Frauenbilder

Immer wieder spannend ist es, wenn zwei Künstlerinnen zum selben Thema arbeiten. Man erkennt, wie unterschiedlich der Schaffensprozess sein kann, wie sehr aber überzeitliche Motive auch eine Rolle spielen. Gerade da, wo man Übereinstimmungen kaum vermutet, brechen mit einem Mal interssante Erkenntnisse Bahn.
Anläßlich des Weltfrauentages 2005 zeigten die Künstlerinnen Helga Mols und Cornelia Regelsberger „Frauenbilder“.
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Ich habe eine kleine Umfrage gestartet. Hier sind die Ergebnisse!

Frauenbilder sind eine spezielle Perspektive
Frauenbilder sind wunderschön.
Frauenbilder sind sehr unterschiedlich.
Frauenbilder sind aufregend.
Frauenbilder sind nur schön, wenn sie erotisch sind.
Frauenbilder sind von der Werbebranche vorgegeben.
Frauenbilder sind Ausdruck ihrer Zeit.
Frauenbilder sind diffizil.
Frauenbilder sind anders.
Frauenbilder sind nur schön, wenn sie nicht einseitig erotisch sind.
Frauenbilder sind farbenfroh.
Frauenbilder sind Bilder von Frauen.
Frauenbilder sind Bilder von Männern.
Frauenbilder sind so verletzlich.
Frauenbilder sind auf dieser Welt einfach unersetzlich.

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Der Spiegel hat in seiner Online-Version unter der Überschrift „Frauenbilder: Ein Hoch auf weibliche Rundungen“ die Fotos mehrerer Berühmtheiten veröffentlicht und unter dem Bild des Models Laetitia Casta steht der Kommentar: „Das korsische Fotomodell wurde vom französischen „Figaro“ als die ‚absolute weibliche Schönheit‘ gefeiert. Ihre wohlgerundete Erscheinung verkörpere ‚mathematisch gesehen‘ die ‚ideale Frau‘.“
Liebe Frau Mols, liebe Frau Regelsberger, sehr geehrte Damen und Herren,
darin sind wir uns doch wohl alle einig: mathematisch errechenbar sind Frauenbilder auf gar keinen Fall! Vielmehr ist es so schwierig, das Changieren zwischen Tausenden von Rollen, Gefühlen und sonstigen Besetzungen dieses Begriffes einzufangen, dass dies nur die Kunst leisten kann!!
„Frauenbilder“ ist ein Ausstellungsprojekt anläßlich einer landesweiten Aktionsreihe zum Weltfrauentag am 8. März und zeigt mit Helga Mols und Cornelia Regelsberger zwei künstlerische Positionen zum Thema, die ein breites Spektrum an möglichen Deutungen anbieten.
Der Titel der Ausstellung besagt zweierlei: einmal handelt es sich hier natürlich um Bilder von zwei Künstlerinnen – also Bilder von Frauen. Zum anderen werden in den Kunstwerken auch Frauen dargestellt – eben Bilder von Frauen. Beide Aspekte sind von zeitgeschichtlichen Faktoren bestimmt, die ich kurz streifen möchte.
Das Bildnis des weiblichen Körpers zählt zu den Schlüsselthemen der Kunst. Der weibliche Akt – wer wüßte da nicht spontan Gemälde von Weltrang aufzuzählen: Die Geburt der Venus von Botticelli zum Beispiel!! Die entsprechenden Kunstwerke sind im Spiegel der Zeit ein Gradmesser für die jeweilige Frauenrolle. Ob als Idealbild, Mythos oder gebrochene Realität.
Eine spezielle Sicht auf das Bild der Frau auch in Verbindung mit einer interpretierten Selbstwahrnehmung ist erst Thema im 20. Jahrhundert. Und hier erfährt die Ikonographie der „Frauenbilder“ die durchgreifenste Veränderung in der Phase des Feminismus. In dieser Zeit entwickelt sich der – sicherlich überholte – Begriff der „Frauenkunst“ und hat sich die weibliche Erfahrens- und Erlebniswelt als künstlerisches Motiv durchgesetzt.
Aus heutiger Sicht mag man feststellen, dass sich Qualität natürlich nicht geschlechtsspezifisch messen lässt. Und die Kunstwissenschaft diskutiert, ob eine weibliche Ästhetik überhaupt existiert. Dennoch waren – wie in so vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen – die Grabenkämpfe der Frauen im Kunstmarkt wichtig und stellen einen Meilenstein in der Entwicklung der zeitgenössischen Kunst dar.
Heute spricht man von gender mainstreaming und fragt sich doch angesichts der ‚Generation Ally‘ ob die Emanzipation ihre Töchter frisst. Das Frauenbild ist allzu oft immer noch eine Frage der Inszenierung und des Hairstylings. Von den grausamen Auswüchsen der Reality Shows um Schönheits-Ops ganz zu schweigen.
Mit feinen Antennen nimmt Cornelia Regelsberger solche gesellschaftlichen Phänomene wahr und überträgt sie in ihre eigene Bilderwelt. Ihre aufgeblasenen Barbies spielen mit den Erinnerungen und Erlebnissen einer Kultfigur und den über sie transportierten Rollenklischees. Die Künstlerin geht hier den Weg in die Köpfe der Betrachter vor allem über eine subtile Materialästhetik – welche Assoziationsketten lassen sich allein über ‚Haare‘ bilden…
Ihre Objekte sind wie in einem Naturkundemuseum in nüchternen Vitrinen arrangiert. Auf diese Weise wird eine Art wissenschaftlicher Distanz geschaffen, durch die die Auseinandersetzung mit den zum Teil auch schockierenden Bildern erleichtert werden kann.
Der Körper der Frau und die Struktur der Wahrnehmung desselben wird bei Cornelia Regelsberger von den früheren Aktbildern bis zu den ‚Kinderzeichnungen‘ durchgearbeitet. Die Künstlerin verfolgt hier einzelne Motive, wie zum Beispiel das Thema „Kleid“, in welchem sie einerseits formale Aspekte interessieren. Das Kleid gleichsam als äußere Hülle. Dabei setzt sie gestische Striche, die den künstlerischen Akt als körperliche Bewegung abbildet. Mit immer feiner werdenden Spuren betont die Künstlerin dabei Details und offenbart beispielsweise einen anrührenden Blick auf die kindlichen Knie eines heranwachsenden Mädchens knapp unter dem Rocksaum.
Helga Mols nähert sich in ihrer künstlerischen Position den inneren Bildern, die von der äußeren Erscheinung immer weiter abstrahiert sind. Das beste Medium die Gefühls- und Gedankenwelt zu visualisieren scheint ihr die Farbe. Nicht von ungefähr reflektieren ihre Arbeiten dabei Tendenzen der expressionistischen Kunst. Ist doch gerade dieser die Übersetzung von Farben ins Psychologische zu verdanken. Helga Mols transportiert mit leuchtenden Farbwerten – auffällig ist der Verzicht auf Weiß und Schwarz – Ansichten vom menschlichen Wesen. Einen Impuls für das ‚Gesichterlesen‘ gibt ein naturalistisches frühes Selbstbildnis. Daran reiht sich eine Serie von ‚Köpfen‘, die immer abstrakter werden. Wie von selbst haben diese beim malerischen Prozess stets dieselbe Blickrichtung von links unten nach rechts oben erhalten. So scheint man eine Reise ins Innere anzutreten, die durch die Schichtungen von breiten Pinselstrichen immer tiefer führt. Hier entdeckt man bei Helga Mols das Gestische. Folgt man den teils aufgewühlt-vehementen Bewegungen der gespritzten Farbe so begegnet man als Betrachter unversehens dem Künstler-Ich.
Kunst erreicht einen allgemeingültigen Status, wenn die Künstlerin es schafft, Aspekte der eigenen Erfahrens- und Erlebniswelt so zu übersetzen, dass diese auch von unbeteiligten Betrachtern nachvollzogen werden können. Dies erreicht Helga Mols auf meisterhafte Weise in der hier ausgestellten Fotoarbeit. Sie behandelt ein Thema, das einerseits mit unzähligen Tabus behaftet und andererseits ein oftmals auch frauenspezifisches ist. Mit einer ästhetisch gelenkten Bildsprache, die durch die Reihung immer wiederkehrender Blickwinkel geschaffen wird, präsentiert sie die Geschichte eines sexuellen Missbrauchs.
Die Zeichnungen von Cornelia Regelsberger auf der Wand gegenüber reflektieren dieses Thema in Bildern, die zwischen stummen Schreien und zornigen Blicken das Klischee des ‚niedlichen rosa Röckchens‘ zerreisst.
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So unterschiedlich auch ihre Formensprache sein mag, begegnen sich gerade in der Beschäftigung mit derart sensiblen Themen Helga Mols und Cornelia Regelsberger auf der Ebene einer speziellen weiblichen Wirklichkeit.
Besonders die Gegenüberstellung ihrer Kunstwerke im Thema der „Mutter“ zeigt noch einmal deutlich die jeweils eigenen künstlerischen Mittel. Helga Mols bietet den fast plastischen Eindruck einer innig-verschlungenen Figurengruppe mit weich gesetzter Malerei. Und Cornelia Regelsberger hat das Motiv mit suchenden Zeichenstrichen umrissen, die eher an schmerzvolle Pietà-Bilder anknüpfen.
Mit ihrer Kunst schaffen beide Künstlerinnen Darstellungen jenseits gesellschaftlicher Ideologien und privater Geschichten. Sie lassen uns mit den hier ausgestellten Frauenbildern teilhaben an ihrem Blick auf die Welt. Treten Sie nun, meine Damen und Herren, in den Dialog mit der Kunst und entdecken Sie die Frauen zu und auf den Bildern.

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