Aus dem Alltag einer Schriftstellerin


Ich kenne Christina Bacher schon eine ganze Weile. Wir haben uns über eine gemeinsame Bekannte kennengelernt, die mich in Kontakt mit ihr als Redakteurin des Draussenseiter gebracht hat. Dieses tolle Straßenmagazin wird von einer Redaktion aus Obdachlosen gebildet, die Christina mit Leidenschaft und Professionalität leitet. Und zu der sie immer wieder Kollegen aus allen möglichen Bereichen motiviert, etwas zu den Themen der Zeitung beizutragen. Das Konzept vom Draussenseiter sieht vor, dass Berichte der Lebenswirklichkeit der Obdachlosen ebenso Aufnahme finden, wie Texte von allgemeinerem Interesse. So hofft man, den Kreis der Unterstützer zu erweitern und Abonennten hinzu zu gewinnen. Eine prima Idee! Und ich kann nur jedem ans Herz legen: wenn ihr das nächste Mal einem der Straßenverkäufer begegnet, dann kauft die Straßenzeitung. Ihr unterstützt nicht nur Menschen, die es gebrauchen können, sondern habt auch noch richtig guten Lesestoff!

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Doch Christina ist noch an vielen anderen Stellen in Köln engagiert. Sie betreut zum Beispiel die Niri-News – die Vereinszeitung der Nephrokids. Als Journalistin hat Christina Bacher lange in der Buchbranche PR- und Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Seit einigen Jahren konzentriert sie sich zunehmend auf ihr Tätigkeit als Jugendbuch-Autorin. Sie hat gemeinsam mit Ulrich Noller die Reihe „Bolle und die Bolzplatzbande“ entwickelt. Das sind richtig lebensnahe Geschichten um Kinder aus dem Agnesviertel, die meist kniffelige „Fälle“ zu lösen haben. Was mir persönlich ganz besonderen Spaß macht: Christina hat aus ihren Büchern ein Stadtführungskonzept gemacht und zu besonderen Anlässen, wie z.B. der Expedition Colonia, kann man mit der Autorin persönlich durch das Veedel schwirren, in welchem die Krimis spielen. Eine sehr schöne Variante zu den äußerst beliebten Lesungen, zu denen Christina mittlerweile durch ganz Deutschland reist.

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Weil uns der jeweilige Alltag immer wieder auseinandertreibt, hatten wir uns länger nicht getroffen. Das sollte sich jetzt ändern und ich wollte sie endlich einmal im Scriptorium besuchen kommen. In diesem von der Stadt Köln und der AntoniterCityKirche im Rahmen eines Stipendiums zur Verfügung gestellten Raum inmitten der Kölner Innenstadt arbeitet Christina seit August letzten Jahres. So geheimnisvoll sich der Name anhört, so überrascht war ich dann, als ich in den versteckten Innenhof einer ehemaligen Klosteranlage bog. Wie grün es hier ist!

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Und über eine Hintertreppe gelangte ich dann auch zum Scriptorium. Hell und freundlich und richtig groß – ein wirkliches Geschenk, das Christina Bacher bislang auch ausgiebig genutzt hat. Ein Exposé für einen Jugendroman hat sie in den zurückliegenden Monaten fertig gestellt und ein Erwachsenen-Krimi ist auch in der Mache. Vielleicht geht das Stipendium auch noch in das zweite Jahr. Das ist noch nicht ganz klar und die Kontakte mit dem Kulturamt sind bislang eher spärlich. Dabei sind die beiden Autorinnen – neben Christina arbeitet dort die Lyrikerin und Romanautorin Sabine Schiffner – sehr rege und organisieren Lesungen, Ausstellungen und Autorentreffs. Am 29.9. wird es eine Veranstaltung in der Antoniterkirche geben. Es werden Texte gelesen, die eigens dafür geschrieben wurden und sich um das Thema Engel drehen. Ja, der inspirierende Barlach-Engel … da freue ich mich schon drauf!

Mit einem Tässchen Espresso und ein bisschen Schokolade machten wir es uns gemütlich und plaudern. Es ist ein richtig schönes Interview dabei entstanden. Eine Buch-Idee hatten wir eh schon besprochen. Sie wird jetzt konkreter. Und es purzelte auch noch ein Projekt heraus, als wir uns mit einer dritten Kollegin zum Mittagessen um die Ecke trafen. Wenn man sich schon mal mit einer so tollen Autorin trifft, dann auch richtig! So, jetzt aber das Interview mit ganz persönlichen Einblicken in den Alltag einer Schriftstellerin. Inklusive einem ganz privaten Blick auf die „Schreibsocken“, die für die nötige Entspanntheit beim Arbeiten sorgen sollen!

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Anke
Christina, du hast dir mittlerweile deinen Platz als Autorin erobert, bist mit deinen wunderbaren Kinderkrimis viel auf Lesungen in Schulen und auf Festivals. Dann bewegst du dich auch in vielen Autoren-Netzwerken. Nimmst du einen Wandel im Literaturbetrieb wahr?
 
Christina
Ich glaube, der Wind in den Verlagen wird härter. Mein Verlag Bloomsbury Kinder & Jugendbücher beispielsweise wurde jetzt gerade an Ars Edition verkauft. Da heißt es für Autorinnen, Lektoren, Vertrieb und Buchhandlungen wieder umdenken. Das Ebook kommt gerade um die Ecke und stellt die ganze Branche vor neue Herausforderungen. Das Gute aber ist, dass die kleinen Leser immer noch ganz verrückt nach Ratekrimis und Detektivgeschichten sind. Es wird nach wie vor gelesen, das ist das Wichtigste.

Anke
Du hast mit dem Stipendium vom Kulturamt der Stadt Köln für ein Jahr einen Raum mitten in der Innenstadt zur Verfügung gestellt bekommen. Was brauchst du eigentlich, um gut schreiben zu können? Oder anders gefragt: welche Schritte führen bei dir zum fertigen Buch?
 
Christina
Ich brauche Zeit. Und Ruhe. Genau genommen habe ich all das geschenkt bekommen durch mein Stipendium: Ich kann eine Oase mitten in der Innenstadt zum Schreiben nutzen, mit Blick ins Grüne und einem nahen Café.  Perfekt, um auf gute Ideen zu kommen.

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Anke
Du hast dich für die Sparte „Krimi“ entschieden. Was interessiert dich an diesem Genre?
 
Christina
Also, eigentlich habe ich mich nicht bewusst dazu entschieden, sondern das Genre hat mich irgendwie ausgesucht: Immer, wenn ich mir etwas ausdenke, hat die Geschichte einen  Thriller-Moment oder einen Fall, den es zu lösen gilt. Ich persönlich lese selbst gerne Kriminalromane und habe eine Zeit lang einen Krimikalender und ein Krimi-Jahrbuch herausgegeben. Es sind dabei weniger die Opfer, sondern die Täter, die mich interessieren. Im Krimi kann man sich über die Umstände Gedanken machen, warum jemand kriminell wird, dann steckt in dem Buch auch eine große Portion Gesellschaftskritik – das finde ich interessant und wichtig. Selbst oder gerade fürs Kinder- oder Jugendbuch.

Anke
Ich habe immer so die Vorstellung von einem kreativen Funken, der dann zu einem lodernden Feuer der Begeisterung werden kann. Was löst bei dir so etwas aus? Unternimmst du etwas, um diesen Moment zu forcieren?
 
Christina
Also, sagen wir mal so: Natürlich brenne ich für meine Geschichten und Bücher, vor allem, wenn ich sie gerade schreibe. Und natürlich habe ich auch solche Glücksmomente, in denen es mir leicht von der Hand geht und ein Funken überspringt. Meistens bin ich in einer guten Schreibstimmung, wenn ich aus meinem Alltag herausgelöst bin: Auf einer Reise, in einem Zug, in meinem Arbeitsraum. Da das Schreiben aber zu meinem Beruf geworden ist, geht es auch viel um ein solides Handwerk und dass das Buch zum Abgabedatum fertig sein muss. Ich gebe zu, das klingt jetzt weniger romantisch als das „lodernde Feuer der Begeisterung“.
 
Anke
Jetzt einmal aus purer persönlicher Neugier: Ich weiß, dass du sehr eingespannt bist zwischen deinen Aufgaben für den Draussenseiter, die Nephrokids und natürlich als Mutter. Wie teilst du deine Zeit auf und wie lange dauert es, bis ein Buch fertig ist?
 
Christina
Mein Zeitmanagement ist, glaube ich, ganz gut. Aber stimmt, ich habe beruflich viel zu tun und nach der Schule stehen zwei hungrige Kinder vor der Tür und wollen zum Fussball oder ins Schwimmbad. Das Gute aber ist ja, dass ich mein Hobby zum Beruf gemacht habe. Schreiben, Lesungen, mich mit interessanten Leuten treffen, Netzwerken – das alles geht mir leicht von der Hand und macht Spaß. Selbst wenn ich joggen gehe, spreche ich in mein Diktiergerät, wenn ich eine gute Idee habe. Momentan arbeite ich an einem Exposé für mein neues Jugendbuch und nehme mir dafür die Zeit, die ich brauche. Ich habe aber auch schon mit meinem Co-Autor Ulrich Noller zwei Bücher in einem Jahr fertig geschrieben.

Anke
Vielen Dank, liebe Christina, für diesen Blick auf den Schreibtisch einer erfolgreichen Autorin. Jetzt wollen wir dich nur noch mit unseren 11punkt-Fragen löchern, die wir jedem Interviewten schicken:

ArbeitsplatzScriptorium

1.    Meine Lieblingsecke tagsüber ist auf meiner Terrasse.
2.    Meine Lieblingsecke nachts ist mein Bett im Dachzimmer mit Blick in den Himmel.
3.    Die Stadt ist am schönsten in meinen Träumen.
4.    Einen Spaziergang mache ich immer gerne in der Nacht.
5.     Zum Entspannen bin ich gerne im Neptunbad.
6.    Mein Lieblingsgebäude ist zur Zeit die Kolumba.
7.    Mein Lieblingskulturort ist das Klüngelpütz-Theater.
8.    Mein Geheimtipp ist das Bergfest in der Lotta.
9.    Ich sitze gerne ein paar Minuten vorm Kiosk am Neusser Platz und schaue mir die Leute an, die vorbei gehen.
 

 

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