Im letzten Jahr habe ich mitgewibbelt, weil wir mit dem Draussenseiter-Buch nominiert waren. Und in diesem Jahr war ich Teil der Jury – der Virenschleuderpreis wird langsam eine feste Größe in meinem Kulturherbst. Am Freitagabend war es dann soweit und im stimmungsvollen Spiegelzelt wurden die Gewinner bekanntgegeben. Der Virenschleuderpreis in meinem Rückblick.
Seit mehreren Wochen:
Intensives Mitlesen der eingereichten Vorschläge.
Seit Montag, 5. Oktober, 24:00
Nochmaliges Durchkämmen der Shortlist, genaues Durchlesen der Beschreibungen von Kampagnen, Ideen und Strategien. Um ehrlich zu sein, es war nicht einfach für mich, die ich ja nicht aus der Buchbranche komme. Deswegen geht mein Dank an alle, die sich die Mühe gemacht haben, ihre Nominierung mit möglichst vielen Details zu versehen, so dass ich mir ein gutes Bild machen konnte!
Donnerstag, 8. Oktober, 18:10
Mail an Leander Wattig mit je drei Favoriten pro Kategorie verschickt.
Freitag, 16. Oktober, 10:30
Nachricht von Leander, mit der Bitte, ein paar Worte zum Sieger „Lustwandeln“ zu sagen. Natürlich sollte ich nichts verraten. Mit Tanja Praske lustige Korrespondenz gehabt, bei der ich so tat, als wüsste ich von nichts.
Eintreffen im Spiegelzelt. Außer von #Lustwandeln wusste ich von keinem der Gewinner und war natürlich entsprechend gespannt. Finde es schön, so einen Moment der Spannung auszukosten und noch ein bisschen herauszuzögern.
Fantastisches Rahmenprogramm
Großartig der Auftakt mit Rocko Schamoni in der Figur des Dickie Schubert, dem ehemaligen Sänger der Band Fraktus. Eine köstliche Persiflage auf die Musikbranche. Ich liebe solche selbstironischen Einlassungen, die einem auch viel Wahres erzählen. Den Film, der zu dieser Geschichte gehört, muss ich mir unbedingt bald mal anschauen. Klingt nach einem großen Vergnügen.
Ein bisschen traurig war ich, dass der zweite Künstler aus dem Rahmenprogramm so wenig Aufmerksamkeit bekam. Das hat der wirklich großartige Jim Avignon (ich bin schon lange ein großer Fan) nicht verdient. Aber klar, kaum war die Preisverleihung durch und wurde auf das Essen hingewiesen, da war kein Halten mehr. Allerdings war ich schon überrascht, wie offensiv man der Bühne den Rücken zudrehte. Aber wie Jim mir später erzählt hat, seien solche Szenarien für ihn kein Horror – er fand es irgendwie herausfordernd schräg! Ich kann euch nur ans Herz legen, diesen großartigen Künstler einmal genauer zu verfolgen. Vor allem seine Videos sind kleine Meisterwerke der Pop Art. Mein Favorit: bad fotoshop. Er ist dafür bekannt, dass er seine Werke für wenig bis gar kein Geld verteilt. Tatsächlich hab ich an diesem Abend das schnellgemalte Wandbild mit nach Hause nehmen dürfen (ich werde es allerdings teilen). Und ich traf dann auch noch Jan-Paul Laarmann, der sogar eine Maske von Jim bekommen hat (und deswegen sicher nicht traurig war, dass #Kunstpilgern leer ausging)! Ein großes Hallo und die Versprechung, dass wir uns ganz bald mal auf einen Kaffee treffen würden, rundeten meinen Abend ab!!
Ach, schade, dass ich noch nach Hause fahren musste. Obwohl, ich wäre sonst wahrscheinlich gnadenlos mit Tanja und Marc (Sieger der Herzen mit über 700 Likes für den Querverlag!!) versackt. Aber das machen wir dann beim nächsten Mal in München, gell?
Aber nun zu den Gewinnern!
Bestes Team
Die Digital Media Women! Die Frauenpower war auch auf der Preisverleihung spürbar! Das ist Netzwerken! Toll, was sie bewirken. Sie waren auf der Buchmesse auch sehr präsent und haben ihren Motto „Wir geben Frauen eine Bühne“ wahrlich eingelöst.
Beste Kampagne
Bravo! Eine Kulturkampagne hat es wieder geschafft. Nach #MyRembrandt wird auch in diesem Jahr wieder ein Museumsprojekt ausgezeichnet. Das tolle Tweetup #Lustwandeln von der Bayerischen Schlösserverwaltung hat gewonnen. Und damit natürlich auch Tanja Praske und die Kulturkonsorten, die das Konzept maßgeblich ausgebrütet haben. Da hüpft das Kulturtussi-Herz und ich hab natürlich super gerne auch die Laudatio gehalten. Und ich wiederhole an dieser Stelle gerne, was ich schon auf der Bühne gesagt habe: Liebe Museen da draußen. Nehmt euch ein Beispiel.
Beste Strategie
Sein Auftritt nach der Verkündigung, dass er den Virenschleuderpreis gewonnen habe, war wie erwartet. Eric Jarosinski bemerkte, dass er uns enttäuschen müsse, es sei keine Strategie, die er verfolge. Es sei Kunst! \O/ Diese und viele andere kluge, ironische, feinsinnige, humorvolle Gedankenspiele machen sie eben aus, die Nein-Nicht-Strategie von Nein Quaterly
Beste Idee
Mir gefällt die Unterscheidung in Idee, Strategie und Kampagne. Deswegen hat der Virenschleuderpreis auch wirklich das Potenzial zur weiterbildenden Maßnahme!! Wer Anregungen für das eigene Marketing braucht, kann hier eine Menge mitnehmen!! Und auch die fantastische Idee, sich für eine Art Content-Cluster zusammenzuschließen, brachte den Herzenstagen den Sieg. Verlagsübergreifend zusammenzuarbeiten – ich kann mir gut vorstellen, dass sowas auch im Museumskontext gut funktionieren kann!
Großartigste Persönlichkeit
So groß, wie die Emotion bei der Bekanntgabe des Gewinners war, so fantastisch war auch die Aktion von Johannes Korten. Mit #EinBuchfürKai hat er das Netz zu einer Welle des Mitgefühls aktiviert, die ihresgleichen sucht. Und auf der Bühne hatten sie alle „Pipi in den Augen“. Das war wirklich ein berührender Moment.
Bester Organisator
Der Virenschleuderpreis ist eigentlich eine One-Man-Show! Leander Wattig steckt dahinter, aktiviert Sponsoren und Jury, motiviert viele Einreichungen und füllt das Spiegelzelt. Ich ziehe meinen Hut vor dieser Leistung! Es war mir eine große Ehre, der Jury als branchenfremde Kulturtussi amgehören zu dürfen. Und ich rechne es Leander hoch an, dass er viel unternimmt, mit dem Preis auch über den Tellerrand der Buchbranche zu blicken. Ich fänd es klasse, wenn er das weiter im Blich hat. Dazu vielleicht eine winzige Anregung meinerseits: branchenfremde Besucher der Preisverleihung kriegen nicht mit, was und wer dort ausgezeichnet wird. Vielleicht kann man doch beim nächsten Mal wieder die Shortlist etwas ausführlicher vorstellen? Klar, bei diesem Branchentreffen stehen auch andere Dinge im Vordergrund. Aber es wäre eine Überlegung wert – auch für die Zuschauer am Livestream.
Hier kann man übrigens noch mal in den Livestream reinschauen. Und Tanja und Johannes haben auch schon gebloggt, ebenso die Bayerische Schlösserverwaltung. Und es kommt sicher noch einiges nach. Schön auch der Artikel in der t3n zu allen Preisträgern mit Zitaten aus der Jury.
Kommentar verfassen