Fin de Siècle an.

Schicksalhafte Begegnung

Gemeinsam mit seiner Schwester Justine, die ihm den Haushalt führte, ließ sich Mahler 1901 in Wien nieder. Eine Einladung zu einem der literarischen Salons der Journalistin Berta Zuckerkandl brachte ihn in Kontakt mit wichtigen Vertretern der Secession wie zum Beispiel deren Vorsitzenden Carl Moll. Dieser kam in Begleitung seiner Stieftochter Alma Schindler, die eine ausgesprochene Schönheit war. Mahler verliebte sich sofort in die junge Frau. Alma ließ sich nicht beirren, nicht vom Altersunterschied und anscheinend auch nicht von der strengen Forderung Mahlers, sie müsse sich ihm als Ehefrau bedingungslos unterwerfen. Am 09.03.1902 heirateten der Kapellmeister und die Künstlertochter, die ihre bis dahin mit Freude ausgeübte Tätigkeit des Komponierens auf Wunsch des Gatten aufgab. Zwei Mädchen wurden dem Paar 1902 und 1904 geboren.

Dirigent und Komponist

Die Anerkennung Mahlers als Komponist erfolgte in Etappen, die immer wieder unterbrochen wurden durch seine Tätigkeit als Dirigent. Als er Ende 1903 seine Dritte Sinfonie in Amsterdam aufführen ließ, erntete er minutenlangen Applaus und galt von da an als einer der wichtigsten modernen Komponisten. Mit Mahler vollzog sich die Entwicklung hin zu einer neuen Musik. Er nutzte Elemente aus der Volksmusik (indem er etwa eine Feuerwehrkapelle im Hintergrund seiner Ersten Sinfonie einsetzte) oder auch ungewöhnliche Instrumente wie Kuhglocken. Bereits 1888 hatte Mahler sich des romantischen Liedguts angenommen und komponierte zu Clemens Brentanos und Achim von Arnims Textsammlung Des Knaben Wunderhorn. Diese romantische Grundstruktur setzte er auch in den berühmten Kindertotenliedern fort, die er auf der textlichen Grundlage Friedrich Rückerts komponierte und die mit ihrem traurig-melancholischen Sujet dem Zeitgeschmack entsprachen. Die Art und Weise, wie Mahler jetzt die Aufführungen an der Wiener Hofoper gestaltete, waren spektakulär und setzten epochale Akzente in der Inszenierung von Musiktheater. Er bestand beispielsweise darauf, den Orchestergraben im Dunkeln zu lassen. Darüber musste er sich mehrfach streiten. Ihm ging es darum, den magischen Klang der Musik heraufzubeschwören, und nichts sollte von dessen Genuss ablenken.

Das Schicksalsjahr

1907 wurde ein besonders schweres Jahr für den Dirigenten und Komponisten. Seine ältere Tochter starb an Diphterie, und er sah sich zudem fortgesetzter negativer Presse ausgesetzt, die ihren Ursprung in einer antisemitischen Stimmung hatte. Selbst gesundheitlich schwer angeschlagen, setzte er sich mit existenziellen Fragen des Lebens auseinander und begann eines der Hauptwerke seiner späten Jahre zu komponieren: Das Lied von der Erde. Er ließ sich von deutschen Nachdichtungen altchinesischer Lyrik inspirieren. Der Einfluss exotischer Literatur spiegelte sich auch in den Klängen wider und zeigte, dass der Komponist ähnliche Wege der Anregung suchte wie die bildenden Künstler seiner Epoche. Die einzelnen Titel wie „Von der Jugend“, „Von der Schönheit“ oder „Abschied“ spiegelten die Themen der Zeit und zeichneten ein Stimmungsbild der Wiener Atmosphäre um die Jahrhundertwende.

Jedoch, die persönlichen Probleme nahmen zu, und nach langem Zögern entschloss sich Mahler, dem Druck der öffentlichen Kritik nachzugeben und sein Amt an der Hofoper aufzugeben. Er durfte sich allerdings zu dieser Zeit bereits auf ein Engagement an der berühmten Metropolitan Opera in New York freuen, und so erfolgte seine Kündigung nicht nur aus Enttäuschung über fehlende Anerkennung. Die Künstler der Wiener Secession bereiteten Mahler einen wahrhaft königlichen Abschied. Einige Jahre zuvor hatte Klimt ihn bereits als einen der Protagonisten des Beethovenfrieses dargestellt. Einem Ritter in goldener Rüstung gleich hatte Mahler am 15. Mai 1902 anlässlich der Beethoven-Ausstellung den 4. Satz der Neunten Symphonie dirigiert und der von den Secessionisten beabsichtigten Interpretation des großen Musikstücks eine weitere Dimension gegeben. Als Ritter in Gold hatte ihn Klimt auch dargestellt. Ihm blieb jetzt nur noch, den Abschied Mahlers zu kommentieren, kurz und treffend: „Vorbei!“

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