Fantasia

Wenn man in diesen Tagen in die stets gleißend hell ausgeleuchteten Räumlichkeiten der Galerie Kudlek van der Grinten eintritt, traut man seinen Augen nicht. Die sonst hier oft gesehene zurückhaltende Optik von Schwarz-Weiß-Fotos oder zarten Zeichnungen ist einer opulenten Schau von Objekten der Künstlerin Rebecca Stevenson gewichen, die einen auf den ersten Blick gefangennehmen. Die – sicher mit Bedacht – unter Glasstürzen ausgestellten Skulpturen faszinieren und berühren einen zugleich. Doch Vorsicht ist geboten: auf eine seltsame Art macht sich ein unangenehmes Gefühl breit. Man nähert sich den Exponaten, schaut fasziniert auf aufbrechende Blütenornamente und süße Tieraugen – und fragt sich doch auch wieder, woher dieser morbide Hauch kommt, der von den Kunstwerken ausgeht. Der Ansatz der Irritation funktioniert hier auf eine ganz wunderbare Weise und beschert einem eine extrem anregende Erfahrung in der Kunstbetrachtung.
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Unter dem Titel „Fantasia“, der an den Trickfilm von Walt Disney (1940) angelehnt ist, zeigt sie ihre jüngsten Skulpturen, makaber-schöne Schädelarrangements, Tierdarstellungen und Porträtbüsten, die Manierismus und Kitsch ebenso bewusst und kunstvoll einsetzen wie Techniken des anatomischen und naturwissenschaftlichen Handwerks um sich ihren Themen von Verlangen, Genuss und Verschwendung anzunähern.
Die Vorbilder für die späteren Abgüsse in Kunstharz selbst sind in Ton modelliert. Ihre Lebendigkeit und Absurdität erhalten sie durch die Farbigkeit des Gussmaterials und die anschließende Überarbeitung der Oberfläche mit andersfarbigem Wachs, das an verschiedenen Stellen geöffnet und mit floralen und an Süßigkeiten erinnernden Elementen aus Wachs und Kunstharz versehen oder gar gefüllt wird. In den zum Teil sentimentale Gefühle auslösenden Darstellungen von bonbonfarbigen Zwillingskaninchen, Tierkindern oder einem Kind mit Kätzchen spielen die dekorativen, in Überfülle eingesetzten Früchte, Blumen und Blütenblätter eine wesentliche Rolle: sie ergänzen auf poetische Weise die Körper mit dem Erblühen aus ihrem Inneren. Dabei entsteht unwillkürlich eine Spannung zwischen Ekel gegenüber dem, was als Fremdkörper herauswächst, einerseits und Faszination vor der verführerischen Schönheit von Farben und Formen andererseits. Es ist die überzogene Sinnlichkeit von ornamentalem Überfluss und Raffinesse, die an die Vanitas-Thematik im 17. Jahrhundert erinner. Inspiriert auch durch die barocke Mode von Synästhesie, kunstvolle Zuckerskulpturen herzustellen, bringt Stevenson mit diesen bizarren Delikatessen eines dekadenten Banketts den Betrachter in Versuchung, sie zu berühren, zu kosten oder sie auf eine andere Weise mit den Sinnen zu erfahren.
Wie im Film „Fantasia“ erscheinen die Werke von Rebecca Stevenson zunächst entzückend und anziehen, lösen aber bald Beunruhigung und Unbehagen aus, da sie Ausdruck ursprünglicher Fantasien, Sehnsüchte und Ängste sind.
Text von kudlek van der grinten zur Ausstellungseröffnung
Im Jahre 1969 erreichte der Walt Disney Film „Fantasia“ eine neue Klientel, indem er sich als „Trip-Film“ anpries. Also als einen Film, den man am allerbesten nach einem LSD-Trip goutieren solle!

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