Es erstaunt einen ja immer wieder, welche Vielfalt der Themen der Begriff Kultur in sich vereint. Es gibt quasi nichts, was man nicht unter diesem Aspekt untersuchen kann. Schön zu sehen, dass es anscheinend an der Kölner Universität ein kulturwissenschaftliches Forschungskolleg gibt, das sich mit dem weiten Feld „Medien und kulturelle Kommunikation“ beschäftigt. Das ist bestimmt lohnend. Ob ein Kolloquium zum Thema „Mediologie der Verschwörung“ lohnend ist, wird sich zeigen. Mit Sicherheit ist Köln als Austragungsort einer solchen Konferenz prädestitiniert! (Worauf spiele ich hier wohl an?)
Die Kulturtussi zieht hierzu ganz schnell mal ein kleines Bildchen aus dem Hut:
Käthe Kollwitz zeigt hier innerhalb des Zyklus‘ „Ein Weberaufstand“ ein konspiratives Treffen der unterdrückten Weber. Der teils mit Radierungen teils mit Lithographien erstellte Zyklus aus dem Jahre 1898 war der große Durchbruch der Künstlerin und führte zu einer öffentlichen Rüge durch den Kaiser
Ach und hier:
CALL FOR PAPERS
The Parallax View Zur Mediologie der Verschwörung
Konferenz, Köln, 18./19. Oktober 2007
Beitragsdeadline: 26.3.2007
Verschwörungstheorien handeln von Doppelagenten, unsichtbaren Netzwerken und verdächtigen Objekten. Sie postulieren geheime Dimensionen des Politischen. Als „Verschwörungstheoretiker“ wird in der Regel der politische Gegner bezeichnet. In diesem Zusammenhang artikuliert der Begriff den Vorwurf, dass eine simplifizierende, meist manichäische Logik und ein pathologisches Denken an die Stelle eines rationalen Diskurses treten. Was aber, wenn man Verschwörungstheorien als Theorien und somit als Verfahren der Wissensgenerierung ernst nimmt? Sie weisen dann, so die These, nicht nur logische und häufig komplexitätssteigernde Züge auf, sondern auch aufschlussreiche Parallelen zu anderen Formen der Wissens- und Theoriebildung.
Die spezifische Leistung der Verschwörungstheorie kann dabei als „Parallaxe“ („parallax view“) begriffen werden. Obwohl ihre Formen der Beobachtung, Speicherung und Auswertung denen wissenschaftlicher Vorgehensweisen ähnelt, gewährleistet sie einen fremden Blick auf die Welt, eine Verschiebung der Perspektive, die neues Wissen generieren kann.
In der Auseinandersetzung mit Verschwörungstheorie wird überdies deutlich, dass die Produktion von Wissen grundsätzlich narrativ verfasst ist und zwischen Fakten und Fiktion oszilliert.
Medien bilden den zentralen Reflexionsgegenstand der Verschwörungstheorie.
Diese thematisiert asymmetrische Wissensbestände unterschiedlicher Gruppen (Arkanwissen), die Zirkulation von Information und Desinformation zwischen ihnen (simulatio/dissimulatio/Spionage), Überwachung und verborgene Kontrolle. Verschwörungstheorie und Medientheorie sind sich insofern ähnlich, als sie beide Agenten der Wissensproduktion unter der Oberfläche zu lokalisieren suchen.
Die Tagung nähert sich dem spezifischen Wissen der Verschwörungstheorie aus drei Perspektiven:
I. Epistemologie der Paranoia
„Ob in der Theorie mehr Wahn enthalten ist, als ich möchte, oder in dem Wahn mehr Wahrheit, als andere heute glaublich finden“, fragte sich bereits Sigmund Freud bei der Formulierung seiner Theorie der Paranoia.
Grundlegend gemeinsam ist Theorie und Paranoia der Versuch, Strukturen und Regelmäßigkeiten zu beobachten sowie Ursache-Wirkungs- Verhältnisse etablieren und Handlungen zuschreiben zu können. In der Paranoia werden zwar nicht die Phänomene selbst registriert, ihre wahnhafte Verdopplung lässt aber die Ordnung erkennbar werden, die ihren symbolischen und imaginären Verknüpfungen zugrunde liegt. Im Aufschreibesystem des Verfolgungswahns werden die medialen Formationen, die epistemischen Bedingungen und die rhetorischen Verfahren, die der Produktion von Wissen zugrunde liegen, sichtbar.
II. Poetologie des Verdachts
Der Verdacht ist die entscheidende poetologische Figur der Verschwörungstheorie. Sie erzeugt immer wieder von neuem die Vermutung, dass sich hinter der sichtbaren Oberfläche der Zeichen eine unsichtbare Zone, ein „submedialer Raum“ (Groys), befindet, in der Manipulation, Intrige und Verschwörung wirken. In den Narrativen des Verdachts geht es nicht mehr primär um die Markierung von Freund und Feind. Stattdessen beginnt in Anknüpfung an phantastische Motive sich die Grenze zwischen
Subjekt- und Dingwelt aufzulösen. Die Dinge entwickeln ein Eigenleben in der unheimlichen Ikonographie einer globalen Totalität technischer Medien.
III. Verschwörungskulturen
Verschwörungstheoretische Wissensproduktion trägt zur kulturellen Differenzierung bei. Sie realisiert einen distinkten „Denkstil“, der nach Ludwik Fleck durch ein „gerichtetes Wahrnehmen“ gekennzeichnet ist. Am deutlichsten zeigt sich dies an der Ausbildung so genannter Subkulturen entlang von paranoiden Szenarien. Die Inszenierung eines übermächtigen Gegners sowie die Anstrengungen und Gefahren der verschwörungstheoretischen Recherche dem eigenen Wissen höchste Relevanz, Exklusivität und somit kulturelle Bindungskraft. Spezifische und hoch selektive Formen der Wissensgenerierung und der Mediennutzung etablieren subtile Codes von Andeutungen, von Sagbarkeiten und von plötzlichen Evidenzen. Die Verschwörungskulturen sehen sich allerdings auch der Gefahr ausgesetzt, mit dem Verdacht in alle Richtungen jede stillschweigende kulturelle Voraussetzung und Gemeinsamkeit über kurz oder lang in Frage zu stellen.
Vorschläge für einen Tagungsbeitrag richten Sie bitte mit einigen persönlichen Angaben in Form eines Abstracts von ca. einer Seite als E-Mail-Attachment bis zum 26. März an die Adresse arno.meteling@uni-koeln.de.
Universität zu Köln – SFB/FK 427
Kulturwissenschaftliches Forschungskolleg „Medien und kulturelle Kommunikation“ Bernhard-Feilchenfeld-Str. 11
50969 Köln
Sabine Hänsgen, Marcus Krause, Arno Meteling, Markus Stauff E-Mail:
arno.meteling@uni-koeln.de
Kommentar verfassen