Max Ernst – ein Maler ist verloren, wenn er sich findet


Er ist der Hofmaler der Surrealisten. Sein künstlerischer Werdegang ist zu einem nicht unwesentlichen Teil vom Einfluss der Frauen bestimmt und er war ein Wanderer zwischen den Welten. Nicht nur, dass er als erster Künstler überhaupt den Freud las, er erfand zahlreiche bildkünstlerische Techniken, die bis heute die Kunst beeinflussen. Geboren in der Kleinstadt Brühl, die ihm endlich auch ein Museum gewidmet hat, war er Deutscher, Amerikaner und Franzose. Er ist Maler, Bildhauer und Schriftsteller und ein Künstler mit einem Erfindungsreichtum ohne Gleichen. MAX ERNST, Dadamax, der Vogleobre, Loplop!

Mit seiner ersten Frau, Louise Straus, einer jüdischen Kölnerin aus gutbürgerlichem Hause, eroberte Max Ernst die Kölner Kunstszene. Nach ersten Versuchen in Richtung Expressionismus und Treffen mit Künstlern wie Edvard Munch, steuerte er nach der Erfahrung eines Fronteinsatzes im ersten Weltkrieg in Richtung Dada. Er gründete mit Johannes Theodor Baargeld (ein Pseudonym, sein Vater war Banker) die deutsche Abteilung der Nonsenskunst als Antwort auf die Schrecken des Krieges. Man nannte sich W3/West Stupidia und provozierte mit Ausstellungen, die im Brauhaus stattfanden und die man nur durch ein Pissoir betreten konnte. Am Eingang erwartete die entsetzen Besucher ein kleines Mädchen im Kommunionskleid, das Obszönitäten vor sich hinsang. Neben Baargeld war auch noch Hans Arp mit von der Partie, den Max Ernst zufällig in einer Kölner Galerie getroffen hatte. Dort versuchte Arp gerade einen bornierten Spießbürger von seiner Kunst zu überzeugen. Das mißlang, aber Max Ernst sprach ihm seine Bewunderung aus, man gab sich förmlich die Hand und eine wunderbare Freundschaft nahm ihren Anfang.

Der Hut macht den Mann, 1920
In der Zeit als Dadamax entwickelte Max Ernst schon sein Bestreben, über vorgefundene Bildideen und die Kombination dieser mit neuen Aspekten, eine sinnfreie Assoziationsbühne zu kreieren, auf der man sich von Gedanken zu Gedanken ins Unterbewußte hangeln sollte. Die Hüte entstammten übrigens einem Katalog aus dem Geschäft seines Schwiegervaters.

Au rendezvous des amis, 1922
„Geboren und erzogen im Rheinland, floh er ohne Papiere und Geld nach Paris, um dort zu leben.“
Angezogen durch die faszinierende Frau des Dichters Paul Eluard, wuchs in Max Ernst der Wunsch, sich den Intellektuellen in Frankreich anzuschliessen, die sich um Eluard und den Autor André Breton in Paris zusammengefunden hatten und sich als „Surrealisten“ bezeichneten. Eine Affaire mit Gala in einem komplizierten Dreiecksverhältnis und die begeisterte Aufnahme im exquisiten Kreise bekräftigten seine Umsiedelungstendenzen. Die Ehe mit der Kunsthistorikerin Louise war nicht stark genug, ihn zu halten, auch wenn mittlerweile ein kleiner Sohn geboren war. Das Bild, das Max Ernst vom Kreise der Surrealisten malte, zeigt sich als vieldeutiges Programmbild, bei dem die Gruppe wie eine mystische Gemeinschaft vor einer Sonnenfinsternis auf einem Gletscher steht. Über der Wirklichkeit als außergewöhnliches Ereignis überziehen sie den Globus. Und stehen dort mit ihren Urahnen. Wie z.B. F. Dostojewski, auf dessen Schoß der weißhaarige Max Ernst zu sitzen kommt. Der russische Autor ist einer der ersten Dichter, die sich psychologisch motivierter Beschreibungen der Innenwelt ihrer Helden bedienen. Im Hintergrund erkennt man mit halblangen Haaren Raffaelo Santo als weiteren „Urahnen“ aufgeführt. Was hat dies zu bedeuten? Nun, zum einen fanden die Surrealisten die Lessingsche Idee faszinierend, die dieser Künstler auch hätte ohne Hände malen können (in Emilia Galotti) – einfach nur durch sein Genie! Und zum anderen war Max Ernsts Vater ein Hobbymaler, der sich ständig an Raffael-Madonnen versuchte und den kleinen Max immer als Jesus-Double einsetzte. Dieses kindliche Traume hat Max Ernst ja dann später in seinem wohl provokantesten Werk verarbeitet: der das Jesuskind verhauenden Madonna. Doch zurück zum Rendezvous! Kleine Seitenhiebe verteilt der Künstler in Richtung des Kubismus (die aufgeschnittenen Äpfel und der merkwürdige Grundriss deuten darauf). Zitiert wird auch das Cabaret Voltaire, die Urzelle des Dadaismus. Eine Puppenbühne mit Lederhosen-Figuren steht stellvertretend für die Nonsens-Performances auf dieser legendären Zürcher Bühne. Davor sitzt übrigens der Dichter René Crevel und scheint auf einem imaginären Klavier zu spielen. Er wurde von den Surrealisten schonmal gerne als Medium bei diversenen Séances eingesetzt. Überhaupt sind Geheimsitzungen an der Tagesordnung und Experimente mit Drogen. Ein interessantes Feld für die Dichter und Künstler, die immer wieder über die Grenzen der sichtbaren Welt in neue Erfahrungsräume vorzustoßen wünschten.

«Ich sehe Barbaren nach Westen schauen, Barbaren, die aus dem Wald kommen, die nach dem Westen marschieren. Bei meiner Rückkehr aus dem Garten der Hesperiden folge ich mit unverhohlener Freude dem Kampfe zwischen zwei Bischöfen … Gefrässige Gärten, ihrerseits wiederum verschlungen von einer Vegetation, die aus den Trümmern eingefangener Flugzeuge wachsen … Mit meinen Augen sehe ich die Nymphe Echo.»
Als Deutscher ist Max Ernst in Frankreich ein feindlicher Ausländer, die Nazis zeigen seine Bilder auf der Ausstellung „Entartete Kunst“ und seine Existenz ist zu dieser Zeit extrem gefährdet. Seine erste Frau, von der er mittlerweile geschieden ist, ist als Jüdin extremer Gefahr ausgesetzt. Max Ernst versucht, seine guten Verbindungen nach New York – wo sein Sohn mittlerweile lebt – zu nutzen, um auch für die Ex-Frau eine Emigration möglich zu machen. Verschiedene Umstände führen dazu, dass es nicht dazu kommt und Louise Straus-Ernst kommt im Konzentrationslager um. Max Ernst selbst kann nicht zuletzt wegen einer Liason mit der Millionenerbin Peggy Guggenheim, die ihm die Überfahrt bezahlt, fliehen. Er heiratet Peggy 1941. Eine Ehe, die von Anfang an nicht große Aussichten hatte. Man stritt sich die ganze Zeit und als Max Ernst 1942 die Liebe seines Lebens, die Malerin Dorothea Tanning kennenlernte, war die Trennung von der Guggenheim nur noch eine Formsache. Allerdings schwor die einflußreiche Lady Rache und nutzte ihre Macht in der New Yorker Society dazu, es dem neuen Liebespaar nicht einfach zum machen. Vor allem deswegen lassen sich die beiden in Sedona nieder. Dort kommen sie zur Ruhe und Max Ernst erlebt intensive Inspiration durch die Naturverbundenheit der Indianervölker. Nicht zuletzt seine Skulpturen sind von diesem Eindruck außerordentlich geprägt.

Capricorne, 1948
Die Arbeiten der Jahre im amerikanischen Exil sind geprägt von der existentiellen Bedrohung durch Krieg und Verfolgung. Mit unterschiedlichen Techniken, wie z.B. der Decalcomanie entstehen haptisch erfahrbare Traumwelten mit monströsen Gestalten. Zwischen mittelalterlichen Visionen und symbolistischer Mystik bewegen sich die Bilder dieser Jahre. Ein wohl besonders eindringliches Werk ist ein Bild, mit dem Max Ernst einen Wettbewerb gewann, zu dem unter anderem auch Dali eingeladen wurde. Eine amerikansiche Produktionsfirma wollte für die Verfilmung von Maupassants „Bel Ami“ ein Bild der Versuchung des Heiligen Antonius, das in einer Schlüsselszene im Film in Großaufnahme erscheinen sollte.

Bevor er 1953 wieder nach Europa zurückkehrt (besonders geschockt hat ihn wohl der Anblick seines geliebten Köln, das er kaum wiedererkannte), entwickelt Max Ernst eine weitere Zufallstechnik, für die heute oftmals Jackson Pollock (eines seiner Werke führt zur Zeit die Hitliste der teuersten Gemälde der Welt an) als Spiritus rector genannt wird: das Dripping.


„Befestigt ein leeres Gefäss an einer Schnur von 1 bis 2 m Länge, bohrt ein kleines Loch in den Boden, füllt die Büchse mit flüssiger Farbe. Lasst die Dose am Ende der Schnur über eine flachliegende Leinwand hin- und herschwingen. Leitet die Dose durch Bewegungen der Hände, Arme, Schultern und des gesamten Körpers. Auf diese Weise tröpfeln überraschende Linien auf die Leinwand. Das Spiel der Gedankenverbindungen beginnt.»

Die Technik des Collagenromans, hier „Une Semaine bonté“ aus dem Jahre 1934, gehört zu dem Herausragendsten, das Max Ernst geschaffen hat und setzt Maßstäbe für die Entwicklung der Künstlerbücher.

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3 Antworten zu “Max Ernst – ein Maler ist verloren, wenn er sich findet”

  1. Guten Tag,
    Klasse Homepage.Ich bin Kunstmaler aus Germany.Ich war bereits in Ihrer Stadt.Würde bei einer Ausstellung wieder kommen.Schauen Sie in meine Galerie rein:
    http//www.kunstmaler-patzelt.de
    Es grüßt herzlichst Günter Patzelt

  2. Nicht schlecht, der Auszug über meinen unendlich verehrten Max Ernst.
    Ein Irrtum hat sich unter anderen eingeschlichen: Peggy Guggenheim hat Max nicht in die Flucht nach Arizona geschlagen. Als Max in Amerika ankam begleitete er(per Luftweg) Peggy bis nach Kalifornien auf der Suche nach einem geeigneten Platz für ihr geplantes Museum. Sie wurden in Kalifornien nicht fündig. Auf der Rückfahrt(Landweg)durchquerten sie Arizona. Bei Sedan machten sie Halt, um eine Klapperschlange zu beobachten, die die Route überquerte. Max wandte sich um und sah vor sich die beeindruckende Felsenlandschaft Arizonas.
    Genau diese Landschaft, ohne sie je vorher gesehen zu haben, hatte er 1939 in Saint Martin d’Ardèche(Frankreich) gemalt. Max wusste, dass er nach Arizona zurückkehren musste, was dann auch geschah mit seiner Frau D. Tanning.
    Dies ist eine Anekdote, die wie viele andere die visionären Fähigkeiten Max Ernsts wiederspiegelt. Seine Zeit in Sedan(Arizona) hat also nichts mit der armen Peggy zu tun.

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