Der Blick zurück nach vorn


Nur noch wenige Tage, dann öffnet die diesjährige Documenta , die größte Ausstellung zeitgenössischer Kunst in Kassel ihre Pforten. Und hat zudem noch quasi 50jähriges Jubiläum. In Köln zieren schon großformatige Plakate die Straßen, um für Besucher zu werben. Die Karawane der Kunstinteressierten zieht weiter…
kuenstler_documenta_12.jpg
Grund genug, einmal zurückzublicken, bevor man sich auch auf die Socken macht. Und zwar dokumentarisch sowohl als auch privat – mir fiel nämlich auf, dass ich seit 1982 nach Kassel pilgere – halt: mit einer Ausnahme. 1992 war ich frisch gebackene Mutter, Da ging das nicht!!


Als man in der Wirtschaftswunderwelt im Jahre 1955 auf die Idee einer Überblicksausstellung zur Gegenwartskunst kam, spielte natürlich auf jeden Fall die Aufklärung der Bevölkerung eine nicht unwesentliche Rolle und so zeigte Arnold Bode damals den 134.850 Besuchern alles, was die Nazis verboten hatten – auch den „scheußlichen“ Picasso.
Damals noch im Vierjahresrhytmus kamen Ende der fünfziger Jahre mit geballter Kraft die Amerikaner und tanzten den Blues bzw. Jazz. Abstraktion hieß das Zauberwort und neben Pollock war vor allem unser WOLS ein Star der informellen Szene.
1964 war ich drei Jahre alt und bekam natürlich noch nichts mit von der Documenta, wo in einem feierlich „aspekte“ genannten Nebenraum Robert Rauschenberg und andere Pop Künstler präsentiert wurden. Auch Joseph Beuys war damals schon mit dabei. Den beachtete aber niemand.
marilyn_documenta.jpg
1968 gab es natürlich Studentenproteste und Proteste der Künstler, die sich beschwerten, dass Fluxus, die Kunst der Stunde, auf der Documenta nicht stattfinden würde. Merkwürdiger Kontrast zu Warhols glamouröser Marilyn. Der Erfinder der Documenta, Bode, erlebte heftige Kritik und wurde bei nächsten Mal abgelöst von Harald Szeemann.
beuys_documenta.jpg
1972 war das Jahr von Joseph Beuys, der auf der Documenta ein Informationsbüro einrichtete und 100 Tage lang im Austausch mit den Besuchern dort vor Ort war. Er prägte den wohl am meisten zitierten (und gerne irgendwie missverstandenen) Satz: Jeder Mensch ist ein Künstler.
Nun fünf Jahre später war die Videokunst an der Reihe. Vor allem Nam June Paik, der kürzlich verstorbene Videopionier, der den Fernseher als Kulturgut und Bestandteil seiner Kunst erhoben hatte. Manfred Schneckenburger zeigte – Skandal, Skandal – erstmals auch Kunst aus der DDR. Richter, Lüpertz und Baselitz packten aus Protest ihre Koffer.
1982 – meine erste Documenta! Gerade hatte ich mein Studium begonnen und wir fuhren im Käfer nach Kassel. Ein letztes Mal Beuys, der mit seiner Aktion 7000 Eichen doch recht publicitysüchtig rüberkam. Ich wusste nicht, was ich von Warhols Pinkelbildern halten sollte.
hirsch_mit_blitzschlag.jpg
1987 fuhren wir mit Professor Ost nach Kassel. Ich war gerade mitten im Magister-Examen und völlig verständnislos vor „Blitzschlag mit Lichtschein auf Hirsch“. Wieso konnte mein Professor, der Renaissance-Experte, das eigentlich gut finden. Heute verstehe ich die assoziativen Anstöße aus der amorphen wurmförmigen Masse, die doch sehr stark den Beuysschen Pessimismus der letzten Jahre vermittelten.
1992 zeigte Jan Hoet viel Mensch, viel Körper, provozierende Vagina-Bilder und hier und da auch, dass er keinen Scheu vor kitschiger Kunst zu haben schien. Bei der nächsten Documenta war ich wieder mit dabei. Diesmal war es ein richtiger Arbeitstermin mit Kollegen und Künstlern des Museumsdienstes und wir haben heftig diskutiert. Besonders in Erinnerung blieb mir – neben der „Domina des Kunstbetriebs“ wie Catherine David, die polternde Leiterin der 10 Documenta gerne genannt wurde – die Installation des Künstlerpaares Rosemarie Trockel und Carsten Höller. Man konnte sich in einem Betonverschlag auf schräge Betonliegen betten und Schweinen zusehen, die nichts weiter taten, als Schweine sein!. Klar dachte man da sofort über die schrecklichen Bedingungen nach, unter denen manche Tiere gehalten werden.
kingelesz.jpg
2002 Documenta goes Globalisierung! endlich durften auch die außereuropäischen Künstler mehr als nur eine Randerscheinung sein. Denn der Leiter Okwui Enwezor kam ja auch nicht von hier. Eine absolute Bereicherung – wie ich damals fand. Spannend fand ich den afrikanischen Künstler Isek Bodys Kingelez aus dem Kongo. Ich war ganz schön überrascht, dass man den in Köln schon längst kannte, als er auf der Documenta als Entdeckung präsentiert wurde. Ach ja, ich war mit einer Gruppe Kunstinteressierter vor Ort, die ich zielsicher durch das Riesenangebot zu steuern hatte! Hat geklappt. Dieses Jahr werde ich bestimmt zweimal fahren, das ist schon sicher!!
documenten.jpg

Share

Kommentar verfassen